Klimawende: Herausfordernd, doch günstiger als erwartet
Die Kosten für fossilfreie Technologien wie Solaranlagen, Wärmepumpen oder Batterien sind in den vergangenen Jahren erheblich gesunken. Diese Tatsache eröffnet ganz neue und auch günstigere Wege im Kampf gegen die globale Erderwärmung.
Fossilfreie Technologien spielen eine zentrale Rolle für das Gelingen der Klimawende. Denn die dringendste Maßnahme im Kampf gegen die Erderwärmung besteht darin, die Emissionen von Treibhausgasen, insbesondere CO₂, zu reduzieren. Fossilfreie Technologien, die auf Solarenergie, Windenergie oder Wasserstoff basieren, bieten alternative Wege zur Erzeugung von Strom, zur Fortbewegung und zur Produktion, die weitgehend emissionsfrei oder emissionsarm sind. Daher wurden sie in den vergangenen Jahren weltweit durch politische Maßnahmen gefördert und neue Anreize für ihre Nutzung geschaffen. Es entstand ein Markt für nachhaltige Energieerzeugung. Gleichzeitig entwickelte sich die Technik immer weiter und wurde effizienter. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Preisgestaltung wider. So sind die Kosten für die Stromerzeugung aus Solarkraft in den letzten zehn Jahren um 87 Prozent gesunken, die für Batterien um 85 Prozent. Auch Windkraft, Wärmepumpen und andere fossilfreie Technologien werden zunehmend günstiger.
Der Preissturz nachhaltiger Energien hat einen wesentlichen Einfluss auf gängige modellgestützte Szenarien zur Klimawende. Zu diesem Schluss kamen Forschende vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change). Mit ihrer Studie wollen die Forschenden der Politik eine Orientierung liefern, wie sich die Entwicklung nachhaltiger Energien auf die Klimawende auswirken könnte. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift Energy Research & Social Science publiziert.
Klimawende könnte anders ablaufen als erwartet
Klimaszenarien basieren auf Annahmen über die zukünftige Entwicklung bestimmter Faktoren, die das Klima beeinflussen. Dazu zählen beispielsweise die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, die Entwicklung von Treibhausgasemissionen im Hinblick auf das Bevölkerungswachstum oder technologische Fortschritte. Diese Annahmen dienen schließlich als Grundlage für Klimamodellierungen, um die Entwicklung des Klimas besser abschätzen zu können. Die mit dem Paris-Abkommen kompatiblen Klimaszenarien basieren beispielsweise auf der Annahme, dass auch künftig viel Kohle verbrannt und dabei das entstehende CO2 abgetrennt und unterirdisch eingelagert wird. Ebenso wird das mit CO2 -Abscheiden und -Speicherung kombinierte Verbrennen von Biomasse, trotz negativer Folgen für die Artenvielfalt und Nahrungsmittelproduktion, als gesetzt betrachtet. Doch das Forschungsteam vom MCC kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass die Klimawende auch ganz anders ablaufen könnte und fossilfreie Alternativen zum Gamechanger werden könnten – mehr als bislang angenommen.
„Es gibt schon Rechnungen, wonach der gesamte weltweite Energieverbrauch im Jahr 2050 komplett und kostengünstig durch Solar und andere Erneuerbare gedeckt werden könnte“, sagt Felix Creutzig, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Landnutzung, Infrastruktur und Transport und Leitautor der Studie. „Das ist ein extrem optimistisches Szenario – aber es verdeutlicht, dass die fossilfreie Zukunft möglich ist.“
Fossilfreie Technologien erleben einen Preissturz
Die Kosten für Solarpaneele und Batterien sind in den vergangenen Jahren erheblich gesunken, hauptsächlich aufgrund von technologischen Fortschritten, Produktionsmengen und einer verstärkten Nachfrage. So kosten Batterien nur noch weniger als 100 US-Dollar je Kilowattstunde. Das ist deutlich weniger, als in einer Publikation von vor zwei Jahren für das Jahr 2030 vorausgesagt wurde. Auch der Preisaufschlag für Batteriespeicherung sinkt bis 2030 von aktuell 100 auf 28 Prozent. Mit den günstiger werdenden Technologien verändern sich auch die Strommärkte. Die ersten Stromversorger passen sich bereits dem Wandel an, fahren alte Kohlekraftwerke herunter und ersetzen sie durch neue Hybridsysteme aus Solarstrom und Speicherung. Laut der Studie rechnen Fachleute für 2050 sogar mit weltweit 63.000 Terawattstunden Sonnenenergie – das wäre doppelt so viel wie heute die Kohle liefert.
Diese Entwicklung macht Hoffnung. Doch der positiven Bilanz steht die Politik gegenüber. Die Forschenden weisen in ihrer Studie daher darauf hin, dass die politische Ökonomie der Kohle (Arbeitsplätze, Gewinne und politische Sachzwänge) den erneuerbaren Energien am Ende im Wege stehen könnte, selbst wenn sich diese besser rechnen.
Strukturwandel macht die Klimawende zusätzlich günstiger
Neben der technologischen Entwicklung profitiert die Klimawende von einem Strukturwandel. Denn der Trend geht zu granularen Technologien, also Systemen mit einfachen Elementen. Diese ermöglichen eine gezielte Steuerung und lassen sich wahlweise zu größeren Systemen zusammenstecken. Zudem werden energiesparende Lösungen – von Energiesparlampen bis zum Elektro-Scooter immer beliebter. Für eine übergreifende Energieeffizienz sorgt schließlich die Sektorenkopplung. Zusammengefasst bilden erneuerbare Energien damit nicht nur eine nachhaltige, sondern auch eine bezahlbare Lösung auf dem Weg zur Klimawende.
„Die Treibhausgas-Emissionen sind so hoch wie nie, die bisher ergriffenen Maßnahmen sind zu schwach, doch in dieser politisch verfahrenen Lage sorgt der technische Fortschritt für einen Lichtblick“, sagt Jan Minx, Leiter der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitswissenschaft. „Neue, teils schon im Entstehen befindliche Szenario-Modelle könnten in absehbarer Zukunft zeigen, dass die globale Klimawende nicht so teuer wird wie bisher angenommen und unter Umständen sogar Kosten spart – sofern sie denn endlich angegangen wird.“