Überraschende Daten: Wie innovative Forstwirtschaft das Klima verbessern könnte
Hitzewellen der letzten Jahre haben gezeigt, wie empfindlich manche Wälder sind. Ihre Widerstandsfähigkeit lässt sich mit ein paar Tricks deutlich optimieren.
Muss sich die Forstwirtschaft ändern, damit Wälder unser Klima besser schützen? Diese Frage beschäftigt Forschende schon lange. Was sie bisher wissen: In Mitteleuropa haben Wetterextreme der letzten Jahre ein massives Waldsterben ausgelöst. Hitze- und Trockenstress, Waldbrände, Stürme und späte Fröste schwächen Bäume. Sie werden empfindlicher gegenüber Angriffen durch Insekten und Pilze. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären dies mit physiologischen Schäden aufgrund extremer Temperaturen. Es wird weniger Kohlendioxid gebunden, und die Produktion von Biomasse verringert sich. Ihr Effekt gegen den Klimawandel fällt somit geringer aus.
Die extreme Trockenheit im Jahr 2018 hat Waldbestände bundesweit stark in Mitleidenschaft gezogen. Zählungen ergaben, dass 2019 etwa doppelt so viele Bäume abgestorben sind wie im Vorjahr. Nur könnten Klimabedingungen, die derzeit als extrem gelten, vielleicht schon bald zur Normalität werden. Forschende haben deshalb untersucht, wie sich die Forstwirtschaft ändern sollte, damit Baumkronen negativen Auswirkungen von Hitzewellen in Waldbeständen etwas abmildern.
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Wie Wälder Temperaturextreme abmildern
Zum Hintergrund: Die aus bewirtschafteten Wäldern resultierende Kronendachstruktur hat direkten Einfluss auf die Temperatur und den Gehalt an Wasserdampf im Inneren des Waldes. Gerade während trockener Perioden kommt Feuchtigkeit oft nur aus Pflanzen. Das Walddach kühlt an warmen Tagen den Boden und die Luft ab. Auf diese Weise werden Temperaturen im Waldinneren abgepuffert; die jahreszeitlichen Schwankungen fallen geringer aus im Vergleich zu weniger bewaldeten Regionen. Zu den strukturellen Merkmalen, die das Mikroklima eines Bestandes bestimmen, gehören die vorherrschende Baumart, die Vitalität der Bäume, ihr Volumen an Biomasse, die Höhenlage des Waldes und die Struktur des Kronendachs.
Trotz dieser bekannten Fakten wusste man bisher nicht, wie die Forstwirtschaft zu einer Verringerung von Temperaturextremen beitragen kann – und was sich ändern muss. Jetzt haben Forschende an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) in Wäldern Norddeutschlands verschiedene Messungen durchgeführt. Ihr Ziel war, herauszufinden, wie sich Veränderungen am natürlichen Habitus von Bäumen auf das Waldklima auswirken. „Wir stellten die Hypothese auf, dass sich forstwirtschaftliche Aktivitäten wie die Holzernte negativ auf die Regulierung des Mikroklimas auswirken, indem sie höhere Temperaturen innerhalb des Bestandes verursachen“, schreiben die HNEE-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.
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Neue Daten zur Forstwirtschaft
Sie fanden heraus, dass in biomassearmen Kiefernforsten mit 177 Kubikmetern pro Hektar die durchschnittliche Höchsttemperatur neun Grad höher war als in holzreichen Buchenwäldern mit mehr als 565 Kubikmetern pro Hektar. Speziell bei Kieferplantagen lag der Unterschied der Temperaturspitzen zwischen jenen mit relativ dichtem Kronendach (72%) und solchen mit einem besonders offenen (46%) bei mehr als 13 Grad Celsius.
Das bedeutet: Intensive Forstwirtschaft mit viel Holzeinschlag führt zwangsläufig zu einer stärkeren Öffnung des Kronendachs. Diese Maßnahme ziehen extremere Höchsttemperaturen im Vergleich zu Wäldern mit stärker geschlossenem Kronendach nach sich. Lichtere Wälder reagieren in der Folge empfindlicher auf den Klimawandel. Sie können Temperaturschwankungen schlechter ausgleichen.
Dazu ein paar Zahlen aus der Studie, Basis waren Messreihen in Buchenwäldern und Kiefernforsten Norddeutschland während der Hitzesommer 2018 und 2019: So führte jede Öffnung des Kronendachs um 10% zu einem Anstieg der Temperatur um ein halbes Grad. Waren Kronendächer von Kiefernforsten weniger als 82% geschlossen, kühlten sie die Luftschichten schlechter als Buchenforste. „Ein stärkerer Holzeinschlag und eine entsprechend größere Öffnung des Kronendachs treiben die Höchsttemperaturen im Wald in die Höhe“, fasst Jeanette Blumröder vom HNEE zusammen. „Damit wächst auch die Vulnerabilität, also die Empfindlichkeit und Verletzlichkeit, der Wälder im Klimawandel.“
Empfehlungen für die Forstwirtschaft von morgen
Die Forschenden geben anhand ihrer Daten auch Ratschläge, was sich ändern sollte. Sie warnen, dass eine allzu starke Durchforstung von Wäldern zu erhöhen Wasserverluste führe und gleichzeitig die Gefahr von Hitzeschäden erhöhe. Ihre Tipps:
- Wälder sollten nach Möglichkeit wenig bis kaum durchforstet werden.
- Das Kronendach sollte weitgehend geschlossen bleiben, idealerweise zu 80%.
- Aus Nadelbaum-Monokulturen sollten Laubmischwälder werden.
„Die Schlussfolgerung ist, dass Waldbewirtschafter*innen es im Klimawandel ein Stück weit in der Hand haben, wie stark sich die ihnen anvertrauten Wälder aufheizen und dadurch potenziell geschädigt werden“, so Pierre Ibisch vom HNEE. „Höhere Biomassevorräte und ein geschlossenes Kronendach sind eine Versicherung gegen extreme Witterungen.“
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