Green Cruising im Kommen
Als erstes Kreuzfahrtschiff weltweit ist die AIDAnova Ende 2018 mit LNG-Antrieb in See gestochen. Mit der Expertise der Meyer Werft stellt AIDA Cruises ihre gesamte neue Schiffsgeneration von Diesel und Schweröl auf Flüssigerdgas um. Und schon ziehen weitere Gesellschaften nach.
Grüner reisen liegt im Trend: Neben AIDA Cruises setzen auch Costa Cruises, Royal Caribbean International, P&O und die Disney Cruise Line auf die Expertise der Meyer Werft in Papenburg und lassen in den kommenden Jahren Schiffe mit LNG-Antrieb bauen. Zwölf Kreuzfahrtschiffe mit dieser Technik hat die Meyer-Gruppe bereits in den Auftragsbüchern und ist damit Marktführer auf diesem Gebiet. Weltweit. LNG steht für Liquified Natural Gas und ist ein Quantensprung in Richtung umweltfreundliche Schifffahrt. Denn der alternative Kraftstoff ist besonders schadstoffarm: Bei der Verbrennung von LNG wird zwar auch Kohlendioxid (CO2) ausgestoßen, jedoch entstehen keinerlei Rußpartikel (PM) oder Schwefeloxide (SOx) und weniger Stickoxide (NOx) als mit Diesel- oder Schwerölbetrieb.
Möglich machens die Experten der Meyer Werft: Gemeinsam mit Partnern haben sie zehn Jahre Forschung und Entwicklung in die neue Technologie investiert und bereits beim Bau von Fähren und Gastankern Erfahrungen mit LNG-Antrieb gesammelt. Und mit dem Bau des ersten umweltfreundlich angetriebenen Kreuzfahrtschiffes, der AIDAnova, gebaut von 2015 bis 2018, hat die Werft ihr technisches Wissen weiter ausgebaut.
Das Ziel der beteiligten Werften, Klassifikationsgesellschaften und Maschinenbauunternehmen war es, ein gasbetriebenes Passagierschiff zur Marktreife zu bringen. „Das ist uns gelungen und im Sommer 2015 nach Verabschiedung der internationalen Vorschriften erhielten wir den AIDA-Auftrag zum Bau von zwei Schiffen mit LNG-Antrieb, nachdem wir diesen Brennstoff bereits auf Fähren und LNG-Tankern eingesetzt hatten. AIDA Cruises wird als weltweit erste Kreuzfahrtreederei ihre gesamte neue Schiffsgeneration mit Flüssigerdgas betreiben“, sagt Gerhard Untiedt, Fachbereichsleiter für Energie- und Umweltfragen der Meyer Werft.
Technologischer Meilenstein
Der neue Antrieb bringt weitere Herausforderungen für den Schiffbau mit sich: „LNG-Antrieb bedeutet auch, dass die Konstruktion der Schiffe neu gedacht werden muss: Die Flüssiggastanks und Gasanlage nehmen zweieinhalb bis drei Mal so viel Platz ein wie die Diesel Tanks. So muss deutlich mehr Raum eingeplant werden“, erklärt Gerhard Untiedt. Ein LNG-betriebenes Kreuzfahrtschiff wird mit einer Gasanlage und drei großen Drucktanks ausgestattet. Mehr als 3.000 Kubikmeter Erdgas werden so bei minus 162 Grad Celsius gelagert – exakt der Temperatur, bei der das Gas flüssig wird.
„Die gesamte Anlage muss für die tiefe Temperatur geeignet und isoliert werden und zudem so konstruiert sein, dass ein Gasaustritt so gut wie unmöglich ist oder es – im Falle des Falles – nicht zur unkontrollierten Freisetzung und eventuellen Entzündung kommt.“, erläutert Untiedt. Außerdem setzen die Spezialisten der Meyer Werft in der Umgebung des Tanks ausschließlich nicht brennbare Materialien und Medien ein.
