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Aufforstung von Wäldern 29.07.2024, 07:00 Uhr

Welche Baumarten trotzen dem Klimawandel?

Bäume nehmen eine zentrale Klimaschutzfunktion ein. Sie speichern das Treibhausgas CO2, setzen lebenswichtigen Sauerstoff frei und tragen zur Artenvielfalt bei. Je mehr Bäume es gibt, desto mehr CO2 kann der Atmosphäre entzogen werden. Doch welche Arten sind dafür am besten geeignet, wenn sich das Klima weiter verändert?

Die ausschließliche Verwendung von lokalem Saatgut reicht nicht aus, um die Funktion der Wälder als Kohlenstoffsenke zu bewahren. Foto: PantherMedia / Anna Omelchenko

Die ausschließliche Verwendung von lokalem Saatgut reicht nicht aus, um die Funktion der Wälder als Kohlenstoffsenke zu bewahren.

Foto: PantherMedia / Anna Omelchenko

Bäume nehmen Kohlendioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf und speichern es in ihrer Biomasse und im Boden. Dadurch tragen sie maßgeblich zur Verringerung des Treibhauseffekts bei. Zudem produzieren Bäume durch Photosynthese lebensnotwendigen Sauerstoff. Nicht zuletzt stellen Wälder einen wichtigen Lebensraum für Tiere und Pflanzen dar. Sie verbessern außerdem die Bodenqualität und spielen eine wichtige Rolle im Wasserkreislauf. Wälder sind folglich unerlässlich für die Aufrechterhaltung eines stabilen Ökosystems. Doch die steigenden Temperaturen und sich verändernden Niederschlagsmuster beeinflussen das Wachstum und die Verbreitung vieler Baumarten. 

Um die Wälder Europas gegen die Folgen des Klimawandels zu schützen und ihre Funktion als Kohlenstoffsenke zu erhalten, ist es notwendig, Bäume aus verschiedenen Regionen zu pflanzen. Zu dem Schluss kommt eine aktuelle Studie, an der auch Forschende des Thühnen-Instituts beteiligt waren. Das internationale Forschungsteam unter Leitung des österreichischen Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) betont hierin die Bedeutung der sogenannten „unterstützten Migration“. Hierbei werden Baumarten und Samenherkünfte ausgewählt, die optimal an die zukünftigen klimatischen Bedingungen angepasst sind. Diese können auch aus weit entfernten Regionen stammen. 

Verschiedene Baumarten auf dem Prüfstand

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen analysierten Daten aus 587 forstlichen Herkunftsversuchen in ganz Europa, in denen Bäume aus 2.964 verschiedenen Samenherkünften wachsen. Diese langfristigen Feldversuche liefern wertvolle Informationen über die lokale Anpassung sowie das Wachstum und Überleben von Baumpopulationen. Um herauszufinden, wie sich die Kohlenstoffaufnahme im Klimawandel für sieben wichtige Baumarten verändern wird, haben die Forschenden komplexe Modell-Simulationen mit verschiedenen Aufforstungsstrategien durchgeführt.

Klimawandel verändert die Eignung von Baumarten

Die Ergebnisse zeigten eindeutig, dass der Klimawandel die Eignung verschiedener Baumarten in großen Teilen Europas verändern wird. Folglich sollten die bisher häufig genutzten Nadelbaumarten weniger und die widerstandsfähigen Laubbaumarten vermehrt gepflanzt werden. Allerdings wird dieser einfache Artenwechsel allein nicht ausreichen. Das geht ebenfalls aus der Studie hervor.

„Unsere Modelle zeigen, dass die Wirkung der europäischen Wälder als Kohlenstoffsenke bis zum Ende des Jahrhunderts erheblich abnehmen könnte, wenn bei der Wiederaufforstung nur auf lokales Saatgut aus der Region gesetzt wird“, betont Debojyoti Chakraborty, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am BFW. „Dies würde die Rolle der europäischen Wälder bei der Abschwächung des Klimawandels drastisch reduzieren.“

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Auf die Zusammensetzung von Bäumen kommt es an

Forst-Fachleute stehen also vor einer besonderen Herausforderung. Sie müssen Bäume pflanzen, die noch in 100 Jahren dem dann herrschenden Klima gewachsen sind. Eine vielversprechende Lösung bietet die gezielte Selektion von Saatgut, das an die prognostizierten klimatischen Bedingungen des Pflanzortes angepasst ist – auch wenn die Quellen in geografisch weit entfernten Regionen liegen. Kalabrien in Süditalien dient beispielsweise als Saatgutquelle für Tannen. Die Samen transportieren das über lange Zeiträume an verschiedene Klimazonen adaptierte Erbgut. Die Forschenden sind überzeugt: Nur durch den Einsatz ergänzender Herkünfte aus anderen Regionen können Europas Wälder in Zukunft vital bleiben und weiterhin effektiv CO2 binden. 

„Unsere Ergebnisse zeigen das bemerkenswerte Potenzial von „unterstützter Migration“, um die Kohlenstoffaufnahmeleistung der europäischen Wälder angesichts des Klimawandels zu erhalten oder sogar zu erhöhen“, betont Silvio Schüler, Leiter des Instituts für Waldwachstum, Waldbau und Genetik am BFW und Projektleiter der Studie.

Sein Kollege Andreas Bolte, Leiter des Thünen-Instituts für Waldökosysteme, fügt hinzu: „Diese Ergebnisse müssen bei der Wiederbewaldung nach den großen Waldschäden in Deutschland und weiten Teilen Mitteleuropas seit 2018 genauso berücksichtigt werden wie beim dringenden Umbau risikobehafteter Waldbestände. Nur so können die Funktion der Wälder beim Klimaschutz, als artenreicher Lebensraum und als Quelle der nachhaltigen Holzproduktion langfristig gesichert werden.“ 

Die Studie erhielt Unterstützung durch das INTERREG Central Europe Projekt SUSTREE (Conservation and sustainable utilization of forest tree diversity in climate change) und das Horizont-2020-Projekt SUPERB (Systemic solutions for upscaling of urgent ecosystem restoration for forest-related biodiversity and ecosystem services). Diese Projekte tragen maßgeblich dazu bei, Strategien für den Erhalt der Wälder im Klimawandel zu entwickeln.



Von Ines Klawonn