Im Kreislauf denken & Kunststoffe nachhaltig nutzen
Für eine Kreislaufwirtschaft der Kunststoffe sind Wirtschaft und Politik gefordert, neue Wege zu gehen. Der VDI zeigt in einem Green Paper, wie das geht.
Kunststoffe als wiederverwendbare Rohstoffe zu bewerben, wird zum Mainstream. Diese praktisch im Kreislauf zu führen, ist in vielen Bereichen jedoch weiterhin Zukunftsmusik. Die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit resultiert nicht zuletzt aus fehlenden, branchenübergreifenden Kooperationen.
Diese Zusammenarbeit als System ist essenzielle Komponente für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft der Kunststoffe. Was es für diese „Circular Economy“ braucht, ist ein kreislaufübergreifendes Bewusstsein und eine Wertschöpfung, die sich konsequent auf den Einsatz von Rezyklaten ausrichtet.
Mitwirken aller notwendig
Genutzte Kunststoffe müssen als Rohstoffquellen verstanden und genutzt werden. Dieser grundlegende neue Umgang mit Kunststoff bedarf einer breiten Akzeptanz und der Mitwirkung aller Akteure in der Wertschöpfungskette. Es reicht somit nicht, allein den Verwertern und den Recyclingunternehmen den Umgang mit genutzten Kunststoffen zu überlassen. Allen Unternehmen muss klar sein, dass der Abfall von heute ihr Rohstoff von morgen sein wird.
Das aktuelle Verständnis einer linearen Wirtschaft, bei der ein Unternehmen B meist nur mit seinem Lieferanten und seinem Kunden in Beziehung steht, ist nicht kreislaufgerecht. Eine Umstellung hin zu einer Kreislaufwirtschaft bedeutet, die Wertschöpfungskette grundlegend zu verändern:
Von der Chemie und den Verarbeitern über die Produktdesigner bis zu den Recyclern: Alle Akteure müssen zusammenarbeiten und ein gegenseitiges Verständnis für die Tätigkeitsbereiche, Anwendungskontexte und Problembereiche der anderen Kreislaufpartner aufbauen. Die Kette muss an beiden Enden zusammengeführt werden.
Die Hürden des Kreislaufs
Historisch gewachsene Strukturen, verschiedenste Geschäftsmodelle in der Kunststoffwirtschaft und ein gegenwärtiger Fokus auf Verwertungsunternehmen im gesetzgeberischen Verständnis für Recyclingthemen resultieren in konträren Erwartungen und Verständnissen entlang der Wertschöpfungskette. Die Resultate sind eine starke Fragmentierung und reichlich Hindernisse für das Umstellen auf einen Kreislauf. Der geringe Rezyklateinsatz in neuen Kunststoffprodukten spiegelt diese Herausforderungen. Er beträgt in Deutschland lediglich 8,5 %.
Gleichzeitig steigt der Druck an verschiedenen Fronten, endlich rohstoffunabhängiger zu werden. Der Klimawandel, fragil gewordene Lieferketten und Staaten, die sich nicht scheuen, ihr Rohstoffvorkommen als ökonomisches Druckmittel einzusetzen, zeigen das.
Doch wie gelingt eine Umwandlung der Wertschöpfung, eine Transformation hin zu kreislaufgeführten Kunststoffen bei all diesen Herausforderungen?
Die Marktteilnehmern allein für diese Transformation verantwortlich zu machen, hat bisher nicht zum umfänglichen Erfolg geführt. Was es braucht sind verlässliche Rahmenbedingungen sowie einen konstruktiven Dialogprozess, um eine Zusammenführung sämtlicher Kreislaufstufen zu ermöglichen.
Runder Tisch des VDI
Exemplarisch hat der VDI ab 2019 einen Round Table mit Vertretern aller acht Kreislaufstufen initiiert. Das Kreislaufschema zeigt, wie diese Stufen die vier Segmente Rohstoff, Produkt, Markt und Abfall repräsentieren.
