„Europa ist der Schlüsselmarkt“
Wie stellt sich einer der chinesischen Weltmarktführer bei Solarmodulen im internationalen Wettbewerb auf? Welche Bedeutung hat Europa? Ein Gespräch mit Leon Zhang, President Utility Europe bei Longi.
Herr Zhang, Sie haben vor kurzem in Madrid den weltweiten Startschuss für Ihr neues Rückseitenkontaktmodul „Hi-Mo 9“ mit einem Wirkungsgrad von 27,3 % für Siliziumsolarzellen gegeben. Welche Rolle spielt der europäische Photovoltaik (PV)-Markt für Longi?
Leon Zhang: Europa ist für Longi der Schlüsselmarkt. Er macht etwa 20 bis 24 % unseres Solarmodulabsatzes aus. Damit ist er nach China der zweitgrößte Markt. Europa ist aber nicht nur für das Umsatzvolumen entscheidend, sondern wirkt auch als Katalysator für Innovationen in unserem Unternehmen. Die europäischen Kunden sind mündig und verlangen häufig Module mit hohem Wirkungsgrad und hoher Qualität.
Welche Faktoren machen Europa noch attraktiv?
Zhang: Das Engagement der EU-Kommission für die Energiewende und die CO2-Bepreisung bietet uns einen soliden Rahmen für unsere PV-Technologien. Außerdem sind in Europa mehrere große globale Energieunternehmen ansässig, was uns bedeutende Möglichkeiten für Partnerschaften auch auf globaler Ebene bietet. Diese Aspekte ermutigen uns, unsere fortschrittlichen Technologien und Produkte wie das neue hocheffiziente Solarmodul Hi-Mo 9 in Europa einzuführen.
Welches sind Ihre fünf wichtigsten Märkte in Europa?
Zhang: Der wichtigste europäische Markt, insbesondere für Solarstromanwendungen im industriellen Maßstab, ist Spanien, gefolgt von Deutschland. Wir haben auch eine starke Präsenz in Italien sowie in Polen und einigen anderen osteuropäischen Ländern. Auch Frankreich holt auf. Aber auch in anderen wichtigen Märkten wie Schweden sind wir präsent.
Sind die langen Genehmigungszeiten und Auflagen für große Solarprojekte in Europa im Vergleich zu anderen Solarmärkten wie dem Nahen Osten nicht ein Hindernis für Ihr Geschäft?
Zhang: Ich sehe das nicht als großes Problem, weil es eine Besonderheit der Region ist. Die Kundenstruktur und der Markt in Europa unterscheiden sich von anderen Regionen wie dem Mittleren Osten, vor allem aufgrund der Größe. Zum Beispiel ist die durchschnittliche Größe eines Freiflächen-Solarprojekts in Europa natürlich viel kleiner als im Nahen Osten. Aber wir haben eine Organisation namens CC3, die unseren Großkunden einen umfassenden Service bietet, um sicherzustellen, dass alle kommerziellen Verpflichtungen zu ihrer Zufriedenheit erfüllt werden können und dass sie unabhängig von der Größe ihrer Solarprojekte eine gute Rendite erzielen.
Was genau beinhaltet der CC3-Kundenservice?
Zhang: CC3 steht für das Dreieck. Das eine ist die Kundenbeziehung, natürlich der Verkaufsaspekt. Das zweite ist die Lösungskompetenz. Wir unterstützen das gesamte Engineering- und Produktteam unserer Kunden und vermitteln ihnen das gesamte Know-how darüber, welchen Wert unsere PV-Module für sie haben können. Der dritte Aspekt ist Erfüllung. Dies bezieht sich auf die Kundenzufriedenheit in Bezug auf die Lieferung und unsere vertraglichen Verpflichtungen. Dazu gehören Qualitätssicherung, Werksinspektionen, Versand, Installationsunterstützung wie Schulungen oder Fehlerbehebung und vieles mehr. Wir haben auch neue Niederlassungen in ganz Europa eröffnet, um näher bei unseren Kunden zu sein.
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Viele Anbieter setzen zunehmend auf integrierte PV-Lösungen aus einer Hand für Systemdesign, Stromerzeugung und -umwandlung, Speicherung, Power-to-Heat, E-Mobility, Energiemanagement und Monitoring. Wie positioniert sich Longi im Wettbewerb?
Zhang: Wir sind ein vertikal integriertes Unternehmen. Unsere Produkte sind Solarmodule, aber wir stellen auch Zellen, Wafer und Ingots her. Seit neun Jahren sind wir der größte Waferlieferant der Welt. Neben den Modulen konzentrieren wir uns sehr stark auf Elektrolyseure für grünen Wasserstoff. Wir sind bereits heute der weltweit größte Anbieter von Elektrolyseuren und glauben, dass es eine wachsende Nachfrage nach Wasserstofflösungen aus Wind- und Sonnenenergie geben wird. Aber natürlich sind wir auch offen für andere Lösungen und Werte, die wir in Zukunft zur Energiewende beitragen können.
Gibt es bereits Projekte für grünen Wasserstoff in Europa?
Zhang: Wir erhalten immer mehr Anfragen zu grünem Wasserstoff von unseren Kunden, vor allem von Energieversorgern. Ich glaube, dass wir in sehr naher Zukunft Elektrolyseure in europäischen Ländern wie Spanien sehen werden.
