Paludikulturen: Neuer Rohstoff für nachhaltige Verpackungen aus Papier
Forschende des Fraunhofer IVV haben das Potenzial von Moorpflanzen wie Schilf und Rohrglanzgras für die Herstellung nachhaltiger Papierverpackungen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Pflanzen eine Alternative zu Holz darstellen und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.
Die Papierpreise steigen. Außerdem importiert Deutschland den größten Teil der Holzrohstoffe. Das sind zwei gute Argumente, um alternative Quellen für die Produktion von Papierverpackungen zu erschließen. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV haben sich dieser Herausforderung angenommen und im Rahmen des Projekts PALUDI die Möglichkeiten von Moorpflanzen wie Schilf, Seggen und Rohrglanzgras als nachhaltige Rohstoffe untersucht. Diese Pflanzen, auch Paludikulturen genannt, werden gezielt in wiedervernässten Mooren angebaut und könnten künftig eine wichtige Rolle bei der Herstellung von umweltfreundlichen Verpackungen spielen. Das Projekt läuft im Rahmen der Fraunhofer-Initiative für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming und wird von verschiedenen Bundesministerien gefördert.
Der Anbau von Paludikulturen in nassen Mooren trägt nicht nur zum Erhalt dieser wertvollen Ökosysteme bei, sondern leistet auch einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz. Moorpflanzen minimieren CO2-Emissionen und werden zukünftig mehr Fläche erhalten, da laut dem EU-Renaturierungsgesetz vom Februar 2024 mindestens 30 Prozent der Flächen von Wäldern, Grünland und Feuchtgebieten wiedervernässt und renaturiert werden müssen.
Geringerer Ligningehalt ermöglicht nachhaltige Verpackungen
Ein entscheidender Vorteil von Moorpflanzen gegenüber Holz ist ihr niedrigerer Ligningehalt. Lignin fungiert als natürlicher Klebstoff in den pflanzlichen Zellwänden und muss beim Aufschluss der Fasern für die Papierherstellung mithilfe von Chemikalien entfernt werden. Je geringer der Ligningehalt, desto weniger Chemikalien sind erforderlich, um eine ausreichend hohe Faserqualität für Verpackungsanwendungen zu erzielen. Die chemische Charakterisierung von Paludikulturen aus dem Freisinger Moos ergab einen Ligningehalt zwischen 20 und 23 Prozent, was im Vergleich zu Nadel- und Laubholz um 25 beziehungsweise 15 Prozent niedriger ist.
Es müssten also einerseits deutlich weniger Säuren oder Laugen beim chemischen Aufschluss eingesetzt werden. Gleichzeitig ist das Fasernetzwerk, das sich bildet, stabiler. Zellstoff aus Moorpflanzen sich durch bessere mechanische Eigenschaften aus als Zellstoff aus anderen Strohzellstoffen wie Mais oder Bambus. Das leichtere Auslösen von Lignin aus nicht verholzenden Pflanzen ermöglicht zudem energieeffizientere Aufschlussverfahren.
Die Forschenden des Fraunhofer IVV entwickelten ein Verfahren, das bei Temperaturen unter 100 Grad Celsius arbeitet. Mit diesem Verfahren konnte das Lignin in Abhängigkeit der eingestellten Parameter um bis zu 83 Prozent herausgelöst werden, während die Zellstoffausbeute bei bis zu 53 Prozent lag.
Vielversprechende Testergebnisse für nachhaltige Verpackungen
Die aus Moorpflanzen hergestellten flachen, fasergegossenen Papiere ließen sich in Tests gut verarbeiten. Ihre Zugfestigkeit übertraf deutlich die Werte einer Referenzprobe in Form eines Eierkartons. Durch die Zugabe von Additiven wie Stärke und Leimungsmittel konnten die Zugfestigkeit, Dehnbarkeit und wasserabweisenden Eigenschaften der Papiere weiter verbessert werden. Darüber hinaus zeigten sich die Papiere aus Paludikulturen als geeignet für Verarbeitungsprozesse wie Falzen, Kleben und Bedrucken. Mithilfe von Faserguss- und Tiefziehverfahren gelang es den Forschenden sogar, stabile Papiertiegel und Schalen aus Schilfrohrfasern herzustellen, ohne Additive zu verwenden.
Um die Produktion nachhaltiger Verpackungen aus Moorpflanzen in den Industriemaßstab überführen zu können, sind jedoch noch weitere Optimierungsschritte erforderlich, beispielsweise in Bezug auf die sensorische Wahrnehmung oder die Beschichtung des Materials.
Nachhaltige Verpackungen für Kosmetik, Logistik und Büromaterialien
Zunächst planen die Forschenden des Fraunhofer IVV, die aus Paludikulturen gewonnenen nachhaltigen Verpackungen für den Non-Food-Bereich wie Kosmetik, Logistik und Büromaterialien einzusetzen. Hier bieten die biobasierten Papierverpackungen eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Lösungen und können dazu beitragen, den Einsatz fossiler Ressourcen zu reduzieren. Mit weiteren Entwicklungsschritten und einer Optimierung der Eigenschaften streben die Wissenschaftler langfristig auch die Verwendung der nachhaltigen Verpackungen für Lebensmittel an.