Kunststoff trifft Weidenholz: Umweltfreundlicher Verbundwerkstoff eröffnet neue Möglichkeiten
Ein neuer Verbundwerkstoff aus Kunststoff und Weidenholz verspricht unterschiedlichste Einsatzmöglichkeiten in Architektur und Design. Das Material überzeugt durch Nachhaltigkeit, Leichtigkeit, Witterungsbeständigkeit und gestalterische Flexibilität. Entwickelt wurde es in einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Universität Kassel.
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Weidenholz ist eine der beiden Komponenten für den nachhaltigen Verbundwerkstoff.
Foto: PantherMedia / Gudrun Best
In einem Forschungsprojekt ist es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Kassel gelungen, einen neuartigen Verbundwerkstoff zu entwickeln, der Kunststoff und Weidenholzfäden auf eine neuartige Weise kombiniert. Das Material, das im Rahmen des Projekts „VOTO – Weidengewebeverstärkter Kunststoff mit variabler Gewebedichte für Fassadenelemente im textilen Holzbau“ entstand, verbindet die Vorzüge beider Werkstoffe und eröffnet neue Perspektiven für nachhaltige Anwendungen.
Der Verbundwerkstoff basiert auf einem eigens entwickelten Herstellungsverfahren. Dabei werden Weidenholzfäden der Amerikanerweide und Polypropylen, ein thermoplastischer Kunststoff, im Heiß-Press-Verfahren miteinander verbunden. Durch abwechselndes Schichten von Weidenholzgewebe und Kunststofffolie entsteht ein Materialverbund, bei dem der Kunststoff das Holz umfließt und sich fest mit ihm verbindet. Ein spezieller Haftvermittler sorgt für eine optimale Verbindung der Komponenten.
Verbundwerkstoff: Nachhaltigkeit und Leistungsfähigkeit gehen Hand in Hand
Hans-Peter Heim, Leiter des Fachgebiets Kunststofftechnik am Institut für Werkstofftechnik, betont die Bedeutung des Projekts: „Mit diesem Verbundwerkstoff konnten wir zeigen, dass Nachhaltigkeit und technische Leistungsfähigkeit keinen Widerspruch darstellen müssen. Durch die Optimierung der Verarbeitungsprozesse ist es uns gelungen, die positiven Eigenschaften des Naturmaterials zu erhalten und gleichzeitig die Witterungsbeständigkeit und den Brandschutz durch die Kunststoffmatrix zu verbessern.“
Neuer Verbundwerkstoff bietet vielfältige Designoptionen
Die Forschenden haben nicht nur die technischen Eigenschaften des Verbundwerkstoffs verbessert, sondern auch dessen gestalterisches Potenzial ausgelotet. Durch die Variation der Webart des Weidenholzgewebes lassen sich Fassadenmodule herstellen, die je nach Bedarf lichtdurchlässig oder -undurchlässig gestaltet werden können. Diese Anpassungsfähigkeit eröffnet Architektinnen und Architekten sowie Designerinnen und Designern viele neue Möglichkeiten, funktionale und ästhetisch ansprechende Räume zu schaffen – und das entsprechend nachhaltig.
Heike Klussmann, Leiterin des Fachgebiets Bildende Kunst und der Forschungsplattform Bau Kunst Erfinden, unterstreicht die Bedeutung dieser gestalterischen Freiheit: „Dieser Verbundwerkstoff verbindet umweltfreundliche Technologie mit kreativer Gestaltung. Die Demonstrationsfassaden, die während des Projekts entstanden sind, zeigen eindrucksvoll, wie vielseitig einsetzbar das Material ist.“
Umfangreiche Tests bestätigen Leistungsfähigkeit
Um die Leistungsfähigkeit des neuen Verbundwerkstoffs zu überprüfen, wurden im Verlauf des Projekts zahlreiche Materialtests durchgeführt. Dazu zählten unter anderem Untersuchungen zur Zug-, Druck- und Biegefestigkeit sowie Tests zur Belastbarkeit bei Schlag- und Ermüdungseinwirkungen. Auch die Witterungsbeständigkeit stand im Fokus: Eine künstliche Bewitterung zeigte, dass der Einsatz von UV-Stabilisatoren die Lebensdauer der Fassadenmodule im Außenbereich deutlich verlängern kann.
Die Ergebnisse der Tests bilden eine wichtige Grundlage, um den neuen Verbundwerkstoff industriell nutzen zu können. Ein im Rahmen der Forschung entstandenes Lastenheft dient möglichen Herstellern als orientierender Leitfaden bei der Produktion.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg
Das Forschungsprojekt, das von 2021 bis 2023 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) mit knapp 550.000 Euro gefördert wurde, ist ein gutes Beispiel für erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Institutionen. Die Forschungsvereinigungen Werkstoffe aus nachhaltigen Rohstoffen e. V. (WNR) und Forschungskuratorium Textil e. V. (FKT) unterstützten das Vorhaben, während die FRIMO Sontra GmbH bei der Herstellung der Demonstrationsfassade mitwirkte.
Das Projekt ordnet sich in den Kasseler Forschungscluster BiTWerk – Biologische Transformation technischer Werkstoffe“ ein, der sich damit befasst, nachhaltige Materialien und Prozesse zu entwickeln. Der neu entwickelte Verbundwerkstoff aus Kunststoff und Weidenholz ist ein spannendes Beispiel dafür, wie durch Forschung zukunftsweisende und umweltfreundliche Lösungen entstehen können, die ökologische Verantwortung mit technischer Leistungsfähigkeit und ästhetischer Gestaltungsfreiheit verbinden.