Lassen Sie uns einen Blick auf ein aktuelles regulatorisches Thema werfen, das auch im Zusammenhang mit der Förderung der europäischen PV-Produktion, der Abhängigkeit Europas von Importen aus China im Solarbereich und dem Greenwashing diskutiert wird. Wie gehen Sie mit der neuen EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD) in Bezug auf Ihre Lieferketten und die EU-Zwangsarbeitsbestimmungen um?
Zhang: Longi ist immer an vorderster Front, wenn es darum geht, diese Art von gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, insbesondere im Versorgungssektor, wo wir ein führender Anbieter sind. Wir verfügen über ein fortschrittliches System für Nachhaltigkeit und Rückverfolgbarkeit in unserer Lieferkette, das für die Einhaltung der neuen Vorschriften entscheidend ist. Unser proaktiver Ansatz stellt sicher, dass die Vorschriften eingehalten werden, bevor sie vor Ort umgesetzt werden. Dies ist besonders wichtig, da die an diesen Projekten beteiligten Energieunternehmen und Finanzinstitute eher risikoscheu sind. Viele unserer ESG-Leistungen wurden bereits von verschiedenen unabhängigen Dritten anerkannt.
Im vergangenen Juni haben Sie angekündigt, den Bau einer Produktionsstätte in Europa zu prüfen und bis Ende des Jahres eine Entscheidung zu treffen. Was ist daraus geworden?
Zhang: Wir prüfen weiterhin sorgfältig die Möglichkeit, eine Produktionsstätte in Europa zu errichten. Die kürzliche Verabschiedung des Net Zero Industry Act der EU ist eine wichtige Entwicklung, aber die konkrete Umsetzung durch die einzelnen Mitgliedsstaaten bleibt abzuwarten. Für eine Investition dieser Größenordnung ist ein klares Verständnis des regulatorischen Umfelds, einschließlich der Bedingungen und Verfahren für die Inanspruchnahme potenzieller Anreize, von entscheidender Bedeutung. Im Moment sind wir noch dabei, uns die nötige Klarheit zu verschaffen, und werden weiter vorgehen, sobald wir sie haben.
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Könnte Deutschland für Longi als Produktionsstandort in Frage kommen?
Zhang: Es gibt viele Faktoren, die berücksichtigt werden müssen, zum Beispiel Anreize, lokale Arbeitskräfte oder Logistik. Deutschland steht definitiv auf der Liste der möglichen Standorte für diese Fabrik. Aber wir denken mittel- bis langfristig.
Wie beurteilen Sie den starken Preisverfall und die Überkapazitäten in der PV-Produktion in China? Wie ist Longi davon betroffen?
Zhang: Wir haben in der Tat eine enorme Preisvolatilität bei PV-Modulen erlebt, insbesondere im Jahr 2023, was weltweit große Auswirkungen hatte. Dies war vor allem auf den Preisverfall bei Polysilizium und vorübergehende Überkapazitäten zurückzuführen. Die rasche Expansion der Branche wurde durch umfangreiche Investitionen vorangetrieben. In den letzten 18 Monaten wurden mehr Produktionskapazitäten aufgebaut als in den vorangegangenen 18 Jahren oder sogar noch länger. Die PV-Industrie bewegt sich also derzeit in einem komplexen Wettbewerbsumfeld, sowohl national als auch international.
Wie gehen Sie damit um?
Zhang: Wir versuchen unter anderem, unsere Produktionsprozesse weiter zu optimieren und zu automatisieren, um unsere Kosten weiter zu senken.
Wie wirkt sich die Wettbewerbssituation auf Ihre Investitionen und Finanzierung aus?
Zhang: Wir haben einen sehr niedrigen Verschuldungsgrad und einen starken Cashflow, sind also finanziell gesund. Finanzielle Gesundheit und technische Innovation sind sehr wichtig. Wir investieren mehr als 5 % unseres Jahresumsatzes in Forschung und Entwicklung und beschäftigen mehrere tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Expertinnen und Experten in unseren Forschungs- und Entwicklungszentren in China.
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Ihre neuen 660-Watt-Solarmodule Hi-Mo 9 basieren auf der HPBC-Solarzellentechnologie (Hybrid Passivated Back Contact). Für wie zukunftsträchtig halten Sie die siliziumbasierte BC-Technologie und haben Sie weitere Modulvarianten in der Pipeline?
Zhang: Wir haben die BC-Technologie in den letzten sieben Jahren schrittweise entwickelt. Wir halten sie für die vielversprechendste Technologie für Solarmodule, vor allem weil sie dazu beiträgt, die Stromgestehungskosten (LCOE) auch in rauen Umgebungen weiter zu senken. Das Hi-Mo 9 ist in erster Linie für den Einsatz in großen Energieversorgungsprojekten konzipiert. Die BC-Technologie ist jedoch eine Plattformtechnologie, und wir gehen davon aus, dass weitere und neue Produkte auf den Markt kommen werden, um verschiedene Märkte abzudecken.
Wann wird die neue Hi-Mo 9 verfügbar sein?
Zhang: Ich rechne mit einer Auslieferung Ende des dritten oder vierten Quartals dieses Jahres.