Bundesregierung blockiert Ausbau der Solarenergie
Kein Strom lässt sich günstiger erzeugen als Solarstrom, keine Stromquelle ist vielseitiger nutzbar und zugleich breiter akzeptiert als die Photovoltaik. Und trotzdem legt die Bundesregierung der Solartechnik – und damit der Energiewende – immer neue Steine in den Weg und räumt alte nicht weg. Ein Gastbeitrag von Carsten Körnig.
Die Photovoltaik (PV) ist inzwischen längst unverzichtbarer Motor der Energiewende. Und trotzdem ist der Einsatz für den PV-Ausbau auch im Jahr 2020 nach wie vor oft ein Kampf gegen Windmühlen. Noch immer müssen Solarunternehmen im Schulterschluss mit Umwelt- und Verbraucherschützern wie Sisyphos gegen „Sonnensteuern“ und „Solardeckel“ zu Felde ziehen.
Solardeckel behindert den Ausbau
Die größte Herausforderung der Solarbranche ist nicht die aktuell wütende Corona-Krise. Nein, die größte Gefahr geht gegenwärtig von einer 2012 gesetzlich fixierten Förderbeschränkung aus, die seit Jahren wie ein Damokles-Schwert über der gesamten Branche schwebt. Erst nach jahrelanger Überzeugungsarbeit beschloss das Bundeskabinett im vergangenen Herbst, den in Kürze erreichten 52 Gigawatt-Deckel bis Ende 2019 zu beseitigen. Auf die Umsetzung dieses Beschlusses wartet die Branche bis heute.
Worum geht es? Wenn 52 Gigawatt (GW) installierter PV-Leistung in Deutschland erreicht sind, wird für neue Photovoltaik-Dächer keine Förderung mehr aus dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) gezahlt. Wir liegen aktuell bei knapp über 51 Gigawatt. Sollte die Förderung auslaufen, schrumpft die Nachfrage auf einen Bruchteil.
Vor diesem Hintergrund ging die Geschäftserwartung der Branche im ersten Quartal 2020 in den freien Fall über. Schon jetzt platzen immer mehr große Solardachprojekte, die nicht mehr rechtzeitig ans Netz gehen können. Fällt der Solardeckel nicht vor der politischen Sommerpause, sind hunderte Solarunternehmen und über zehntausend Jobs in Gefahr.
Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Eine Einigung zwischen den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD vom 18. Mai macht Hoffnung, dass der Deckel vielleicht doch noch rechtzeitig abgeschafft wird. Ob das tatsächlich so eintritt, werden die kommenden Wochen zeigen.
Ohne Abbau von Marktbarrieren werden Klimaziele nicht erreicht
Dabei brauchen wir einen deutlich stärkeren jährlichen Ausbau der Solarenergie. Experten sprechen von einer notwendigen Vervierfachung der Ausbauziele. Ohne einen jährlichen Zubau von mindestens zehn Gigawatt wird Deutschland die für 2030 selbst gesetzten Klimaziele nicht erreichen können. Andernfalls drohen schon bald eine Stromerzeugungslücke und eine ungewollte Verschiebung des Kohleausstiegs. Das geht aus mehreren aktuellen Studien hervor – wie der Studie „Energiewende im Kontext von Atom- und Kohleausstieg – Perspektiven im Strommarkt bis 2040“ des Bonner Instituts EuPD Research.
Überwältigende Zustimmung
Keine andere Energieform erfreut sich gesellschaftsübergreifend so hoher Sympathiewerte und trifft auf eine so große Investitionsbereitschaft wie die Solarenergie. Einer repräsentativen YouGov-Umfrage von Februar 2020 zufolge stimmt durch alle Parteien hinweg die überwiegende Mehrheit für eine Abschaffung des 52 Gigawatt-Deckels und eine fortlaufende Förderung der Photovoltaik. Bei den Grünen oder der SPD liegen die Zustimmungsraten bei 83 beziehungsweise 84 %, bei CDU/CSU bei 82 %. Und sogar bei der AfD spricht sich mit 67 % eine klare Mehrheit für eine weitere Förderung aus.
Die Klimaziele gefährdet die Bundesregierung auch an anderer Stelle unnötigerweise: Der technisch meist sinnvolle Weiterbetrieb von Solarstromanlagen, die nach 20 Jahren regulär aus der EEG-Förderung fallen, wird durch teils schikanöse Anschlussregeln massiv erschwert. Das betrifft allein bis 2025 rund 200 000 Solarstromanlagen, die oft weitere zehn Jahre gute Sonnenstromernten abwerfen würden.
Anstatt Betreiberinnen und Betreibern von Ü20-Solarsystemen unbürokratisch zumindest den Marktwert von Solarstrom auszuzahlen, wird eine Volleinspeisung des Solarstroms davon abhängig gemacht, dass der Ökostrom künftig an einen Direktvermarkter abgegeben wird. Diese Auflage gilt bei Neuanlagen bislang nur für größere Gewerbedächer und ist für Eigenheimbesitzer aufwendig und finanziell kaum attraktiv.
Alternativ dürften viele Ü20-Betreiber die Umrüstung ihrer Solarstromanlagen auf den Eigenverbrauch in Betracht ziehen, um mit Hilfe nachgerüsteter Batteriespeicher und vielleicht auch einer intelligent gesteuerten Wall-Box das E-Auto mit eigenem Solarstrom zu betanken. Doch Ü20-Solarbetreiber sollen für jede selbst genutzte Kilowattstunde künftig eine anteilige EEG-Umlage in Höhe von rund drei Cent zahlen. Verrückte Welt: Während große Teile der energieintensiven Industrie weiterhin von dieser Umlage befreit werden, sollen ausgerechnet die Solarpioniere der ersten Stunde nun für die Energiewende zur Kasse gebeten werden. Diese „Sonnensteuer“ bremst bereits seit Jahren auch die Initiierung solarer Mieterstromprojekte in Deutschlands Innenstädten aus. Es ist an der Zeit, dass auch diese Bremse endlich gelöst wird. Die klima- und energiepolitische Zukunft unseres Landes darf nicht länger in Geiselhaft genommen werden.
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Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW), geschaeftsleitung@bsw-solar.de