Irrtum aufgedeckt: Ozean ist keine Quelle für Mikroplastik in der Luft
Irrtum aufgedeckt: Ozean ist keine Quelle für Mikroplastik in der Luft Lange ging die Wissenschaft davon aus, dass die Ozeane eine bedeutende Quelle für Mikroplastik in der Atmosphäre sind. Eine aktuelle Studie beweist nun das Gegenteil: Die Weltmeere fungieren als Senke für die Plastikpartikel. Diese Erkenntnisse könnten dabei helfen, die globale Verschmutzung einzudämmen.

Forschende konnten erstmals nachweisen, dass Ozeane Senken (orange) für Mikroplastik sind und keine Quellen (blau).
Foto: CC BY 4.0 Yang et al. npj Clim Atmos Sci 8, 81 (2025). DOI: 10.1038/s41612-025-00914-3
Mikroplastik stellt ein erhebliches Problem für Umwelt und Gesundheit dar. Die winzigen Kunststoffpartikel, die kleiner als fünf Millimeter sind, entstehen entweder durch den Zerfall größerer Plastikobjekte, dann spricht man von sekundärem Mikroplastik, oder werden gezielt hergestellt, dann spricht man von primärem Mikroplastik. Ihre Auswirkungen sind vielfältig und betreffen sowohl Ökosysteme als auch den Menschen. Bislang ging man davon aus, dass winzige Plastikpartikel in großen Mengen aus den Ozeanen in die Atmosphäre gelangen und so maßgeblich zur Belastung der Luft mit Mikroplastik beitragen. Doch Forschende des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-M) haben nun mithilfe eines neuen Modells nachgewiesen, dass diese Annahme falsch ist. Vielmehr fungieren die Weltmeere als bedeutende Senke für atmosphärisches Mikroplastik. Die Studie zeigt, dass sich rund 15 Prozent des in der Luft enthaltenen Plastikstaubs im Ozean absetzen. Die Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Strategien zur Eindämmung der globalen Mikroplastik-Verschmutzung zu verbessern.
Lässt sich bald Mikroplastik mit schwimmenden Drohnen einfangen?
Noch bis vor kurzem stützte sich die Forschung auf die sogenannte inverse Modellierung, wenn sie die Herkunft von Mikroplastik in der Luft bestimmen wollte. Basis für diese Methode: Anhand der gemessenen Konzentrationsverteilung einer Substanz in der Atmosphäre sind Rückschlüsse auf deren Quellen möglich. Im Fall von Mikroplastik nahmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler also an, dass der Ozean als Quelle atmosphärischen Mikroplastiks für mehrere hundert Millionen oder gar Milliarden Kilogramm pro Jahr verantwortlich ist. Doch nachdem Forschende sich diese Methode genauer anschauten, entstanden erste Zweifel an diesen enormen Mengen auf. Durch Experimente im Labor kamen sie nur auf wenige tausend oder hunderttausend Kilogramm Mikroplastik jährlich als logische Größe.
Mikroplastik in der Luft: Modell untermauert geringe ozeanische Quelle
Ein internationales Forscherteam ging dem Problem noch einmal auf den Grund. Dafür setzte es ein globales atmosphärisches Chemie-Transport-Modell ein. Damit wollte das Team prüfen, ob der Ozean tatsächlich eine geringe Quelle darstellt und die atmosphärische Verteilung von Mikroplastik mit den neuen Beobachtungen in Einklang zu bringen ist. Das Ergebnis war eindeutig: Die Modellberechnungen deckten sich mit den realen Messungen. Das bedeutet, der Ozean stellt keine bedeutende Quelle für Mikroplastik in der Luft dar, sondern erweist sich im Gegenteil als wichtige Senke.
Darüber hinaus lieferte die Studie Hinweise dazu, wie die Größe von Mikroplastikpartikeln den Transport in der Atmosphäre beeinflusst. Während die größeren Partikel sich doch schnell wieder absetzen und dies sogar meist noch an Land oder in der Nähe der Küste, können kleinere Plastikteilchen bis zu einem Jahr in der Luft verweilen und global „wandern“. So gelangt auf den Kontinenten entstandenes Mikroplastik laut dem Modell sogar bis in die Arktis. Dort kann es sich dann auf Schnee und Eis ablagern. Das wiederum macht deutlich, dass Verschmutzungen durch Mikroplastik kein lokales, sondern ein globales Problem darstellen.
Gesundheitsgefahren durch Mikroplastik in der Luft
Nutzt man die Ergebnisse der Untersuchung, wären sie sicherlich hilfreich, um zielgerichtet gegen die Verschmutzung von Mikroplastik vorzugehen. Bisher gingen viele Bemühungen zur Reduktion von Plastikstaub in der Atmosphäre fälschlicherweise davon aus, dass die Ozeane eine Hauptquelle darstellen. Doch da der Ozean in Wahrheit als Senke für Mikroplastik in der Luft fungiert, ist es an der Zeit, neue Strategien zu entwickeln, und sich auf die tatsächlichen Verursacher an Land zu konzentrieren.
Die Verschmutzung der Umwelt durch Mikroplastik ist ein Problem mit potenziell schwerwiegenden Folgen. Zwar lassen sich die winzigen Kunststoffpartikel mittlerweile überall nachweisen – von den Böden und Gewässern bis hinauf in die Atmosphäre. Doch gerade Mikroplastik in der Luft könnte eine besondere Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, da die kleinsten Teilchen in die Atemwege und sogar in den Blutkreislauf gelangen können. Studien haben gezeigt, dass diese Partikel Entzündungen auslösen können, das Immunsystem unterdrücken und neurotoxische Wirkungen haben. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Unfruchtbarkeit und Krebs werden mit Mikroplastik in Verbindung gebracht. Deshalb ist es wichtig, die genauen Wege und Mechanismen zu verstehen, über die der Plastikstaub in die Atmosphäre gelangt.