Lasche Stickoxid-Grenzwerte für Gaskraftwerke
In der EU dürfen Gaskraftwerke mit mehr als 50 MW thermischer Leistung von 2021 an maximal 85 mg Stickstoffoxide (NOx) pro m³ emittieren. Technische Kniffe erlauben jedoch, auch weniger als 30 mg NOx pro Kubikmeter zu emittieren – so wie es im Raum Peking verlangt und praktiziert wird.
Die Marktprognosen zur Energieverteilung der Zukunft und die Umweltschutzbestrebungen der EU lassen sich auf eine einfache Formel bringen: erhöhter Bedarf versus verminderte Emissionen. Dieser vermeintliche Gegensatz offenbart schnell Fragen nach der technologischen Machbarkeit – zumal fossile Ressourcen auch in den kommenden Jahrzehnten trotz aller Fortschritte bei erneuerbaren Energien eine wichtige Rolle im weltweiten Energiemix spielen werden.
Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert in ihrem World Energy Outlook 2018, dass der globale Energiebedarf bis 2040 um mehr als ein Viertel steigt. Insbesondere die industrielle Erdgasnutzung soll bis dahin um circa 45 Prozent wachsen. Allein die Nachfrage Chinas wird sich bis 2040 verdreifachen.
In diese Lage fügt sich der in Deutschland beschlossene Kohleausstieg bis 2038 mit seiner schrittweisen Reduzierung kohlebefeuerter Wärmekraftwerken. Erneuerbare Energien werden dies teils kompensieren können, im Fall von wetterabhängigen Versorgungslücken kann sich aber in der Bundesrepublik ein Bedarf für gasbefeuerte Wärmekraftwerke von 100 GW ergeben. Bei einem Status quo von 30 GW gilt es, diese Diskrepanz durch fortschrittliche Technologie zu minimieren.
Emissionen mindern
Hier setzt die EU mit der Industrieemissionsrichtlinie an. Seit 2013 haben Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) und die damit verbundenen Emissionsbandbreiten einen verbindlichen Stellenwert erhalten. Genehmigungsbehörden müssen innerhalb von vier Jahren nach Veröffentlichung dieser Schlussfolgerungen sicherstellen, dass auch bestehende Anlagen die verbundenen Emissionswerte einhalten.
Dies gilt auch für die Schlussfolgerungen des Beste-Verfügbare-Technik-Referenzdokuments (BREF) zu Großfeuerungsanlagen von 2017. Bis 2021 müssen auch bestehende Anlagen in der Schlussfolgerung genannten Werte einhalten. Diese verlangen unter anderem eine deutliche Absenkung der NOx-Emissionen für Großfeuerungsanlagen mit thermischer Leistung größer oder gleich 50 MW. Auch kleinere Anlagen können davon betroffen sein: Denn die Richtlinie kennt eine „Aggregationsregel“. Danach wird die Leistung mehrerer Feuerungsanlagen größer oder gleich 15 MW addiert, sofern deren Abgase über einen gemeinsamen Schornstein abgeleitet werden könnten.
Die Bundesregierung muss die Vorgaben der Schlussfolgerung noch in deutsches Recht umsetzen. Das Umweltbundesamt (UBA) bereitet dies vor. Die Vorgaben inklusive Grenzwerte werden in der Großfeuerungsanlagenverordnung, der 13. Bundesimissionsschutzverordnung (BImSchV), eingebaut.
Noch ist unklar, wie hoch etwa die Grenzwerte für NOx-Emissionen sein werden. Die BVT-Schlussfolgerungen geben aber eine hilfreiche Orientierung (s. Tabelle). Danach sind von einer Absenkung der zulässigen NOx-Emissionen primär gasbefeuerte Bestands- und Neuanlagen betroffen. Dies ist angesichts des prognostizierten Anstiegs beim weltweiten Gasbedarf ein nicht zu unterschätzender Umstand. Gerade Betreiber, die auch aus umweltbewussten Motiven von Schwer- und Heizölkesseln auf Erdgas umgestellt haben, werden dabei vor erhebliche Herausforderungen gestellt: Durch die teilweise sehr hohe Feuerraumwärmebelastung von Bestandsanlagen gestaltet sich die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte bereits heute schwierig.
China ist strenger
Generell gibt es zwei Ansätze, NOX-Emissionen zu senken: primäre Maßnahmen, die auf einer verbesserten Feuerungsführung basieren (Low-NOX-Technologien), sowie sekundäre Maßnahmen der Feuerung nachgeschaltet. Letztere gehen mit hohen Investitionskosten und zusätzlichen Betriebskosten einher, sodass viele Anlagenbetreiber preiswertere Low-NOX-Feuerungssysteme bevorzugen.
