Zum E-Paper
Neuartiger Kältespeicher 18.09.2023, 07:00 Uhr

Innovatives Pilotprojekt: Grundwasser als Eiswärmespeicher

Den geologischen Untergrund als Eiswärmespeicher nutzen: Ein Pilotprojekt unter der Leitung der Universität Kiel zeigt, dass es möglich ist. Die neuartigen Eisspeicher könnten einen großen Schritt für die kommunale Wärmewende bedeuten.

Eiskristalle

Wenn null Grad kaltes Wasser zu Eis gefriert, wird jede Menge Kristallisationswärme frei.

Foto: ©unsplash/Osman Rana

Das Grundprinzip eines Eiswärmespeichers beruht auf einem schlichten physikalischen Gesetz: Wenn Wasser gefriert, wird Wärme frei. Schon heute heizen und kühlen Eiswärmespeicher mancherorts auf diese Weise Gebäude. Dazu werden bisher Zisternen im Boden vergraben. Das Wasser darin ist zu manchen Zeiten flüssig, zu anderen zu Eis gefroren. Oft ergänzt durch eine Solarthermie-Anlage, sorgen diese Speichersysteme im Winter für Heizwärme, im Sommer bei Bedarf für angenehme Kühle im Haus.

https://www.ingenieur.de/fachmedien/bwk/energieversorgung/energieeffiziente-kaelteerzeugung-doppelter-effekt-fuer-den-klimaschutz/

Eine völlig neuartige Art von Eiswärmespeichern haben jetzt Forschende vom Kompetenzzentrum für Geo-Energie (KGE) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel entwickelt. Sie nutzen statt ins Erdreich eingelassene Wassertanks natürliche Grundwasserleiter als Speicher. Auf dem Testfeld „TestUM“ im brandenburgischen Wittstock haben sie eine Technologie entwickelt, die es möglich macht, über ein Netz von Erdwärmesonden Grundwasser in einigen Metern Tiefe kontrolliert zu vereisen – ohne dass die Bodenschichten nahe der Oberfläche gefrieren. Damit wird zum ersten Mal die Nutzung von Grundwasserleitern als Eiswärmespeicher erprobt. Das Verbundprojekt unter der Leitung der Kieler trägt den Namen „Entwicklung und Bau eines tiefenhorizontierten Geologischen Eis-Wärme-Speichersystems“ (GEWS).

Beim Phasenwechsel wird „versteckte Wärme“ frei

Aber was steckt hinter dem auf den ersten Blick widersprüchlichen Prozess, der einen Eiswärmespeicher möglich macht? Wenn Wasser gefriert, wird aus null Grad Celsius kaltem Wasser null Grad Celsius kaltes Eis. Während sich die Eiskristalle formieren, wird eine riesige Menge an Wärmeenergie frei, die vorher im flüssigen Wasser gespeichert war, ohne dass dieses warm wurde. Fachleute nennen diese Energie Latentwärme oder „versteckte Wärme“. Wie reichlich der Gewinn an Wärmeenergie durch den natürlichen Prozess der Vereisung ist, macht ein Vergleich deutlich: Dieselbe Menge ist nötig, wenn man Wasser von null auf 80 Grad erhitzen will. Das macht mehr als plausibel, wie sinnvoll es ist, die enorme Wärmemenge zu nutzen, der rund um den Phasenwechsel entsteht.

„In der kalten Jahreszeit können mit Hilfe oberirdischer Luft-Wasser-Wärmepumpen energetisch günstig größere Eisvolumina im Untergrund aufgebaut werden. Gleichzeitig werden bei dem Gefrierprozess große und nutzbare Wärmemengen freigesetzt“, erklärt Andreas Dahmke, Professor für Angewandte Geowissenschaften, der das zukunftsweisende Projekt gemeinsam  mit seinem Kollegen Götz Hornbruch koordiniert.  Gleichzeitig , so Dahmke, stünde bei hohem Kühlbedarf im Sommer durch den Schmelzprozess des Eises wiederum ein großes Kühlpotenzial zur Verfügung. Die Forschenden sind überzeugt davon, dass geologische Eiswärmespeicher auf diese Weise ein Baustein für eine zukünftige klimaneutrale Wärme- und Kälteversorgung sein und zur Energiewende beitragen könnten.

Vorteile des geologischen Eiswärmespeichers

Das neuartige Kieler Modell bietet im Vergleich zu herkömmlichen Eiswärmespeicher-Systemen deutliche Vorteile. Zum einen benötigt es oberirdisch weniger Raum. Aus diesem Grund eignen sich geologische Eiswärmespeicher besonders gut für städtische Räume. „Wir machen Bohrungen und stellen eine Anlage mit Wärmepumpen auf, benötigen aber kein künstliches Wasserbecken, wie das in den konventionellen Anlagen der Fall ist, sondern nutzen den geologischen Untergrund. Hier am Testfeld in 10 bis 16 Metern Tiefe“, betont Götz Hornbruch. Zudem stellen geologische Eisspeicher sehr umfangreiche Kühlkapazitäten für einen großen Gebäudebestand zur Verfügung. Auf dem Testfeld „TestUM“ in Wittstock läuft das neue Eis-Wärme-Speichersystem nun erfolgreich im Pilotbetrieb.

Umweltverträglichkeit im Blick

Bereits seit vielen Jahren erforschen die Fachleute vom Kompetenzzentrum Geo-Energie in Kiel die Möglichkeit, den natürlichen geologischen Untergrund für die Wärme- und Kältespeicherung zu nutzen. Dabei stand immer wieder die Umweltverträglichkeit auf dem Prüfstand: die Auswirkungen auf Wasser, Boden, Luft und Grundwasserfauna. Bei ihrem aktuellen Projekt hat das Team um Andreas Dahmke und Götz Hornbruch renommierte Projektpartner an ihrer Seite: das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie und das Büro für zeitgemäße Energieanwendung BZE-Ökoplan. Gefördert wird das Verbundprojekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 2,2 Millionen Euro, noch bis März 2024.

Mehr zum Thema Kältespeicher und Energiewende:

Von Maike Petersen