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Geografisches Informationssystem (GIS) 04.09.2023, 07:00 Uhr

So erkennen Satelliten frühzeitig Heuschreckenplagen

Heuschreckenplagen und -ausbrüche stellen eine ernsthafte Gefahr für die landwirtschaftliche Produktion, Ernährungssicherheit und Umwelt dar. Um sie frühzeitig zu erkennen und dagegen vorgehen zu können, haben Forschende Methoden aus der Erdbeobachtung, der Befliegung mit Drohnen und der digitalisierten Datenerfassung kombiniert – mit Erfolg.

In Kasachstan ist außer der Italienischen Schönschrecke (Calliptamus italicus) unter anderem auch die Marokkanische Wanderheuschrecke (Dociostaurus maroccanus) heimisch.
Foto: DLR / Igor Klein

In Kasachstan ist außer der Italienischen Schönschrecke (Calliptamus italicus) unter anderem auch die Marokkanische Wanderheuschrecke (Dociostaurus maroccanus) heimisch.

Foto: DLR / Igor Klein

Weltweit gibt es über 26.000 Heuschreckenarten. Die meisten von ihnen sind Pflanzenfresser und ernähren sich unter anderem von Gräsern, Blättern und Getreidesorten. Dabei verdrücken sie nicht gerade wenig. Einige Heuschrecken können am Tag das Vielfache ihres eigenen Körpergewichts an Pflanzen fressen. Über die Nahrung nehmen sie bereits ausreichend Flüssigkeit auf, sodass sie über lange Zeiträume mit nur wenig Wasser auskommen. Wenn Heuschrecken als Schwarm vorkommen, können sie innerhalb kurzer Zeit riesige Mengen an Pflanzen vernichten und so für Ernteausfälle und Nahrungsmittelknappheit sorgen.

Inzwischen ist bekannt, dass Heuschreckenplagen vor allem dann entstehen, wenn bestimmte Umweltparameter wie Temperatur, Niederschlag, Bodenfeuchte und Vegetationsdichte begünstigend zusammenkommen. Forschende aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben jetzt einen Weg gefunden, diese Umweltparameter auszuwerten, um Heuschreckenausbrüche so früh wie möglich zu erkennen und dagegen vorgehen zu können.

Neuer Ansatz ermöglicht bessere Klimavorhersagen

Satelliten zeigen Heuschreckengebiete auf

In ihrem internationalen Projekt „Locust-Tec“ kombinieren die Forschenden des DLR verschiedene Untersuchungsmethoden miteinander. Dazu zählen Satellitendaten, Ergebnisse aus Drohenbefliegungen und digitale Datenerfassung vor Ort.

Mithilfe von Erdbeobachtungssatelliten sehen die Forschenden zunächst, wo auf der Welt ideale Bedingungen für Heuschrecken herrschen und wo sich bestimmte Arten stark vermehren könnten. In diesem Fall konzentriert sich das Team auf die Italienische Schönschrecke (Calliptamus italicus) und die Marokkanische Wanderheuschrecke (Dociostaurus maroccanus). Beide Arten kommen in Kasachstan vor und müssen dort alljährlich beobachtet und kontrolliert werden. Das Risiko von Schäden in der Landwirtschaft und der Umwelt durch Heuschrecken ist in der Region sehr hoch. Von 2006 bis 2014 haben sich die befallenen Flächen in Kasachstan fast vervierfacht. Das Locust-Tec-Projekt soll hier zur Weiterentwicklung im Sinne eines verbesserten und nachhaltigen Heuschreckenmanagements beitragen.

„Die Erkenntnisse würden sich nach weiteren Forschungsaktivitäten aber grundsätzlich auch auf andere Heuschreckenarten anwenden lassen. Generell gehören Trockengebiete wegen der Umweltpräferenzen schwärmender Heuschreckenarten zu den weltweit am stärksten gefährdeten Regionen. Durch den Klimawandel könnten zukünftig noch mehr Gegenden betroffen sein“, sagt Igor Klein vom Earth Observation Center (EOC) im DLR.

Drohnenbefliegung und Fachkräfte liefern detaillierte Informationen

Auf Grundlage der Satellitendaten legen die Forschenden fest, in welchem begrenzten Gebiet eine weitere Analyse notwendig ist. Diese erfolgt dann mit einer Drohne, die die ausgewählte Fläche überfliegt. Eine Multispektralkamera in der Drohne ermöglicht es, Bilder von der Umgebung in unterschiedlichen spektralen Bandbreiten, zum Beispiel im Infrarotbereich, aufzunehmen. So erkennt die spezielle Kamera anhand des Chlorophyll-Gehalts der Pflanzen schon früh, ob eine Wiese „gestresst“ ist, weil Heuschrecken erste Grashalme befallen haben – viel früher als es das menschliche Auge wahrnehmen kann. Diese Messung liefert damit einen entscheidenden Vorsprung bei der Ergreifung von Heuschrecken-Maßnahmen.

Zudem ergänzen Fachleute vor Ort die Datenerhebung. Dafür tragen sie ihre Beobachtungen zu der Größe der befallenen Fläche, der Heuschreckenart und die Heuschreckenanzahl pro Quadratkilometer in eine App ein. Die App wurde extra für das Projekt entwickelt und liefert damit zusätzliche Informationen, wo sich das Vorkommen von Heuschrecken zu einem Ausbruch entwickeln könnte.   

GIS bietet Grundlage zum Heuschrecken-Management

Die Daten aus den Satelliten und aus der Drohnenbefliegung sowie die erhobenen Informationen vor Ort fließen in einem Geoinformationssystem (GIS) zusammen. Dabei handelt es sich um ein computergestütztes Programm, das entwickelt wurde, um geografische Informationen zu erfassen, zu analysieren und darzustellen. Kurz gesagt: Die kombinierten Daten aus dem Locust-Tec-Projekt können auf dieser Grundlage in Karten dargestellt werden. So lassen sich zum Beispiel Daten aus verschiedenen Jahren miteinander vergleichen, um möglicherweise zu sehen, ob und welche Maßnahmen gegen drohende Heuschreckenausbrüche Wirkung zeigen.

„Eines der Projektziele ist die Erprobung umweltfreundlicher Methoden zur Heuschrecken-Bekämpfung, die im Vergleich zu herkömmlichen Maßnahmen mit Insektiziden weniger schädlich für Mensch und Umwelt sind“, erklärt Igor Klein. „Dabei ist es wichtig, dass die betroffenen Gebiete früh erfasst werden.“

Die von dem DLR erhobenen Daten liefern damit nicht nur wichtige Informationen für eine frühzeitige Heuschreckenüberwachung, sondern auch über effektive und umweltfreundliche Maßnahmen zur Heuschreckenbekämpfung.

Weitere Informationen über das Thema Datenerhebung von Umweltparametern:

 

Von Ines Klawonn