Obwohl Bestandsanlagen mit Low-NOX-Technologie hinreichend sicher die aktuellen Grenzwerte einhalten können, unterstreichen die neuen BVT-Werte, dass die Anforderungen steigen werden. Dies zeigt auch ein Blick über den Tellerrand: Zwar mögen die BVT-Vorgaben ehrgeizig erscheinen, doch schon jetzt gelten vereinzelt strengere Vorgaben: So verlangt China im Raum Peking bereits NOx-Emissionen unterhalb von 30 mg/m³ für gasbefeuerte Neu- und Bestandsanlagen. Die auf dem Markt gängigen Low-NOx-Technologien stoßen in diesen Bereichen an ihre Grenzen.
Alte technische Kniffe…
Typische primäre Maßnahmen sind, die Abgasrezirkulation zu erhöhen oder mit Luftüberschuss zu arbeiten. Dies führt aber zu steigenden Betriebskosten durch die notwendigen Gebläse, zu Effizienzverlusten durch Abgasverluste und teilweise zu einem instabilen Betrieb der Feuerungsanlage. Nur mit fortschrittlichster Technik und einer abgestimmten Kombination verschiedener Maßnahmen können niedrige NOx-Emissionen wie in den Ballungsräumen Chinas verlässlich eingehalten werden.
Seit mehr als 80 Jahren entwickelt die Saacke GmbH kontinuierlich Feuerungstechnologien, um die steigenden Anforderungen infolge sinkender Emissionsgrenzen auch stets befolgen zu können. Viele Saacke-Feuerungssysteme sind weltweit im Einsatz. Ein Beispiel: Am Beijing New International Airport sind Saacke Brenner der Serie Atonox G an fünf Kesseln mit jeweils 62,5 MW Leistung installiert. Hier hat sich die Ultra-Low-NOX-Technologie bereits bewährt wie auch bei anderen Projekten in China. Mit einem Gesamtvolumen von mehr als 1.200 MW installierter Feuerungskapazität wird der NOx-Grenzwert von kleiner als 30 mg/m³ unterschritten. In Deutschland setzen Unternehmen aus der Lebensmittel- und Chemieindustrie auf diese Brenner, um auch zukünftig BVT-konform produzieren zu können.
… und neue Kniffe
Die Ultra-Low-NOx-Brennerserie Atonox G enthält Brenner, mit denen durch gestufte Verbrennung die in der 13. BImSchV geforderten NOx-Emissionen von maximal 100 mg/m³ sicher unterschritten werden kann. Die jetzt verbesserte Performance dieser Serie wird durch intensivierte der Freistrahl-Rücksaugung der Abgase aus dem Feuerraum zurück an die Flammenwurzel erzielt. Ähnlich zu einer externen Abgasrezirkulation sinkt so der Sauerstoffpartialdruck in der Flamme als auch die Verbrennungstemperatur, so dass die NOx-Bildung zusätzlich gehemmt wird. Weil die Abgase intern aus dem Feuerraum angesaugt werden, ist jedoch keine oder fast keine externe Abgasrezirkulation notwendig, um die NOx-Emissionen weit unterhalb der noch gültigen NOx-Grenzwerte der 13. BImSchV zu drücken. Bei sehr anspruchsvollen Randbedingungen, wie sie in China angetroffen werden, lassen sich mit einer zusätzlichen externen Abgasrezirkulation auch die strengsten NOx-Grenzwerte unterschreiten. Sogar Wärmeerzeuger mit einer bis zu 60 Prozent höheren Feuerraumwärmebelastung (verglichen mit marktüblichen Wärmeerzeugern) können so basierend auf ausgeklügelter Rauchgasrückführung unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte von 30 mg/m³ betrieben werden.
EU: zu lasche Grenzwerte
Die Praxis zeigt, der europäische Gesetzgeber ist mit seinen BVT-Vorgaben zwar auf dem richtigen Weg, hat aber die vorhandenen technologischen Möglichkeiten nicht ausgereizt. Im Sinne eines Wettbewerbs um die wortwörtlich besten verfügbaren Techniken zum Wohle der Umwelt, sollte die Politik mehr Vertrauen in die Innovationskraft der Ingenieure entwickeln.
So oder so gilt für Anlagenbetreiber: Obwohl die aktuellen Emissionsvorschriften in Europa für Bestandsanlagen noch weit entfernt von Grenzwerten chinesischer Ausprägung liegen, zeigt das aktuelle BVT-Merkblatt insbesondere für gasbefeuerte Neuanlagen deutlich die Richtung der zukünftigen Zielvorgaben der EU auf.
Christopher Rosebrock, Entwicklungs- und Prozessingenieur, Saacke GmbH, Bremen bvt@saacke.com