Umweltdaten aus Korallen liefern detaillierte Informationen zum Klimawandel
Korallenriffe sind empfindliche Indikatoren für Veränderungen in den Ozeanen und im Klimasystem. Forschenden ist es nun erstmals gelungen eine kontinuierliche Aufzeichnung von Umweltdaten aus tropischen Korallen zu gewinnen. Diese ermöglichen ein besseres Verständnis des Erdsystems und bergen Chancen im Kampf gegen den Klimawandel.
Korallen sehen zwar aus wie farbenfrohe Unterwasserpflanzen, gehören aber zu den Nesseltieren und sind mit Quallen verwandt. Eine Koralle ist ein Mischwesen aus Tier (Polypen) und winziger Alge. Zusammen leben in sie in einer Symbiose. Doch das Ökosystem von Korallenriffen ist sehr empfindlich und entwickelt sich nur unter bestimmten Voraussetzungen: So brauchen sie viel Licht, sauberes Wasser und bevorzugen eine Wassertemperatur zwischen 20 und 30 Grad Celsius. Schon geringe Temperaturveränderungen des Meeres können Korallen zerstören. Das Korallentierchen stößt dann die Alge ab, ohne die es selbst nicht überleben kann. Zurück bleibt ein fahles Kalkskelett. In der Wissenschaft bezeichnet man diesen Vorgang als Korallenbleiche. Aufgrund ihrer Sensibilität gegenüber Umweltveränderungen gelten Korallen als wichtige Indikatoren im Klimasystem. Darüber hinaus bieten Korallen wichtigen Schutz für die Küsten, indem sie als natürliche Barrieren dienen. Noch dazu bilden sie einen wichtigen Lebensraum für Tausende von Fischen, die für viele Menschen eine Nahrungsgrundlage bildet.
Für die Forschung stellen Korallen wichtige Archive dar, da ihre Beschaffenheit Informationen über den Klimawandel verrät. Durch die Entnahme von Bohrkernen fossiler Korallenriffe vor der Küste von Hawaii ist es nun Forschenden erstmals gelungen, eine hochauflösende und kontinuierliche Aufzeichnung von Umweltdaten aus tropischen Korallen zu gewinnen. Diese ermöglichen, laut den Forschenden, einen Blick in die vergangene Erdgeschichte in noch nie dagewesener Detailgenauigkeit.
3D-Karten zeigen Veränderungen der Erdoberfläche im Klimawandel
Korallen zeigen Entwicklung der Erdgeschichte
Im Rahmen der Expedition des International Ocean Discovery Programm (IODP) wurden im Oktober 2023 insgesamt 426 Meter Bohrkerne in Wassertiefen von 130 bis 1.240 Metern mithilfe eines ferngesteuerten Bohrsystems aus dem Meeresboden geborgen. Ziel der Expedition war es, neue Informationen über das vergangene Klima und die Riffbedingungen vor der Küste Hawaiis zu erhalten. „Wir konnten eine spektakuläre Abfolge fossiler Riffablagerungen bergen, die es uns ermöglichen wird, in noch nie dagewesener Detailgenauigkeit zu entschlüsseln, wie sich der Meeresspiegel, das Paläoklima und das Riff-Ökosystem in den vergangenen 500.000 Jahren verändert haben, insbesondere in Zeiten rapider globaler Veränderungen“, sagt Jody Webster, der das Projekt leitet.
Nach der Offshore-Phase hat das Wissenschaftsteam, das insgesamt aus 31 Forschenden verschiedener Fachrichtungen besteht, die Proben im Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen (MARUM) geöffnet, analysiert und beprobt. In den kommenden Jahren werden die Bohrkerne im Hinblick auf spezifische Forschungsfragen genauer untersucht.
Klimawandel verstehen durch detaillierte Klimaaufzeichnungen
Für ihre Expedition haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gezielt unterschiedliche Korallenstandorte ausgewählt, da die Jahresringe der Korallen Aufschluss über vergangene Umweltschwankungen geben können. Ähnlich wie Baumringe enthalten die Skelette von Korallen sogenannte Wachstumsringe oder -bänder, die sich jährlich während des Wachstums der Korallenpolypen bilden. Diese können sich hinsichtlich ihrer Farbe und chemischen Zusammensetzung unterscheiden. Die Analyse der Wachstumsringe ermöglicht es den Forschenden, Informationen über vergangene Umweltbedingungen zu gewinnen und zukünftige Klimaveränderungen abzuleiten.
„Wir freuen uns, dass wir viele Proben von fossilen Korallen mit Jahresbändern geborgen haben, mit denen wir zum ersten Mal detaillierte Aufzeichnungen über die monatlichen Veränderungen der ozeanografischen Bedingungen in vergangenen Perioden, die anders waren als heute, erarbeiten werden. Anhand dieser Daten sollen Vorhersagen über künftige pazifikweite Klimaveränderungen getroffen werden“, sagt Christina Ravelo, Professor an der University of California.
Ziel: Vier Fragestellungen zum Klimawandel erforschen
Mit den gewonnenen Umweltdaten der Bohrkerne wollen die Forschenden in Zukunft Antworten zu diesen vier Hauptfragen liefern:
- Wie hat sich der Meeresspiegel in den vergangenen 500.000 Jahren verändert?
- Wieso haben sich der Meeresspiegel und das Klima im Laufe der Zeit verändert?
- Wie reagieren Korallenriffe auf abrupte Meeresspiegel- und Klimaveränderungen?
- Welche Faktoren haben im Laufe der Zeit das Wachstum und Absenken von Hawaii beeinflusst?
Die aus der IODP-Expedition gewonnenen fossilen Korallen ermöglichen es den Forschenden erstmals, Temperaturschwankungen, insbesondere auch saisonale Schwankungen für die vergangenen 500.000 Jahre zu rekonstruieren. „Die Aufzeichnungen aus dem Pazifik werden auch zu einem besseren Verständnis der Klimavariabilität in den tropischen-subtropischen Ozeanen und ihrer Auswirkungen auf das Ökosystem der Korallenriffe in einer sich erwärmenden Welt beitragen,“ sagt Thomas Felis, einer der Expeditionsteilnehmer.