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Ökologisches Ungleichgewicht 12.08.2024, 07:00 Uhr

Klimawandel: Pflanzen brauchen Millionen Jahre zur Anpassung

Große Vulkanausbrüche, Verschiebungen der Kontinentalplatten oder Veränderungen der Meeresströmungen haben in der Geschichte der Erde zu drastischen Klimaveränderungen geführt. Eine Studie zeigt nun, wie empfindlich Ökosysteme in der Vergangenheit auf solche Klimaschocks reagierten und welche langfristigen Folgen sich daraus für das heutige Klimasystem ableiten.

Die Vegetation ist ein zentraler Akteur im globalen Kohlenstoffkreislauf, doch sie reagiert empfindlich auf eine rasche Erderwärmung. Foto: PantherMedia / Ailike Creative

Die Vegetation ist ein zentraler Akteur im globalen Kohlenstoffkreislauf, doch sie reagiert empfindlich auf eine rasche Erderwärmung.

Foto: PantherMedia / Ailike Creative

Gewaltige Vulkanausbrüche und andere natürliche Prozesse verursachten in der Geschichte der Erde massive Temperaturschwankungen. Mehrere Perioden intensiver vulkanischer Aktivität setzten enorme Mengen an Treibhausgasen frei, was zu rapiden Klimaveränderungen führte. In extremen Fällen resultierten diese in Massenaussterben sowohl an Land als auch in den Ozeanen. Diese Phasen könnten den Kohlenstoffkreislauf und das Klima über Millionen von Jahren nachhaltig beeinflusst haben. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich veröffentlichten kürzlich eine Studie im Fachjournal Science, die die Reaktion und Anpassung der Vegetation auf drastische Klimaveränderungen in der Vergangenheit untersucht. Sie analysierten, wie diese Veränderungen das natürliche Regulierungssystem von Kohlenstoffkreislauf und Klima beeinträchtigt haben. Das Forschungsteam kooperierte dabei mit Kollegen und Kolleginnen verschiedener internationaler Institutionen.

Vulkanausbrüche führten zu raschen Klimaveränderungen

Die Forschenden kombinierten Isotopenanalysen von Sedimenten mit einem selbst entwickelten Computermodell, das die Rolle der Vegetation bei der Regulierung des geologischen Klimasystems simuliert. Sie spielten verschiedene Szenarien durch, um die Reaktion der Erde und ihrer Pflanzenwelt auf massive Kohlenstofffreisetzungen durch vulkanische Aktivitäten zu untersuchen. Dabei fokussierten sie sich besonders auf  bedeutende Klimaereignisse der Erdgeschichte. Darunter auch das Sibirische Trapp-Ereignis vor etwa 252 Millionen Jahren. Dieses Ereignis löste das Massenaussterben am Übergang vom Perm zur Trias aus. ETH-Professor Taras Gerya erläutert: „Das Sibirische Trapp-Ereignis setzte während 200.000 Jahren rund 40.000 Gigatonnen Kohlenstoff frei. Die Folge war ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um fünf bis zehn Grad Celsius. Dieser Klimaschock führte zum größten Artensterben der Erdgeschichte.“

Julian Rogger, Doktorand und Erstautor der Studie, betont die langfristigen Folgen: „Es dauerte mehrere Millionen Jahre, bis sich die Vegetation von diesem Ereignis erholt hatte. Während dieser Erholungsperiode war das Kohlenstoff-Klima-Regulierungssystem der Erde wahrscheinlich schwach und ineffizient, was zu einer langfristigen Klimaerwärmung führte.“

Klimawandel prägt die Entwicklung vieler Pflanzen

Die Studie zeigt, dass die Schwere solcher Ereignisse von der Geschwindigkeit abhängt, mit der der freigesetzte Kohlenstoff wieder gebunden werden kann. Dies geschieht beispielsweise durch die Verwitterung von Silikatmineralien oder als organischer Kohlenstoff in Sedimenten. Zudem beeinflusst die Anpassungsfähigkeit der Vegetation an steigende Temperaturen die Zeit, die das Klima benötigt, um ein neues Gleichgewicht zu erreichen. Einige Pflanzenarten passten sich durch Evolution an, andere fanden in kühleren Regionen neue Lebensräume. Manche geologische Ereignisse verliefen jedoch so katastrophal, dass viele Pflanzen nicht genügend Zeit hatten, sich anzupassen oder auszuweichen. Die Folgen dieser Ereignisse prägten die geochemische Entwicklung des Klimas über Jahrtausende oder sogar Millionen von Jahre.

Die Erkenntnisse dieser Studie haben ernsthafte Implikationen für den aktuellen menschengemachten Klimawandel. Die Forschenden zeigen, dass Störungen der Pflanzenwelt in der Vergangenheit die Dauer und Intensität von Klimaerwärmungen verstärkten. In manchen Fällen dauerte es Millionen Jahre, bis sich ein neues stabiles Klimagleichgewicht einstellte, da die Vegetation weniger fähig war, den Kohlenstoffkreislauf der Erde zu regulieren.

Der Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung der Vegetation sind daher überaus wichtig, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu mildern.

Folgen des Klimawandels nicht absehbar

Die Studie zeigt: Frühere Klimaveränderungen sind entscheidend, um das volle Ausmaß und die Dringlichkeit der heutigen Klimakrise zu verstehen. Sie bieten wertvolle Einblicke in die natürlichen Klimaprozesse, die Dynamik des Klimasystems und die potenziellen Risiken, die mit ungebremster Erwärmung verbunden sind. Dieses Wissen ist unerlässlich, um wirksame Maßnahmen zur Minderung und Anpassung zu entwickeln und zukünftige Klimaveränderungen besser vorherzusagen. Gleichzeitig sollten die Auswirkungen früherer Klimaveränderungen eine Lehre für das zukünftige Handeln darstellen.

Professor Loïc Pellissier warnt: „Wir befinden uns heute in einer globalen bioklimatischen Krise. Unsere Studie zeigt, wie wichtig funktionierende Vegetationssysteme sind, damit sich die Erde von klimatischen Veränderungen erholen kann. Wir setzen heute schneller Treibhausgase frei als alle bisherigen Vulkanereignisse. Wir Menschen sind auch die Hauptursache für die weltweite Entwaldung, die die Fähigkeit natürlicher Ökosysteme zur Klimaregulierung stark einschränkt. Die Weltgemeinschaft sollte unsere Studie als einen Weckruf auffassen.“

Von Ines Klawonn