Für den Antrieb verbaut werden Mehrbrennstoff-Motoren, in diesem Fall von Caterpillar/MaK, die sowohl auf Gas (LNG) als auch Diesel gefahren werden können und strengste Umweltauflagen erfüllen. Im Normalfall werden sie zu 98 Prozent mit Gas gebetrieben, in Ausnahmefällen können sie auf Diesel umgestellt werden.
Maritime Energiewende
Was gut für die Umwelt ist, ist auch gut fürs Image der weltweit wachsenden Branche. Denn trotz aller Beliebtheit bei Kreuzfahrtreisenden, stehen gerade die großen Cruiser auch als „Dreckschleudern“ in der Kritik von Verbrauchern und Umweltverbänden – wenngleich sie nicht so umweltschädlich wie ihr Image sind: „Vergleicht man die aufgewendete Energie pro Kopf und Kilometer mit dem Auto, so sind Passagierschiffe durchaus umweltfreundliche Transportmittel, vor allem wenn man berücksichtigt, dass gleichzeitig ein großes Hotel betrieben wird. Schiffe noch umweltfreundlicher zu machen, ist eines der Ziele, die unsere Arbeit auf der Meyer Werft prägen“, sagt Gerhard Untiedt. Denn natürlich tue der Schiffbau gut daran, Schiffe effizienter zu machen, schädliche Abgase weiter zu reduzieren und den Umweltschutz aktiv zu leben. So wird mit dem heute noch fossilen LNG der Kohlendioxidausstoß verringert, der Stickoxidaustoß um mehr als 85 Prozent gesenkt und der Ruß- und Schwefelaustoß komplett eliminiert.
Dem LNG-Antrieb gehört somit die Zukunft: Denn der Ausbau von Kreuzfahrtflotten mit LNG- oder Dual-Fuel-Antrieb, einer Kombination aus LNG und Marinedieselöl, schreitet deutlich voran. Allerdings sind von den 60.000 Schiffen weltweit nur etwa 400 Kreuzfahrtschiffe. In der Handelsschifffahrt – dazu gehören Container, Frachter, Tanker und andere – tut man sich noch schwer. Nichtsdestotrotz werden bis 2020 etwa 100 weitere Schiffe weltweit auf See mit LNG unterwegs sein. So zum Beispiel der neue Gastanker „Coral Energy“ der Neptun Werft, die auch zur Meyer-Gruppe gehört. Auch zahlreiche Fähren sind bereits mit Flüssiggas als Brennstoff im Einsatz. Die Versorgung der Schiffe mit LNG ist jedoch nach wie vor eine Herausforderung.
Denn auch in den Häfen ist in puncto Umweltschutz und Energiewende noch einiges zu tun, zum Beispiel die Infrastruktur, die es den Schiffen überhaupt erst ermöglicht, die Zukunftsbrennstoffe am Kai zu tanken, wird derzeit in vielen Häfen erst aufgebaut.
Kosten und Klimaschutz
Klimaschutz bedeutet dabei heute auch höhere Betriebskosten für den Kunden, denn die Anlagen- und Treibstoffkosten machen einen großen Teil der Betriebskosten von Passagierschiffen aus, wobei die LNG-Technologie heute die beste Option ist. An Technologien wie dem Einsatz von Brennstoffzellen oder an regenerativen Treibstoffen wie Methanol, aber auch regeneratives LNG, wird ebenfalls intensiv geforscht und entwickelt. Mit diesen regenerativen Kraftstoffen können dann in Zukunft diese Schiffe auch kohlendioxidneutral betrieben werden. Um eine maritime Energiewende komplett zu vollziehen, müssten dann neben den Passagierschiffen auch die Containerschiffe, Frachter und Tanker auf Zukunftstechnologien umsteigen.
Immerhin, ein Umdenken ist bereits im Gange: Das zeigen die zwölf LNG-Schiffe verschiedener Kreuzfahrtreedereien, die in den Auftragsbüchern der Meyer-Gruppe stehen und die an den Standorten Papenburg , Turku und Rostock hergestellt werden.
Günter Kolbe, Meyer Werft, guenther.kolbe@meyerwerft.de