4000 Szenarien für die Klimawende: Diese Computersimulation liefert Antworten
Um Aussagen über die Auswirkungen der globalen Erderwärmung treffen zu können, werden verschiedene Klimaszenarien mithilfe von Klimamodellen analysiert. Je nach Datengrundlage ist ihre Prognosefähigkeit jedoch stark eingeschränkt. Ein Forschungsteam hat nun eine komplexe Computersimulation entwickelt, die verschiedene Modelle und auch Unsicherheiten berücksichtigt.
Seit der Industrialisierung 1880 hat die globale Durchschnittstemperatur um 1,2 Grad Celsius zugenommen. Die Zahl der klimabezogenen Katastrophen hat sich seither mehr als verdreifacht und der Meeresspiegel in der Nordsee ist seit 1843 um 42 Zentimeter gestiegen. Diese und viele weitere Fakten zum Klimawandel sind bekannt. Unsicherheit herrscht hingegen bei der Frage: Welche konkreten Folgen zieht der globale Temperaturanstieg in den verschiedenen Regionen noch nach sich?
Um Aussagen über die Auswirkungen menschlichen Handels auf das künftige Klima der Erde machen zu können, werden Klimamodelle eingesetzt. Dabei handelt es sich um von Computern durchgerechnete Gleichungen klimarelevanter Prozesse. Grundlage für diese Berechnungen liefern verschiedene Klimaszenarien, also Annahmen über die Klimaentwicklung in Abhängigkeit verschiedener Faktoren. Die Auswertung von Klimaszenarien mittels Klimamodellen ist extrem wichtig, um künftigen Auswirkungen mit entsprechenden Maßnahmen entgegenwirken zu können. Die Zuverlässigkeit solcher Modelle ist jedoch immer abhängig von der Datengrundlage, weshalb manche Auswertungen später stark von der Realität abweichen können. Nun haben jedoch Forschende des Paul Scherer Instituts (PSI) in Zusammenarbeit mit weiteren internationalen Forschungseinrichtungen eine komplexe Computersimulation entwickelt. Diese analysiert unter der Berücksichtigung von Klimadaten, der globalen Wirtschaft und globalen Energiesystemen unterschiedliche Möglichkeiten zur Klimawende. Im Gegensatz zu bisherigen Modellen bezieht die Computersimulation auch Unsicherheiten in ihre Berechnung mit ein und liefert somit eine wichtige Grundlage für das Gelingen der Klimawende.
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Computersimulation zeigt den Erfolg von Maßnahmen für die Klimawende auf
Ist der Ausbau der Elektromobilität entscheidend für die Reduzierung von klimaschädlichen Gasen? Wie effektiv ist die Stromversorgung mit Sonnenenergie und sollte diese weiterhin gefördert werden? Welche Auswirkungen hat die heutige Ernährungsweise auf den globalen Temperaturanstieg und wie lässt sich diese gegebenenfalls beeinflussen? Der Klimawandel unterliegt zahlreichen Faktoren. Um ihm entgegenzuwirken, müssen daher viele politische, wirtschaftliche und auch gesellschaftliche Entscheidungen getroffen werden. Doch welche Klima-Maßnahmen führen letztendlich zur erfolgreichen Energiewende und sollten möglichst schnell umgesetzt werden?
Die neue Computersimulation des PSI-Forschungsteams liefert Antworten und soll damit wichtige Entscheidungsprozesse vorantreiben. Das System verbindet Klimamodelle mit ökonomischen Modellen und 1200 Technologien zur Bereitstellung und Nutzung von Energie sowie zur Reduktion von Treibhausgasen. Für das Forschungsprojekt berechnete der Computer 4000 Szenarien für 15 Regionen der Erde. Dabei berücksichtigte er die möglichen Entwicklungen in zehnjahresabschnitten bis 2100. „Der wichtigste Beitrag unserer Forschungsarbeit besteht darin, dass er die politischen Entscheidungsträger in die Lage versetzt, konkrete Entscheidungen über Klimamaßnahmen zu treffen, und zwar in voller Kenntnis der bestehenden Unsicherheiten“, sagt Mitautor Brian Ó Gallachóir vom University College Cork.
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Erstmals finden Unsicherheitsfaktoren im Bewertungsmodell Beachtung
Klimamodell gibt es viele. Das Besondere an der Computersimulation der PSI Forschenden ist die Berücksichtigung von Unsicherheiten. Denn normalerweise basieren Szenarien auf zukünftigen Parametern, die für das System als gegeben gelten. Zum Beispiel wann eine bestimmte Technologie zur Verfügung steht, was sie kostet und wie groß ihr Potential ist. Unsicherheiten, wie das Klima auf das Wirtschaftswachstum reagiert oder wie sich das Klima hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung verändert, bleiben außen vor. „Wir haben 18 Unsicherheitsfaktoren berücksichtigt, darunter das Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum, die Klimasensitivität, das Ressourcenpotenzial, die Auswirkungen von Veränderungen in der Land- und Forstwirtschaft, die Kosten für Energietechnologien und die Entkopplung von Energiebedarf und wirtschaftlicher Entwicklung“, sagt James Glynn von der Columbia University. Damit ist die Computersimulation der Forschenden um einiges konkreter als bisherige Modelle.
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Ergebnisse liefern eine wichtige Grundlage für das Gelingen der Klimawende
Der weltweite CO2-Ausstoß liegt bei 42 Milliarden Tonnen pro Jahr. Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, dürfen laut Berechnungen des Weltklimarates IPCC seit 2020 nur noch 200 bis 300 Milliarden Tonnen dazukommen. Dieser Berechnung schließt sich auch Evangelos Panos vom PSI-Forschungsteam an: „Es könnte knapp werden, denn in 70 Prozent unserer Szenarien überschreitet die Welt in den nächsten fünf Jahren die 1,5-Grad-Celsius-Marke.“ Diese Aussage unterstreicht einmal mehr die Notwendigkeit eines schnellen effektiven Handelns. Um die Klimawende erfolgreich umzusetzen, bedarf es verschiedener Maßnahmen. Die Computersimulation des PSI-Forschungsteam liefert hierfür eine wichtige Grundlage.
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