Windparks effizienter machen – ohne neue Anlagen zu bauen
US-Ingenieure zeigen, wie es per Software gelingt, bestehende Windparks zu optimieren – und nicht nur einzelne Turbinen. Sie hoffen, die Ausbeute vorhandener Anlagen so zu erhöhen.
Praktisch alle Windturbinen weltweit werden so gesteuert, als wären sie einzelne, freistehende Anlagen. Tatsächlich sind sie in den allermeisten Fällen Teile größerer Windparks mit Dutzenden oder gar Hunderten von Turbinen, deren Wirbel sich gegenseitig beeinflussen. Jetzt haben Ingenieure am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Cambridge herausgefunden, dass die Energieausbeute solcher Windparks ohne neue Investitionen gesteigert werden kann, indem die Windströmung der gesamten Turbinengruppe modelliert und die Steuerung der einzelnen Anlagen entsprechend optimiert wird.
Die Steigerung des Energieertrags einer bestimmten Anlage mag auf den ersten Blick zwar bescheiden erscheinen. Sie beträgt insgesamt etwa 1,2%, bei optimalen Windgeschwindigkeiten sogar 3% . Aber der Algorithmus kann in jedem Windpark eingesetzt werden, und die Zahl der Windparks nimmt weltweit zu, um die beschleunigten Klimaziele zu erreichen. Wenn diese 1,2% Energiezuwachs auf alle bestehenden Windparks der Welt angewandt würde, entspräche dies dem Hinzufügen von mehr als 3.600 neuen Windturbinen oder genug, um etwa drei Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen, und einem Gesamtgewinn für die Stromerzeuger von rund einer Milliarde Euro pro Jahr, sagen die Forscher.
Weniger Effizienz durch die räumliche Nähe von Turbinen in Windparks
„Im Grunde genommen werden alle bestehenden Turbinen im industriellen Maßstab ‚gierig‘ und unabhängig gesteuert“, sagt Michael F. Howland vom MIT. Der Begriff „gierig“, erklärt er, beziehe sich auf die Tatsache, dass Turbinen so gesteuert würden, dass sie nur ihre eigene Stromerzeugung maximierten: so, als wären sie isolierte Einheiten ohne nachteilige Auswirkungen auf benachbarte Turbinen.
In der realen Welt werden Turbinen in Windparks jedoch absichtlich nahe beieinander aufgestellt, um wirtschaftliche Vorteile im Zusammenhang mit der Landnutzung und der Infrastruktur wie Zufahrtsstraßen und Übertragungsleitungen zu erzielen. Diese räumliche Nähe bedeutet, dass die Turbinen oft stark von den turbulenten Wirbelschleppen beeinflusst werden, die von anderen Turbinen in ihrem Windschatten erzeugt werden: ein Faktor, den die einzelnen Turbinensteuerungssysteme derzeit nicht berücksichtigen.
„Aus strömungsphysikalischer Sicht ist es oft das Schlechteste, Windturbinen in Windparks dicht nebeneinander aufzustellen“, weiß Howland. „Um die Gesamtenergieproduktion zu maximieren, wäre es ideal, die Anlagen so weit wie möglich voneinander entfernt aufzustellen“. Aber das würde die damit verbundenen Kosten erhöhen und ist damit kein praktikabler Ansatz.
MIT-Forschende simulieren Turbinen in Windparks
Genau hier setzt die Arbeit von Howland und seinen Mitarbeitenden an. Sie haben ein neues Strömungsmodell entwickelt, das die Stromerzeugung jeder einzelnen Turbine im Park in Abhängigkeit von den Windverhältnissen in der Atmosphäre und der Steuerungsstrategie jeder Turbine prognostiziert. Das Modell basiert zwar auf der Strömungsphysik, lernt aber aus den Betriebsdaten des Windparks, um Vorhersagefehler und Unsicherheiten zu verringern. Ohne etwas an den Turbinenstandorten und den Hardwaresystemen bestehender Windparks zu ändern, haben Forschende die physikalische, datengestützte Modellierung der Strömung innerhalb des Windparks und die daraus resultierende Stromerzeugung jeder Turbine bei unterschiedlichen Windbedingungen genutzt, um die optimale Ausrichtung für jede Turbine zu einem bestimmten Zeitpunkt zu finden. Auf diese Weise lässt sich die Leistung des gesamten Parks und nicht nur die der einzelnen Turbinen maximieren.
Die notwendigen Daten kamen dabei aus realen Systemen: Heute misst jede Turbine ständig die Windrichtung und -geschwindigkeit und verwendet ihre interne Steuerungssoftware, um ihre Gierwinkelposition so anzupassen, dass sie sich so genau wie möglich nach dem Wind ausrichtet. Bei dem neuen System hat das Team jedoch herausgefunden, dass, wenn eine Turbine nur geringfügig von ihrer eigenen maximalen Leistungsposition abweicht – vielleicht 20 Grad von ihrem individuellen Spitzenleistungswinkel – die daraus resultierende Leistungssteigerung einer oder mehrerer windabwärts gelegener Einheiten die geringfügige Leistungsreduzierung der ersten Einheit mehr als ausgleicht. Durch den Einsatz eines zentralen Steuerungssystems, das alle diese Wechselwirkungen berücksichtigt, konnte die Turbinengruppe unter bestimmten Bedingungen mit einer um bis zu 32% höheren Leistung betrieben werden.
Evaluation der Modellierung in einem Windpark
In einem mehrmonatigen Experiment in einem realen Windpark in Indien wurde das Modell zunächst anhand zahlreicher Möglichkeiten der Gierausrichtung evaluiert. Viele Einstellungen wurden absichtlich suboptimal gewählt, um deren Effekte zu beurteilen. Das Modell war in der Lage, die Stromerzeugung des Parks und die optimale Steuerungsstrategie für die meisten getesteten Windbedingungen vorherzusagen. Ein zweiter mehrmonatiger Versuch im selben Park, bei dem die optimalen Steuerungsvorhersagen des Modells umgesetzt wurden, zeigte, dass die Auswirkungen des Algorithmus in der realen Welt mit Ergebnissen der Simulation übereinstimmen. Tatsächlich erzielten die Anlagen über den gesamten Testzeitraum hinweg bei allen Windgeschwindigkeiten eine Steigerung der Energieerzeugung um 1,2% und bei Geschwindigkeiten zwischen sechs und acht Metern pro Sekunde eine Steigerung um 3%.
Obwohl der Test bislang nur in einem einzigen Windpark durchgeführt wurde, können das Modell und die Kontrollstrategie nach Angaben der Forscher in jedem Windpark eingesetzt werden. Howland schätzt, dass eine Verbesserung der Gesamtenergie um 1,2% weltweit möglich ist. Das ergäbe 31 Terawattstunden zusätzlichen Strom pro Jahr. Weitere Untersuchungen sind geplant.
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