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Windenergie 01.09.2019, 00:00 Uhr

Windräder smart gesteuert

Windkraftanlagen können effektiver arbeiten, würden sie intelligent gesteuert. Das Münchener Unternehmen fos4X hilft mit einer Kombination aus Rotorblattsensoren und Datenanalytik.

Bild: fos4X

Bild: fos4X

Windenergie boomt weltweit. Sie ist fast überall verfügbar und kann deshalb auch abgelegene Gebiete günstig mit Strom versorgen. Jährlich werden weltweit etwa 25.000 neue große Rotoren gebaut: im Meer, auf dem flachen Land, in der Nähe von Städten und sogar in Wüsten. Umso überraschender ist es, dass die meisten Anlagen noch nach dem Prinzip Windmühle funktionieren.

Die heutigen Möglichkeiten moderner Steuerungstechnik werden zu wenig genutzt. Deshalb sind viele Anlagen größer als sie sein müssten und laufen zu oft in einem reduzierten Betrieb. Rotoren werden etwa pauschal gedrosselt, bläst der Wind aus einer bestimmten Richtung. Dies nennt sich Sektor-Management. Die meisten Anlagen könnten mehr Energie liefern, erhielte die Steuerungssoftware jederzeit Informationen zu ihrer tatsächlichen Beanspruchung.

Bisher war Trend in der Windbranche, die Größe und damit die Leistung der Turbinen zu optimieren. Dies stößt allmählich an technische und physikalische Grenzen. Viele Windkraftanlagen auch in Deutschland ließen sich aber effizienter nutzen – etwa durch eine im Markt einzigartige Kombination der Sensorplattform und Datenauswertung von fos4X.

Der Aufbau eines optoelektronischen Messgeräts: Sichtbar sind die Glasfaserkabel im Inneren des Messgerätes. Bild: fos4X

Der Aufbau eines optoelektronischen Messgeräts: Sichtbar sind die Glasfaserkabel im Inneren des Messgerätes. Bild: fos4X

 

Diese Verbindung adressiert die Bedürfnisse nach Effizienzsteigerung. Sie ermöglicht es Betreibern, neue Windparkprojekte zu gewinnen, indem sie bessere Ausschreibungen auf der Grundlage umsetzungsfähiger Erkenntnisse durchführen. Die jährliche Energieproduktion und Anlagenlebensdauer wird durch flexible Regelstrategien erhöht und die Betriebskosten werden durch die Verwendung intelligenter Daten zur Unterstützung der vorausschauenden Instandhaltung gesenkt.

Im Detail: Die Rotorblätter sind die wichtigste Stelle, wenn es um Informationen über die gewaltigen Kräfte an einer Windanlage geht. Deshalb hat fos4X Temperatur- und Kraftmesser entwickelt, die im Innern der Rotorblätter verklebt werden und so deren aerodynamische Eigenschaften nicht beeinflussen. Sie arbeiten nach dem Prinzip der Faseroptik. Die physikalischen Eigenschaften der Rotorblätter lassen sich damit über die gesamte Lebensdauer der Windkraftanlage vermessen. Auch die Eigenschaften des auftreffenden Windes lassen sich damit genau feststellen. Aktuelle und zukünftige Software zur Steuerung wird all diese Informationen nutzen. Damit lassen sich Anlagen günstiger auslegen und gleichzeitig effizienter auslasten.

Optoelektronik hilft

Die Kerntechnologie von fos4X ist ein selbst entwickelter optoelektronischer Chip. Er wird den hauseigenen Messgeräten eingesetzt. Das zweite wichtige Element sind die faseroptischen Sensoren, die mit Glasfaserkabeln mit dem Chip im Messgerät verbunden sind. Zusammen bilden sie ein Messsystem, das die Hardwarebasis für eine Sensorplattform schafft, die das Unternehmen fos4Blade nennt (das englische Wort Blade steht für Rotorblatt). Die Hardware-Produkte sind Teil eines kontinuierlichen Innovationsprozesses. fos4X hat weltweit Patentanmeldungen für seine Hardwarekomponenten und alle wesentlichen Verbesserungen eingereicht.

Schematische Verwendung des fos4X-Ansatzes: Rote Punkte und grüne Rechtecke zeigen Position und Anzahl der fos4X Komponenten. Bild: fos4X

Schematische Verwendung des fos4X-Ansatzes: Rote Punkte und grüne Rechtecke zeigen Position und Anzahl der fos4X Komponenten. Bild: fos4X

 

Die digitalen Produkte wandeln Windenergieanlagen in intelligente Stromerzeuger um. Dabei konzentriert sich fos4X auf zwei Bereiche, um sich hervorzuheben:

Erstens, ein Thin-Edge-Client: Das ist ein Industrie-PC, der sich direkt in der Turbine befindet und mit einer IIoT-Cloud (IloT = Industrial Internet of Things) verbunden ist. Dadurch hat der Betreiber jederzeit und von überall die Möglichkeit, sich Daten zu Leistung und Betriebszustand seiner Anlagen in einem Dashboard übersichtlich anzeigen zu lassen. Außerdem ist dieser PC in der Lage, Daten lokal zu verarbeiten, um mit dem Turbinensteuerungssystem in Echtzeit zu interagieren.

