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Elektromobilität 19.12.2022, 07:00 Uhr

Mit diesen Elektroden rücken langlebige Festkörperbatterien in greifbare Nähe

Ingenieurinnen und Ingenieure haben neuartige Elektroden entwickelt, die ihr Volumen nicht verändern – und ideal für Elektrofahrzeuge sein könnten.

Festkörperbatterie

Festkörperbatterien – eine neue Option für die Elektromobilität? Das hoffen Forschende aus Japan.

Foto: Panthermedia.net/Fahroni

Elektroautos gelten derzeit als die beste Möglichkeit, um herkömmliche Autos mit Verbrennungsmotoren durch eine umweltfreundlichere Alternative zu ersetzen. Momentan werden Elektrofahrzeuge jedoch mit Lithium-Ionen-Batterien betrieben. Und genau hier liegt ein großes Problem: Lithium-Ionen-Batterien bieten noch nicht die erforderliche Leistung und Langzeit-Stabilität zu einem vernünftigen Preis. An möglichen Optimierungen forschen weltweit etliche Arbeitsgruppen.

Eine mögliche Alternative sind Festkörperbatterien, auch Feststoffbatterien genannt. Nur verkürzen bei ihnen Volumenänderungen der Elektroden bei Lade- und Entladezyklen die Lebensdauer deutlich. Vor diesem Hintergrund hat ein Team unter der Leitung von Naoaki Yabuuchi neuartige Elektrodenmaterialien entwickelt, die nach Angaben der Forschenden keine Defizite zeigen. Yabuuchi ist Professor an der Yokohama National University, Japan. Die Forschergruppe erzielte bei Tests eine bislang unerreichte Stabilität in Festkörperbatterien.

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Vorteile und Nachteile von Festkörperbatterien

Ein Blick auf die Unterschiede: Während herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien flüssige Elektrolyten enthalten, in denen sich Lithium-Ionen während des Lade- und des Entladevorgangs bewegen, bestehen Festkörperbatterien vollständig aus festen Materialien, daher ihr Name. Neben einer massiven Verbesserung der Betriebssicherheit – da diese Batterien bei Schäden keine giftigen Flüssigkeiten freisetzen – lassen sie sich viel schneller aufladen.

Bisher gab es jedoch ein ungelöstes Problem bei Festkörperbatterien, das ihre Haltbarkeit stark eingeschränkt hat. Wenn Lithiumionen in die Elektroden der Batterie gelangen oder aus ihnen herausdiffundieren, verändert sich die kristalline Struktur des Materials. Das hat Folgen: Elektrode dehnen sich aus oder ziehen sich zusammen. Diese wiederholten Volumenveränderungen bei jedem Lade- und Entladezyklus beschädigen die Grenzfläche zwischen den Elektroden und dem Festelektrolyten. Früher oder später kommt es zu irreversiblen Veränderungen in der Kristallchemie der Elektroden. Genau hier setzt Yabuuchi zusammen mit Kolleginnen und Kollegen jetzt an.

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Neues Elektrodenmaterial für Festkörperbatterien

Das Forschungsteam hat aus Lithiumtitanat (Li2TiO3) und Lithiumvanadiumdioxid (LiVO2) ein neues, innovatives Elektrodenmaterial hergestellt. Wenn dieses Material auf eine geeignete Partikelgröße in der Größenordnung von Nanometern gemahlen wird, bietet es eine hohe Kapazität dank seiner großen Menge an Lithiumionen, die während des Lade- und des Entladevorgangs reversibel ein- und ausgelagert werden.

Im Gegensatz zu anderen Elektrodenmaterialien zeichnet sich die neue Substanz durch eine besondere Eigenschaft aus. Sie hat bei vollständiger Ladung und Entladung nahezu das gleiche Volumen: ein entscheidender Pluspunkt. Die Forscherinnen und Forscher analysierten den Ursprung dieser Eigenschaft. Sie kamen zu dem Schluss, dass es sich um ein Gleichgewicht zwischen zwei Phänomenen handelt, die auftreten, wenn Lithiumionen in den Kristall eingebracht oder aus ihm entnommen werden.

Einerseits lässt die Entfernung von Lithiumionen den Kristall schrumpfen. Andererseits wandern einige Vanadium-Ionen von ihrer ursprünglichen Position in die von den Lithium-Ionen hinterlassenen Räume und nehmen dabei eine höhere Oxidationsstufe an. Dies führt zu einer abstoßenden Wechselwirkung mit Sauerstoff, die wiederum eine Ausdehnung des Kristallgitters bewirkt.

„Wenn sich Schrumpfung und Ausdehnung die Waage halten, bleibt die Formstabilität erhalten, während die Batterie geladen oder entladen wird, also während des gesamten Zyklus“, sagt Yabuuchi. „Wir gehen davon aus, dass ein wirklich stabiles Material – eines, das sein Volumen bei elektrochemischen Zyklen beibehält – durch weitere Optimierung der chemischen Zusammensetzung des Elektrolyten entwickelt werden könnte.“

Erste Tests des neuen Elektrodenmaterials in Festkörperbatterien

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten das neue positive Elektrodenmaterial bei verschiedenen Laborexperimenten. Sie konstruierten eine Festkörperbatterie, indem sie ihre neue Substanz mit einem geeigneten Festelektrolyten und einer negativen Elektrode kombinierten. Ihre Zelle wies eine bemerkenswerte Kapazität von 300 Milliamperestunden pro Gramm Masse (mAh/g) auf. Und wie erhofft verschlechterte sich der Wert bei langfristiger Belastung hinweg nicht. Im Experiment waren das 400 Lade- und Entladezyklen.

Darin sehen die Forschenden einen Hinweis auf die Leistungsfähigkeit ihres Materials. Sie hoffen perspektivisch, preisgünstigere Zellen mit besserer Leistung herzustellen. „Die Entwicklung von langlebigen und leistungsstarken Festkörperbatterien würde einige der Probleme von Elektrofahrzeugen lösen“, sagt Yabuuchi. „In der Zukunft könnte es zum Beispiel möglich sein, ein Elektrofahrzeug in nur fünf Minuten vollständig aufzuladen.“

Der erste Schritt ist zwar getan, doch weiter Arbeit wartet auf die japanischen Ingenieurinnen und Ingenieure. Im nächsten Schritt wollen sie ihre Elektrodenmaterialien weiter optimieren und dann in Festkörperbatterien einbauen.

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Von Michael van den Heuvel