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Studiendaten 13.03.2023, 07:00 Uhr

Agri-Photovoltaik: So klappt die Energiewende auf dem Acker

Forschende haben Empfehlungen erarbeitet, um das volle Potenzial der Agri-Photovoltaik zu entfalten. Sie haben keinen Zweifel: Das Konzept könnte die Energiewende erheblich vorantreiben. Was fehlt, damit alle Seiten profitieren und Solarenergie einen Schub erfährt?

Agri-PV

Pflanzen gedeihen unter dem Schutz von Solarmodulen, die gleichzeitig Strom produzieren.

Foto: Fraunhofer ISE

Das Gelingen der Energiewende scheint im Moment vor allem ein Flächenproblem zu sein. Die Technik ist vorhanden, aber sie hat nicht genug Platz. Das gilt nicht nur für Windkraftanlagen, sondern auch für Solarmodule. Denn nicht bei jedem Gebäude verträgt die Statik eine große Fläche mit Solarmodulen. Hinzu kommt, dass Dachneigung und zur Verfügung stehende Fläche selbst bei Einfamilienhäusern nicht immer genug Ertrag liefern, damit Solarmodule wirtschaftlich effizient wären. Ganz zu schweigen vom großen Strombedarf der Industrie. Große Photovoltaik-Anlagen stehen aber in Konkurrenz zu anderen Nutzungsarten. Agri-Photovoltaik (Agri-PV) könnte eine Lösung sein. Denn diese doppelte Flächennutzen scheint viele Vorteile zu haben. Trotzdem verbreitet sich das Konzept nur langsam.

Solaranlagen auf Denkmalschutz-Häusern?

Ist der Ansatz tatsächlich so vielversprechend? Und was fehlt unter Umständen für einen durchschlagenden Erfolg? Forschende vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Hochschule Kehl (HSK) haben versucht, genau diese Fragen zu beantworten – im Rahmen des Projektes „Landgewinn“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert wurde.

Solarmodule der Agri-PV schützen die Pflanzen

„Die Agri-Photovoltaik bietet nützliche Synergien zwischen Land- und Energiewirtschaft. Einerseits erschließt sie neue Flächen für die Energiewende. Andererseits hilft sie Landwirten, sich an den Klimawandel anzupassen, weil die Solarmodule Schutz vor Wetterextremen wie Hitze und Starkregen bieten“, sagt Hannes Blum, Energieökonom am IÖW. Im Projekt Landgewinn haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen diese positive Ausgangslage näher unter die Lupe genommen und ökonomische, ökologische, sozialwissenschaftliche und rechtliche Parameter bewertet.

Dabei haben sie sich nicht auf theoretische Analysen verlassen, sondern zahlreiche Gespräche mit potenziell Beteiligten geführt. Neben Landwirtschaftsbetrieben waren das unter anderem spezialisierte Planungsbüros sowie ein regionaler Energieversorger.

Agri-Photovoltaik kann Ernteerträge sogar verbessern

Agri-Photovoltaik bedeutet normalerweise, dass der Ertrag geringer ausfällt als auf herkömmlich genutzten landwirtschaftlichen Flächen. Auch die Solarmodule schaffen nicht die gleiche Leistung wie auf reinen Sonnenstrom-Anlagen. Trotzdem gilt das System als lohnend. Denn rechnet man den Ertrag beider Nutzungsformen zusammen, kommt unterm Strich doch mehr dabei heraus als bei einer einzelnen Flächenbewirtschaftung.

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Das Wissen um sinkende Ernteerträge führt aber dazu, dass Landwirte Agri-PV nicht unbedingt auf fruchtbaren Böden sehen. Sie sind offener für dieses Konzept, wenn es um weniger ertragreiche Flächen geht. Tatsächlich könnten die Solarmodule dort die Erträge sogar steigen lassen. Denn die Module sorgen für mehr Schatten, den viele Pflanzen dringend benötigten. Zudem bieten sie einen gewissen Schutz vor Wetterereignissen wir Starkregen und Hagel.

Infrastruktur und mangelndes Wissen hemmen Agri-PV

Was also sind die Hürden für Agri-Photovoltaik? An erster Stelle stehen aus Sicht der Forschenden Bebauungspläne und Pachtverträge. Dort müssten entsprechende Kombinationsmöglichkeiten vorgesehen sein.

An zweiter Stelle nennt das Forschungsteam die fehlende Infrastruktur beziehungsweise Kooperationsmöglichkeiten vor Ort. Anders gesagt: Landwirte, die auf ihren Feldern zusätzlich Sonnenstrom produzieren, wissen oftmals nicht, wie sie diesen selbst nutzen oder an einen Versorger verkaufen können. „Es braucht mehr Erfahrungswissen, vor allem sollten sich Landwirtschaft, Energieversorger und Netzbetreiber bei der Auswahl der Flächen intensiver austauschen. Auch die Kommunen als Flächeneigentümerinnen und Genehmigungsbehörden sollten dabei eine starke Rolle einnehmen“, empfiehlt Johannes Rupp vom IÖW, Experte für nachhaltige Landnutzung.

Rechtliche Bestimmungen müssten flexibler sein

Der dritte Punkt sind mangelnde rechtliche Voraussetzungen. Antonia Kallina, Juristin an der HSK, erklärt das Problem: „Auf Ackerflächen direkt neben Autobahnen oder zweispurigen Bahngleisen hat ein Antrag für eine Agri-Photovoltaik-Nutzung gute Chancen.“ Für die meisten anderen Flächen sei es jedoch zunächst nötig, dass die jeweilige Kommune einen Bebauungsplan erstellt. In vielen Fällen müsse sie zudem den Flächennutzungsplan ändern.

Kallina nennt für diese Hürde eine mögliche Lösung, nämlich eine Privilegierung im Bauplanungsrecht für die Agri-Photovoltaik. „Mit der richtigen Formulierung ist ein guter Kompromiss möglich, um einerseits die Interessen der Umwelt zu schützen und andererseits das Innovationspotenzial der noch jungen Technologie zu ermöglichen.“ Davon ist sie überzeugt.

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Von Nicole Lücke