Sieben Tipps: So gelingt die Energiewende in Deutschland
Deutschland ist im Wahlkampf, und die Energiewende gehört zu den zentralen Themen. Aus Sicht von Fraunhofer-Experten gibt es noch viel zu tun. Diese Schwachstellen haben sie identifiziert.
Was muss sich ändern, damit Deutschland die europäischen Klimaschutzziele und die Vorgaben des deutschen Klimaschutzgesetzes erreicht? Mit der Fragestellung haben sich Experten am Fraunhofer Cluster of Excellence Integrated Energy Systems (CINES) befasst. Ihre Energiesystemanalyse und ihre weitere Energieforschung zeigt, worauf es in der nächsten Legislaturperiode ankommen wird. Die sieben wichtigsten Empfehlungen im Überblick.
Energiewende: Klare Vorgaben oder Technologieoffenheit?
Wie die Autoren schreiben, seien technologieoffene Maßnahmen sinnvoll, wenn es mehrere Möglichkeiten gebe, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, aber der Weg dorthin noch nicht klar sei. Lösungen im Wettbewerb helfen auch, dezentrales Wissen zu nutzen und regional die besten Optionen umzusetzen. Doch die Zeit drängt. Vor allem sind schnelle Entscheidungen erforderlich, welche Infrastrukturen zu planen und dann auch umzusetzen sind. „Die Politik muss daher den Mut haben, langfristig offen für neue Technologien zu sein, kurzfristig aber die etablierten, schnell verfügbaren Technologien zielgerichtet und mit Nachdruck zu fördern“, so die Fraunhofer-Experten.
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Energiepreise zwischen Wettbewerb und sozialer Verträglichkeit
Dem CINES-Team fiel zudem auf, dass steigende Preise für Kohlendioxid nicht in allen Sektoren die gewünschten Anreize entwickeln, um tatsächlich die Menge an fossilen Energieträgern zu verringern. Als Maßnahme raten sie, Strompreise zu senken. Denn dadurch würde ein weiterer Ausbau der Sektorenkopplung nur behindert. Besser wäre, Energiepreisbestandteile wie der Umlage laut Erneuerbare-Energien-Gesetz und eventuell auch die Stromsteuer zu senken. Das würde speziell einkommensschwache Haushalte entlasten.
Wind- und Solarenergie schneller ausbauen
Klar ist auch, dass – trotz vieler Maßnahmen, um Energie einzusparen – der Bedarf kurzfristig steigen wird. Deshalb sei ein rascher Ausbau erforderlich, schreiben die Experten. Der Strombedarf wird überwiegend durch Windkraft an Land und auf See gedeckt. Hinzu kommt die Photovoltaik. „Derzeit ist jedoch insbesondere der Ausbau an Onshore-Wind in den letzten Jahren stark zurückgegangen, unter anderem bedingt durch fehlende rechtssichere Flächenausweisung“, kritisieren die Fraunhofer-Ingenieure. Hier sehen sie großen Nachholbedarf und fordern, diesen Bereich auszubauen – etwa durch mehr Ausschreibungen, durch die Ausweisung weiterer Flächen oder durch die Optimierung von Genehmigungsverfahren.
Sanierung von Bestandsbauten
Um bis 2045 das hehre Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen, sind aber weitere Maßnahmen notwendig. Laut CINES gehört dazu, die Wärmeversorgung von Gebäude grundlegend zu überdenken und Sanierungsmaßnahmen in allen Gebäudekategorien schneller durchzuführen. Dazu gehört etwa, bis 2040 ganz auf Ölkessel und bis 2045 auf Erdgaskessel zu verzichten. Das bedeutet aber auch: Bis 2045 muss die Sanierung deutlich beschleunigt werden. Dazu wären etwa sechs Millionen Wärmepumpen zu installieren, und der Ausbau der Nah- und Fernwärme wäre zu verdreifachen. Und in den Bereichen Solar- und Geothermie, Abwärme sowie Biomasse müsste den Autoren zufolge auch noch viel geschehen.
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Auf dem Weg zur klimaneutralen Fabrik
Auch die Industrie ist gefordert. Ingenieure haben für viele Branchen Konzepte entwickelt, um Energie einzusparen und um Emissionen zu verringern. Das geht oft, aber nicht immer. Bei der Grundstoffindustrie, etwa bei Zementfabriken, fehlen derzeit Perspektiven in Richtung Kohlendioxid-Neutralität. Hier bleibt als derzeit als einzige Möglichkeit, das Treibhausgas abzuscheiden. „Die Technologie ist zwar gesellschaftlich noch wenig akzeptiert, stellt momentan jedoch die einzige technisch ausgereifte Option mit großem Minderungspotenzial dar“, kommentieren die Experten.
Weniger Kohlendioxid im Straßenverkehr
Gerade im Bereich der persönlichen und der beruflichen Mobilität sind die Expertentipps recht weitreichend – und werden nicht nur auf Zustimmung stoßen. In ihrem Bericht empfehlen die Fraunhofer-Ingenieure nicht nur, Flotten auf emissionsfreie Fahrzeuge umzustellen, sondern auch, europaweit ambitionierter Flottengrenzwerte für Pkw und Lkw einzuführen und die Geschwindigkeit auf Autobahnen auf 130 Kilometer pro Stunde einzuführen.
Mehr Planungssicherheit
Die unterschiedlichen Bereiche haben einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Sie benötigen geeignete Infrastrukturen. Um die zu entwickeln, benötigen Firmen und Privatpersonen Verlässlichkeit durch klare Strategien über alle Bereiche hinweg.
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