Künstliche Intelligenz

Zweitens, modellbasierte Analytik und maschinelles Lernen: fos4X nutzt eine Mischung aus rein physikalischen Algorithmen sowie Ansätzen, die auf große Datenmengen angewiesen sind, um generische Modelle zu trainieren. Das funktioniert folgendermaßen: Werden große Datenmengen erfasst und mit den Datensätzen anderer Anlagen verglichen, kann der Algorithmus automatisch angepasst und verbessert werden.

Kombiniert mit einer starken Fachkompetenz im Bereich Wind kann die Plattform so die relevantesten Erkenntnisse für Erstausrüster (OEMs) und Betreiber generieren. Wie die Hardware sind auch die digitalen Produkte durch Patentanmeldungen geschützt. Rund zwei Drittel aller Patentanmeldungen im Jahr 2018 betrafen diesen Bereich.

Resistent gegen Blitzschlag

„Im Schnitt wird jede Windanlage alle paar Jahre vom Blitz getroffen, in Gegenden wie Japan sogar jährlich“, sagt Lars Hoffmann, Gründer und CEO des jungen Unternehmens. Windräder stehen exponiert und ziehen Blitze deshalb förmlich an. Das gelte umso mehr, wenn dort elektrische Leitungen verbaut werden etwa in Form traditioneller elektrischer Sensoren. fos4X verwendet deshalb faseroptische Sensoren, deren Glasfasern auch noch günstiger sind. Blitze beeinflussen diese innovativen Fühler nicht. „Bei uns werden die Informationen durch geführtes Licht weitergegeben“, sagt Hoffmann.

Hoffmann und seine Mitgründer haben an der TU München über die Technologie promoviert und diese dort zu einer Geschäftsidee entwickelt. Die Ausgründung erfolgte 2010. fos4X verdiente schon nach wenigen Jahren Geld. „Das ist mir wichtig“, sagt Hoffmann. Die Begeisterung mancher Gründer, möglichst viel Geld von Investoren einzusammeln, teilt er nicht. Heute beschäftigt das Unternehmen knapp 100 Mitarbeiter.

Fokus auf Software

Die Industrie wartet auf neuartige Sensoren, die es den Betreibern ermöglichen, Windkraftanlage präziser zu steuern. Ändern sich die Windverhältnisse, können sie etwa die Winkel jedes Rotorblattes einzeln verstellen. Die faseroptischen Fühler melden auch, ob und wie viel Eis auf Rotoren liegt. Der Betrieb wird dann entsprechend angepasst. „Wenn man genau weiß, wie schwer die Eismasse ist, kann man die Anlage gezielt aus- und wieder anschalten“, sagt Hoffmann.

Eine exakte Steuerung steigert den Energieertrag, senkt die operativen Kosten und verlängert die Lebensdauer der Anlagen. „Es gibt am Windenergiemarkt einen riesigen Bedarf für intelligentere Steuerung“, stellt Hoffmann fest. Er will sich deshalb weiter auf den Bereich konzentrieren und noch stärker in Software-Entwicklung investieren. In Zukunft könnten die fos4X Sensoren dann auch in Energienetzen, Elektromobilität oder Flugzeugen sinnvoll eingesetzt werden.

fos4X Vision

Bislang ist die Windenergiebranche kein leuchtendes Beispiel für Standardisierung und Digitalisierung. Dank Subventionen hat sie lange Zeit vor allem den Bedarf an Turbinen im Auge gehabt. Sowohl bei der Hardware wie auch der digitalen Architektur hinkt der Grad an Modularisierung, Standardisierung und Gleichteileverwendung deutlich anderen Branchen hinterher. In der Windenergiebranche zählen noch die Prinzipien „Bigger is better“ und „not invented here“.

Innovative Technologien und moderne Geschäftsmodelle waren nicht prioritär. Doch seitdem die Ausschreibeverfahren die festen Einspeiseerlöse ersetzt haben, ist in der Branche seit ein paar Jahren vieles anders.

Sensoren und Informationen werden die nächste Innovationswelle in der Windenergie antreiben. In fünf Jahren wird jedes neue Rotorblatt mit mehreren Sensoren ausgerüstet sein, die eine direkte Messung der strukturellen Parameter ermöglichen. Auf Basis dieser Daten schließen dann Softwarelösungen die Lücke zwischen Messung von Blatteigenschaften und Kundennutzen. Diese „digitale Transparenz“ kann den Ertrag steigern, Betriebskosten senken und die Sicherheit verbessern.

Von Alexander Tindl

Alexander Tindl, Marketing Manager, fos4X alexander.tindl@fos4x.de