Nachhaltige Mobilität: Deutschlandticket birgt Potenzial
Wie wirken sich Gewohnheiten, bestehende Infrastrukturen und politische Maßnahmen auf eine nachhaltige Mobilität aus? Dieser Frage gehen Forschende im Projekt MobilKULT nach. Laut den ersten Ergebnissen fördert vor allem das Deutschlandticket die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und auch den Verzicht auf das Auto.
Die Einführung des Deutschlandtickets vor einem Jahr hatte insbesondere ein Ziel: Mehr Menschen für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu begeistern und auf diese Weise möglichst viele Autofahrten durch Bus- und Bahnfahrten zu ersetzen. Doch hat das funktioniert? Das haben Forschende des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) im Projekt MobilKULT untersucht. Dafür befragten sie alle sechs Monate etwa 2.500 repräsentativ ausgewählte Menschen aus Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. Um unterschiedliche Infrastrukturen und Mobilitätsmöglichkeiten abzudecken, sind sowohl Personen, die in der Stadt leben, als auch Menschen, die auf dem Land oder in Stadtrandgebieten wohnen, unter den Teilnehmenden. Abgefragt wurden Mobilitätsgewohnheiten, die Meinung zu Infrastrukturen, Verkehrsmitteln und politischen Maßnahmen. Das Projekt MobilKULT startete im Winter 2022/2023. Bis Anfang 2024 wurden drei Befragungen durchgeführt.
Obwohl das Auto immer noch in allen Regionen (ob Stadt oder Land) dominiert, zeigt die Untersuchung: Je mehr Möglichkeiten für die Nutzung des ÖPNV bestehen, umso mehr Menschen nutzen diese Alternative auch.
Nachhaltige Mobilität erfordert Veränderungen von Gewohnheiten
Laut den Befragungsergebnissen zeigen sich viele Teilnehmende offen für die angestrebte Verkehrswende. Sie sind bereit, zumindest hin und wieder, das Auto gegen öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad einzutauschen. „Zwar hat die Wechselbereitschaft über die drei Befragungswellen hinweg etwas abgenommen, aber der Wechselwille ist in allen Regionen da – nicht nur in den Städten, sondern auch und gerade in Vorstädten und auf dem Land“, sagt Marvin Helferich aus dem Projektteam.
Doch erfordert die Umstellung offenbar etwas Zeit. So zeichnen sich, laut der Studie, nur kleine, dafür aber wichtige Veränderungen der Mobilitätsgewohnheiten ab: Die Zahl der Fahrten mit Elektroautos ist im vergangenen Jahr beispielsweise etwas gestiegen. Zudem wurden seltener Autos mit Verbrennungsmotor für Strecken außerhalb der Stadt genutzt.
Deutschlandticket gilt als beliebteste Maßnahme
Um mehr Menschen für den öffentlichen Personennahverkehr zu begeistern, hat die Politik verschiedene verkehrsbedingte Maßnahmen ergriffen. Davon bewerteten die Befragten der Studie das kostenlose Parken für Elektroautos während des Ladevorgangs, Vorrangschaltungen an Ampeln für den Fuß- und Radverkehr und die Kaufprämie für Elektroautos als besonders positiv.
Die mit Abstand beliebteste Maßnahme ist jedoch das vor einem Jahr eingeführte Deutschlandticket. 21 Prozent der Befragten besitzt ein solches Ticket, wobei sich die Zahl zwischen Stadt (32 Prozent), Vorstadt (18 Prozent) und Land (11 Prozent) stark unterscheidet. Laut Elisabeth Dütschke vom Projektteam gibt es bei den Zahlen nicht viel mehr Spielraum nach oben. „Lediglich drei Prozent derjenigen, die aktuell kein Deutschlandticket besitzen, planen den Kauf. Dies zeigt, dass das Marktpotenzial zu den aktuellen Bedingungen bei 20 bis 25 Prozent der Menschen in Deutschland vermutlich erschöpft ist.“
Deutschlandticket: Nutzung des ÖPNV steigt
Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse der Studie, dass das Deutschlandticket Potenzial hat: Vor dem Kauf des Deutschlandtickets wurden nach Angaben der Befragten 29 Prozent der Wege mit dem ÖPNV zurückgelegt. Nach dem Kauf stieg dieser Anteil um neun auf 38 Prozent. Parallel dazu geht die Autonutzung um 5 Prozent zurück.
Die Zahlen zeigen damit in eine leichte positive Entwicklung zu einer früheren Studie der Technischen Universität München (TUM): Was bringt das Deutschlandticket wirklich? Auch hier hat ein Forschungsteam den Nutzen des Deutschlandtickets untersucht. Heraus kam, dass zwar die Zahlen der Monats-Abos nach der Einführung im Mai 2023 bis August 2023 für den ÖPNV um zehn Prozent gestiegen war, doch nur zwei Prozent das Auto weniger nutzten. Damit war der Effekt auf die Umwelt äußerst gering.
Für CO2-Einsparungen im Straßenverkehr ist es also entscheidend, dass Verkehrsteilnehmende möglichst viele Autofahrten durch Bus- und Bahnfahrten ersetzen, statt den ÖPNV als zusätzliches Verkehrsmittel zu betrachten.
Angebote ausbauen und Zuverlässigkeit verbessern
Die Mobilitätswende ist eine komplexe Angelegenheit, die viele verschiedene Maßnahmen erfordert. Das Deutschlandticket ist nur eine davon, die es weiterhin zu prüfen gilt. Gleichzeitig muss der öffentliche Personennahverkehr weiter ausgebaut und optimiert werden. Denn Menschen werden erst dann auf den Bus, die Bahn oder das Fahrrad umsteigen, wenn es die Infrastruktur ermöglicht. Hier müssen besonders ländliche Regionen weiter aufholen. Diese und weitere Herausforderungen erfordern eine ganzheitliche Strategie, die Investitionen in Infrastruktur, Finanzierung, Technologie und Dienstleistungen umfasst. Nur dann kann der Umstieg vom Auto auf den ÖPNV am Ende gelingen.