So könnte die Schifffahrt endlich nachhaltig werden
Transport- und Kreuzfahrtschiffe gelten als Umweltsünder unserer Weltmeere – zu Recht. Mit einer neuen Brennstoffzelle könnte auch die Schifffahrt nachhaltiger werden.
Derzeit befördern Firmen rund 90% aller Güter des Welthandels auf dem Seeweg. Schiffe werden oft mit Schweröl betrieben. Der Energieträger enthält deutlich mehr Schwefel und Schwermetalle als Kraftstoffe, die an Land eingesetzt werden. Gerade in Küstenregionen wird die Luftqualität deshalb durch Ruß, Stickoxide und durch Schwefeldioxid stark beeinträchtigt. Doch das Problem ist globaler Natur. Umweltverbände schätzen, dass 2,6% der anthropogenen Kohlendioxid-Emission auf die Schifffahrt zurückzuführen sind, aber auch 13% des Schwefeldioxid- und 15% des Stickoxid-Ausstoßes, Tendenz steigend. Neue Lösungen sind gefragt.
Jetzt stellt die Fraunhofer-Gesellschaft zusammen mit internationalen Partnern ein neues, nachhaltiges Antriebskonzept vor. Sie arbeitet mit Brennstoffzellen, die Energie aus Ammoniak gewinnen und nicht – wie man erwartet hat – aus Wasserstoff.
++ Der Wasserstoff kommt künftig aus der Tube ++
Vorteile von Ammoniak als Energieträger
Die Wahl der Energiequelle überrascht auf den ersten Blick. Busse und Nutzfahrzeuge, aber auch Pkw, werden auf der Straße mit Wasserstoff unterwegs sein. „Ammoniak hat gegenüber Wasserstoff deutliche Vorteile“, erklärt Gunther Kolb. Er ist Bereichsleiter Energie sowie stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM in Mainz. Kolb: „Wasserstoff muss als Flüssigkeit bei -253 Grad Celsius oder komprimiert als Gas bei Drücken um 700 bar gespeichert werden.“ Ammoniak begnüge sich als Flüssigkeit mit moderaten -33 Grad Celsius bei Normaldruck und +20 Grad Celsius bei 9 bar. „Das macht die Lagerung und den Transport dieses Energieträgers deutlich leichter und unkomplizierter“, sagt der Experte.
Hinzu kommt: Die chemische Industrie hat seit Jahrzehnten Erfahrung mit Ammoniak gesammelt. Die Chemikalie ist ein bekanntes Kältemittel und bildet die Grundlage für Dünger oder andere Chemikalien. Anders als in der Industrie entsteht Ammoniak nachhaltig aus Wasser, Stickstoff der Luft und Solar- oder Windenergie. Er wird dann verflüssigt und in Tanks, etwa auf Schiffen, gespeichert.
++ Wasserstoff wird zur Pufferbatterie ++
Wie funktioniert eine Ammoniak-Brennstoffzelle?
Brennstoffzellen selbst arbeiten mit einem Umweg. Im ersten Schritt wird Ammoniak verdampft und gasförmig in einen Spaltreaktor gegeben. Das Molekül zerfällt zu Stickstoff und zu Wasserstoff. Im Gasgemisch sind nach der Zersetzung 75% Wasserstoff. Eine Spur Ammoniak in der Größenordnung von 100 ppm ist noch vorhanden, stört bei der Energiegewinnung aber nicht.
Stickstoff und Wasserstoff gelangen danach in die eigentliche Brennstoffzelle. Luft kommt ebenfalls hinzu. Der Sauerstoff wirkt als Oxidationsmittel, und Wasser entsteht. Dieser Vorgang liefert Energie, hat aber einen Nachteil. Rund 12% Wasserstoff werden nicht umgesetzt, was den Wirkungsgrad schmälert. Dieses Problem konnten Fraunhofer-Ingenieure jedoch durch ein innovatives Design lösen. Sie entwickelten einen Reaktor mit katalytisch aktiven Substanzen. Als Träger fungierte eine gewellten Metallfolie mit Platin. Aktive Partikel wurden per Pulverbeschichtung aufgetragen. Ziel ist, dass nur Wasser und Stickstoff, aber keine schädlichen Stickoxide entstehen.
Als besonders wichtig erwies sich die Temperaturführung. Der Reaktor heizt den Katalysator vor. Erst später beginnt die eigentliche Energiegewinnung. „Die Gase, die den Katalysator durchströmen, sollten bei einer Temperatur von voraussichtlich etwa 500 Grad Celsius liegen, damit die Abgasreinigung möglichst wirksam ist“, so Kolb. Er konnte zwar auf die Expertise seines Instituts und auf vorarbeiten zurückgreifen. Dennoch war das Projekt eine gewaltige Herausforderung. „Wir müssen unsere vorhandene Technik für die Brennstoffzelle weiterentwickeln“, sagt Kolb. „Außerdem ist ein Katalysator für ein Schiff natürlich viel größer als einer für einen Pkw.“
Ausstattung für die „Viking Energy“
Die Experimente im Labor verliefen vielversprechend. Als Kapazität ihrer Zelle geben Fraunhofer-Ingenieure zwei Megawatt an. Sie planen, bis Ende 2021 alle Arbeiten abzuschließen und ihren Prototypen vorzustellen. Er soll im Jahr 2022 hochskaliert werden. Weiter geht es mit einem Praxistest. Am Mitte 2023 wollen die Fraunhofer-Ingenieure ihr System in die Viking Energy der norwegischen Reederei Eidesvik einbauen. Benötigt wird eine 20 MW-Brennstoffzellenlösung. Später sollen andere Schiffstypen folgen. Der Ammoniak selbst wird nicht vor Ort erzeugt. Yara, ein Partner des Konsortiums, liefert das Gas aus „grüner“ Produktion.
Mehr zum Thema Brennstoffzellen: