Alle Beiträge zur Kreislaufwirtschaft zählen
Wir brauchen eine Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe. Dafür müssen Technologien verbessert und Innovationen gefördert werden, so die chemische Industrie.
Kunststoffe sind vielseitig und erfüllen unterschiedlichste Anforderungen. Sie verstärken Rotorblätter für Windkraftanlagen, sparen Gewicht im Leichtbau von Autos oder schützen als Verpackung vor Lebensmittelverfall. Kein anderes Material kann das leisten und deshalb sind Kunststoffe für eine nachhaltige Zukunft unverzichtbar. Dennoch hat „Plastik“ ein stark negativ behaftetes Image. Plastikabfälle gelangen in die Umwelt und richten dort großen Schaden an. Das sorgt zurecht für Unmut. Kunststoffe werden außerdem kritisch beäugt, weil sie vorwiegend aus fossilen Rohstoffen hergestellt und zu wenig recycelt werden. Auch das muss sich ändern. Und das Problem droht eher größer denn kleiner zu werden: Denn die weltweite Nachfrage nach Kunststoffen wird nach der OECD-Studie „Global Plastics Outlook. Policy Scenarios to 2060“, die im Juni 2022 veröffentlicht wurde, in den nächsten Jahren weiter ansteigen.
Die umfassende Lösung liegt darin, eine Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe zu etablieren. Dies wird nur mit vereinten Kräften der Wirtschaft, Gesellschaft und Politik gelingen. Mit solch einem Kreislauf kann der Vorteil von Kunststoffen genutzt und zugleich ein nachhaltiger Umgang mit ihnen gewährleistet werden.
Kreislaufwirtschaft als Lösung
Bei dem nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen müssen Klimaschutz und Ressourcenschonung über den gesamten Lebensweg von Produkten hinweg mitgedacht werden. Hier kann das grundlegende Konzept der Kreislaufwirtschaft zur Entkopplung des Wirtschaftswachstums vom Ressourcenverbrauch beitragen. Es ist auch im Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft der EU aus dem Jahr 2020 als eine Säule des europäischen Green Deals verankert. Als Lösung für einen nachhaltigen Umgang mit Kunststoffen steht das Konzept aber im Vergleich zu den aufsehenerregenden Produktverboten noch zu wenig im Mittelpunkt.
Die Förderung der Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten spielt für die Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle. Im Kreislauf geführte Kunststoffe können hierzu auch beizutragen. Vielfach genutzt wie bei Mehrweglösungen im Gastronomie-Bereich werden Kunststoffe nachhaltiger. In Deutschland gibt es bereits Beispiele für Mehrwegsysteme. Dass die Politik in ausgewählten Bereichen Mehrwegalternativen stärkt, ist zu begrüßen. Auch, dass die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag für eine neue Ökodesign-Verordnung die erwähnten Eigenschaften von Produkten fördern möchte, geht in die richtige Richtung.
Mehr Recycling fördern
Auch langlebige, wiederverwendbare und reparierbare Produkte kommen irgendwann an ihr Lebensende und müssen entsorgt werden. Recycling und andere Technologien zur Kreislaufführung sind deshalb essenziell zur Schonung von Ressourcen. Was Kunststoffe angeht, ist beim Recycling noch deutlich Luft nach oben. In Deutschland wurden 2019 nur 38,6 % der Plastikabfälle, die bei Endverbrauchern anfielen, dem Recycling zugeführt. Somit wurden mehr als 60 % energetisch verwertet. Das dient zwar der Erzeugung von Strom und Wärme und ist bei gefährlichen Abfällen sogar geboten, aber dem Kreislauf gehen die Rohstoffe auf diese Weise verloren. Gerade in Anbetracht der weltweit steigenden Nachfrage nach Kunststoffen gilt es, schnellstens Möglichkeiten voranzutreiben und zu finden, mehr Kunststoffe zu recyceln oder anderweitig im Kreis zu führen.
Zunächst einmal müssen mechanische Recyclingverfahren weiter verbessert und ausgebaut werden. Einige Chemieunternehmen kooperieren mittlerweile selbst mit der Entsorgungsbranche im Bereich des mechanischen Recyclings. Auch die Weiterentwicklung von Sammel- und Sortieranlagen spielt eine wesentliche Rolle.
Mehr „Design for Recycling“
Eine entscheidende Stellschraube ist die Produktgestaltung. Ein „Design for Recycling“ von Produkten kann und muss zu einem Mehr an Recycling beitragen, indem Produkte von Beginn an recyclingfähig konzipiert werden. Der Recyclingfähigkeit sind aber auch Grenzen gesetzt: Produkte müssen am Ende weiterhin leistungs- und innovationsfähig bleiben und ihre Funktion erfüllen. Diesen Zielkonflikt gilt es bei der Produktgestaltung stets abzuwägen und bei politischen Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit von Produkten, wie der neuen Ökodesign-Verordnung der EU, zu berücksichtigen.
Chemisches Recycling als Schlüssel
Enormes Potenzial zur Ergänzung des mechanischen Recyclings bieten chemische Verfahren. Im Fokus stehen dabei gemischte und verschmutzten Plastikabfälle, die bisher energetisch verwertet werden. Dabei handelt es sich um Verfahren wie Solvolyse, Pyrolyse und Gasifizierung. Hierbei werden Abfälle in Grundbausteine zerlegt, die dann in der Wertschöpfungskette wiederverwendet werden können, um neue Grundchemikalien, andere chemische Produkte und auch Kunststoffe herzustellen. Die Neuwarequalität der auf diese Weise erzeugten Rezyklate ermöglicht auch den Einsatz in sensitiven Bereichen wie Lebensmittelverpackungen, im pharmazeutisch-, medizinischen Sektor oder auch technisch anspruchsvollen Anwendungen wie im Automobil- oder Elektrobereich.
Und das Kombinieren mechanischer und chemischer Verfahren kann das Recycling deutlich verbessern und zur Erfüllung der ehrgeizigen politischen Recyclingziele beitragen. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zeigt in der Studie „Techno-economic assessment and comparison of different plastic recycling pathways: A German case study“ von 2021, dass in kombinierten Verfahren mehr als doppelt so viel Kohlenstoff wiedergewonnen wird wie beim mechanischen Recycling allein.
Technologieoffener Kreislauf
Deshalb ist es wichtig, dass die deutsche und die EU-Politik beim Thema Recycling das Prinzip der Technologieoffenheit wahrt. Dabei geht es nicht nur um die Unterstützung durch Forschungsförderung, um die Technologien zu skalieren und die gezielte Förderung des Einsatzes von Rezyklaten, sondern um eine umfassende Anerkennung dieser vielversprechenden Technologien. Nur so können die ehrgeizigen Recyclingquoten der EU erreicht werden. Dieser Schritt wurde im Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft der EU angegangen und im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aufgegriffen. Nun gilt es, die Anerkennung von chemischem Recycling, etwa im Verpackungsgesetz, auch umzusetzen.
Viele Wege führen zum Ziel
Das Recycling von Plastikabfällen spielt für die Chemiebranche eine wichtige Rolle, um ihr Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen und dafür ihre Rohstoffbasis umzustellen, also perspektivisch keine fossilen Rohstoffe mehr zu nutzen. Neben dem Recycling von Plastikabfällen müssen hierfür weitere Innovationen zum Tragen kommen, um Kohlenstoff im Kreis zu führen und neue Rohstoffquellen zu erschließen. Vielversprechend ist hier der verstärkte Einsatz nachwachsender Rohstoffe und der Einsatz von CO2 zusammen mit treibhausgasarm erzeugtem Wasserstoff als Rohstoff. Gerade letztere Technologie muss noch stark skaliert werden, bedarf großer Mengen erneuerbaren Stroms, bietet aber perspektivisch die Chance einer aktiven Reduktion von CO2 in der Atmosphäre.
Wichtig ist, dass die Politik all die erwähnten Innovationen und Technologien als Bausteine einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe versteht. Grundsätzlich erfordert eine funktionierende Kreislaufwirtschaft alle Beiträge, sowohl bezüglich des Produktdesigns als auch des Umgangs mit Plastik nach der Produktnutzenphase. Das muss sich auch in der im Koalitionsvertrag angekündigten nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie widerspiegeln. Nur so wird es gelingen, Rohstoffe einzusparen und wiederzuverwenden, was langfristig auch einen erheblichen Beitrag zur Unabhängigkeit von Rohstoffimporten leisten kann und somit die Krisenresilienz steigert.
Rezyklate nachhaltig stärken
Schlussendlich müssen Rezyklate in einer Kreislaufwirtschaft auch eingesetzt werden, was nur durch einen funktionierenden Markt für Rezyklate gelingt. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es unterschiedliche Ideen wie unter anderem Recyclingquoten. Die Herausforderung ist dabei, genügend hochwertige Rezyklate bereitzustellen, um die Quoten erfüllen zu können. Dazu sind zukünftig wichtige Weichenstellungen notwendig. Es braucht gemeinsame Standards für einen EU-Binnenmarkt für Rezyklate und ein EU-weites und einheitliches Deponieverbot für Plastikabfälle, damit wertvolle Rohstoffe auch genutzt werden können.
Schließlich können Rezyklate aus dem chemischen Recycling im Falle ihrer regulatorischen Anerkennung einen entscheidenden Beitrag durch zum Ausbau einer Kreislaufwirtschaft mit Kunststoffen leisten. Nur so können produktspezifische Zielgrößen für den Rezyklateinsatz ein wichtiger Treiber für die umfassende Kreislaufwirtschaft sein.
Weltweit
Grundsätzlich müssen die Kreislaufwirtschaft und der nachhaltige Umgang mit Kunststoffen global gedacht werden. Deshalb unterstützt der Chemieverband das Vorhaben der Vereinten Nationen, ein Abkommen zur Bekämpfung des Plastikmülls in der Umwelt auszuarbeiten, das den ganzen Lebensweg von Kunststoffprodukten in den Blick nimmt. Das Abkommen zielt auf Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ab, umfasst alle angesprochenen Beiträge zu einer Kreislaufwirtschaft und nicht zuletzt den Auf- und Ausbau von Abfallinfrastruktur, wo er dringend benötigt wird und noch zu viel Müll in der Umwelt landet.
Dr. Jörg Rothermel
Geschäftsführer Energie, Klimaschutz und Rohstoffe, VCI
rothermel@vci.de
Foto: VCI