Zum E-Paper
Photovoltaik 16.12.2024, 07:00 Uhr

Künstliche Intelligenz beschleunigt Entwicklung hocheffizienter Solarzellen

Ein internationales Forscherteam hat mithilfe von KI und automatisierter Synthese vielversprechende Moleküle für Perowskit-Solarzellen entdeckt. Die neuartige Strategie könnte die Suche nach optimalen Materialien in vielen Bereichen revolutionieren.

Ein PC auf dem eine KI läuft vor einer Solaranlage.

Mittels KI ist es möglich, neue Materialien für Solarzellen zu identifizieren.

Foto: PantherMedia / Deyan Georgiev

Perowskit-Solarzellen gelten als nachhaltige und anpassungsfähige Alternative zu herkömmlichen Silizium-Solarzellen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben gemeinsam mit einem internationalen Kollegium eine Methode entwickelt, um die Leistungsfähigkeit dieser Solarzellen zu steigern. Durch den gezielten Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) in Kombination mit vollautomatischer Hochdurchsatz-Synthese gelang es ihnen, innerhalb weniger Wochen neue organische Moleküle zu entdecken, die die Wirkung von Perowskit-Solarzellen erhöhen. Die Forschenden publizierten ihre Ergebnisse kürzlich in der Fachzeitschrift Science.

Quantensprung in der Materialforschung durch künstliche Intelligenz

Herkömmliche Ansätze zur Entdeckung leistungsstarker Materialien erfordern oft das Herstellen und Prüfen hunderttausender Moleküle – ein zeitraubender Prozess. Das Team um Tenure-Track-Professor Pascal Friederich vom KIT und Christoph Brabec vom Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN) schlug einen neuen Weg ein: Sie kombinierten künstliche Intelligenz mit automatisierter Synthese. Ausgehend von einer Datenbank mit einer Million virtueller Moleküle, die aus handelsüblichen Substanzen herstellbar wären, berechneten sie zunächst für 13.000 zufällig gewählte Moleküle verschiedene Eigenschaften wie Energieniveau und Geometrie. Aus diesen 13.000 Molekülen wählte das Forschungsteam 101 Moleküle aus, die sich in ihren Eigenschaften möglichst stark unterschieden. Anschließend wurden diese am HI ERN mithilfe eines Robotersystems automatisch synthetisiert und zu ansonsten baugleichen Solarzellen verarbeitet.

Mit den gewonnenen Daten trainierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein KI-Modell, das daraufhin 48 weitere Moleküle zur Synthese vorschlug. Die Auswahl basierte auf zwei Kriterien: einem erwarteten hohen Wirkungsgrad und unvorhersehbaren Eigenschaften. Tatsächlich erzielten die von der künstlichen Intelligenz empfohlenen Moleküle überdurchschnittliche Ergebnisse und übertrafen teilweise sogar modernste Materialien. „Wenn sich das Machine-Learning-Modell bei der Prognose des Wirkungsgrades unsicher ist, lohnt es sich, das Molekül herzustellen, um es näher zu untersuchen“, erklärt Pascal Friederich, Experte für KI in der Materialwissenschaft, das zweite Kriterium. „Wir können nicht sicher sein, das absolut beste Molekül gefunden zu haben, aber wir sind dem Optimum sehr nahegekommen.“

Chemische Intuition versus künstliche Intelligenz

Die Forschenden können die Vorschläge der künstlichen Intelligenz teilweise nachvollziehen, da das KI-Modell die ausschlaggebenden Merkmale der virtuellen Moleküle angibt. Interessanterweise stützte sich die KI auch auf Eigenschaften, die Chemiker bisher weniger beachtet hatten, wie das Vorhandensein bestimmter chemischer Gruppen. Mit einem der entdeckten Materialien gelang es dem Forscherteam, den Wirkungsgrad einer Referenz-Solarzelle um zwei Prozent auf 26,2 Prozent zu steigern. „Dieser Erfolg demonstriert, dass man bei der Entwicklung neuer Energiematerialien mit einer cleveren Strategie enorm Zeit und Ressourcen sparen kann“, sagt Friederich.

Die von den Forschenden entwickelte Methode, die nur 150 gezielte Experimente erforderte, eröffnet neue Möglichkeiten für die Entdeckung hochleistungsfähiger Materialien in verschiedenen Anwendungsbereichen. Christoph Brabec und Pascal Friederich sind überzeugt, dass ihr Ansatz auch bei der Suche nach optimierten Batteriematerialien oder ganzen Bauelementen vielversprechend ist. Die Studie entstand in Kooperation mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Erlangen-Nürnberg, des südkoreanischen Ulsan National Institute of Science, der chinesischen Xiamen University und der University of Electronic Science and Technology in Chengdu.

KIT – Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) vereint als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ die Aufgaben einer Universität mit denen eines Forschungszentrums. Rund 10.000 Mitarbeiter arbeiten auf einer breiten disziplinären Basis zusammen, um zu den globalen Herausforderungen in den Bereichen Energie, Mobilität und Information wichtige Beiträge zu leisten. Die 22.800 Studierenden profitieren von einem forschungsorientierten Studium, das sie auf Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vorbereitet. Durch Innovationen schlägt das KIT eine Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.

Von Julia Klinkusch