Super-Dämmmaterial aus Pflanzenrohstoffen
Einem Start-up ist es erstmals gelungen, Aerogele auf biologischer Basis herzustellen, die wichtige Eigenschaften in sich vereinen, die für die Industrie relevant sind. Unter anderem könnten sie eine große Bedeutung als leichtes und natürliches Dämmmaterial erlangen.
Effizienz ist ein wichtiges Stichwort für die Energiewende. Denn je sparsamer wir mit Energie umgehen, desto weniger muss über erneuerbare Quellen produziert werden. Im Gebäudesektor, wo mehr als zwei Drittel des Energieverbrauchs auf das Konto des Heizsystems gehen, ist eine hervorragende Dämmung daher ein entscheidender Faktor. Im Idealfall sollten auch die dafür eingesetzten Material selbst nachhaltig sein. Genau das ist jetzt dem Start-up aerogel-it GmbH gelungen. Nach eigenen Angaben sind die ehemaligen Forschenden die ersten Unternehmer überhaupt, die Aerogele auf biologischer Basis herstellen, die allen nötigen Eigenschaften für einen Einsatz in der Industrie mitbringen.
Dämmmaterial aus organischen Abfällen bindet CO2 dauerhaft
Neue Aerogele sind zu 100% bio
Aerogele sind offenporige Materialien. Sie weisen eine geringe Dichte und eine ungewöhnlich große Oberfläche im Inneren auf – in der Regel bestehen sie zu 90% bis 98% aus Luft. Damit ist auch eine geringe Wärmeleitfähigkeit verbunden, was diese extrem leichten Materialien zu idealen Komponenten für die Wärmedämmung macht. Auch als Träger- oder Filtermaterialien finden sie Verwendung.
Aerogele können über unterschiedliche Verfahren hergestellt werden. In der Regel bildet amorphes Siliziumoxid die Grundlage, welches über energieintensive Verfahren extrem getrocknet wird. Insgesamt ist die Ökobilanz der Aerogele noch wenig erforscht. Klar ist aber, dass der hohe Energiebedarf bei der Produktion als problematisch gilt.
Das junge Unternehmen aerogel-it ist ein anderen Weg gegangen: „Wir verwenden unter anderem das Biopolymer Lignin. Das ist ein Pflanzenrohstoff aus Holz, der als Nebenprodukt bei der Papierherstellung anfällt“, sagt Mitgründer und Geschäftsführer Marc Fricke. Das Ergebnis ist ein 100-prozentiges Bio-Aerogel aus Lignin. Laut Fricke bringe es die nötigen Eigenschaften mit, um als Hochleistungsdämmstoff dienen zu können.
Viele mögliche Anwendungsbereiche für neue Bio-Aerogele
Ligning sorgt dafür, dass verholzte Pflanzenteile Halt und Festigkeit haben. Für die Herstellung des Bio-Aerogels wird es zunächst in Wasser gelöst. Dabei wird eine Vernetzungsreaktion in Gang gesetzt, sodass im Anschluss eine Art Gel übrig bleibt, eine feine Netzwerkstruktur, in der das Wasser eingeschlossen wird. Im nächsten Schritt tauschen die Experten das Wasser im Gel gegen Alkohol aus. Schließlich entfernen sie den Alkohol in einem speziellen Hochdruckprozess, sodass nur die feine Netzwerkstruktur zurückbleibt – ohne Flüssigkeit. Das Granulat, das am Ende dieses Prozesses aus der Maschine fällt, besteht aus Kügelchen, die wenige Millimeter klein sind und zu etwa 90% aus luftgefüllten Poren bestehen.
Smarte Fensterbeschichtung dämmt und kühlt
Das Granulat kann direkt verwendet werden, etwa als Füllstoff. Alternativ ist es unter anderem möglich, die Kügelchen zu Platten zu pressen. Die Erfinder sehen große Anwendungsbereiche für ihre Technologie: Der Stoff eigne sich für Bauanwendungen, aber auch für Kühlgeräte, Transportboxen oder sogar als Träger von Duftstoffen. „Wir sind im Austausch mit einem Hersteller programmierbarer Duftkerzen. Die Porenstruktur unserer Aerogele ermöglicht es, besonders viel Duftstoff aufzunehmen und über einen langen Zeitraum in konstanter Qualität wieder freizusetzen“, sagt Fricke. Verkaufsargumente seien nicht nur die positiven Eigenschaften des Produkts, sondern gleichfalls seine gute CO2-Bilanz.
Bio-Aerogele bergen vermutlich weniger gesundheitliche Risiken
Ein weiteres Argument könnte dem Start-up in die Hände spielen: Siliziumoxid ist das häufigste Ausgangsmaterial für herkömmliche Aerogele, und in seiner kristallinen Form ist es für Menschen giftig. Ob Siliziumoxid in Dämmmaterialien langfristig Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, ist derzeit nicht bekannt. Entsprechende Studien liegen noch nicht vor. Demgegenüber scheinen Bio-Aerogelen auf Lignin-Basis eine sichere Alternative darzustellen.
Aktuell sucht das Start-up nach Investoren, um die Produktion auf ein industrielles Level heben zu können.
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