Der Prozess setzte darauf, ein gemeinsames Verständnis für die jeweiligen Handlungshintergründe und Motivationen zu erarbeiten. Es muss allen klar werden, warum in manchen Stufen gewisse Handlungen und Produktionsweisen vorherrschend sind. Hierfür stand am Anfang die breite Problemidentifikation im Zentrum des Dialogs.
Über mehrere Sitzungen galt es in dem Round Table-Format die Problemstellungen und Bedürfnisse der Stufen in Gänze zu identifizieren und vergleichbar zu machen. Es wurde in einem moderierten Dialog ein Bewusstsein des Zusammenwirkens der einzelnen Stufen erarbeitet. Nach dem gemeinsamen Abwägen und der Zusammenführung der Herausforderungen wurden Lösungswege aufgezeichnet. Der Expertenkreis entwickelte konkrete Lenkungsinstrumente und bewertete diese. So wurden kriteriengeleitete Lösungswege eröffnet, die die Bedürfnisse und Möglichkeiten jeder einzelnen Stufe berücksichtigen.
Es wurden bei jeder der acht Kreislaufstufen individuelle Potenziale, Herausforderungen und konkrete Schlussfolgerungen erarbeitet. Beispielsweise eröffnet sich die Perspektive für die chemische Industrie, zukünftiger Lieferant von dann recycelten Rohstoffen zu werden. Die Chemie kann so das Bindeglied zwischen der letzten Kreislaufstufe – den Verwertern und Recyclern – und der ersten Stufe werden.
Durch die gesamte Breite des Round Table und auch der Teilnahme von Umwelt- und Verbraucherverbänden sowie Akteuren aus der Politik konnte bei sämtlichen Beteiligten ein besseres Verständnis für ein System der Kreislaufwirtschaft gewonnen werden und auch aus diesen Perspektiven an der Entwicklung von Positionen und Handlungsempfehlungen mitgewirkt werden.
Das daraus entstandene Green Paper „Circular Economy für Kunststoffe neu denken“ zeichnet somit ein vollständiges Bild des Kreislaufs, legt die am Round Table gewonnenen Empfehlungen und Sichtweisen dar und zeigt Wirtschaft und Politik auf, welche Hürden zu überwinden sind und welche politischen Lenkungsinstrumente optimal sind, um eine Circular Economy umzusetzen.
Klarer Fokus auf Rezyklate
Neben dem Zusammenarbeiten der Kreislaufstufen steht im Kern der Ergebnisse die Herausforderung, das gesamte System auf das Erzeugen und Nutzen hochwertiger Rezyklate und anderer stofflicher Verwertungsprodukte auszurichten. Aktuell ist die Bereitstellung von Rezyklaten in guten Qualitäten und wettbewerbsfähigen Preisen zu Rohstoffen aus Rohöl ungelöst. Vereinfacht gesagt: Rezyklate sind zu teuer. Neben dem Preis ist auch die Menge viel zu gering, als das Unternehmen einfach umsteigen könnten. Selbst wenn sie bereit wären, mehr zu zahlen.
Unter diesen Voraussetzungen kann die Nachfrage nach Rezyklaten trotz Dialog kaum steigen. Doch solange die Nachfrage nicht steigt, wird der Preis für hochwertige Rezyklate nicht sinken und deren Nutzung bleibt weiterhin unwahrscheinlich – ein ökonomisches Patt. Doch es gibt Wege, diesen gordischen Knoten zu zerschlagen: Es sind der Einsatz von Quoten und ökonomischen Anreizen.
Quoten für Rezyklate und Verlässlichkeit
Sinnvoll gestaltete und allmählich ansteigende Quoten könnten das Angebot an Rezyklaten steigern sowie die Nachfrage erhöhen. Dazu braucht es einen funktionierenden Markt für Rezyklate, der Planungssicherheit erzeugt und Investitionen anreizt. Die Round Table-Teilnehmer haben hierfür zwei Quoten ins Zentrum gerückt: eine produktspezifische Rezyklat-Einsatzquote und eine polymerspezifische Substitutionsquote.
Eine Einsatzquote schreibt eine Mindestmenge an Rezyklat pro Produkt oder Produktgruppe fest. Das bekannteste Beispiel sind Flaschen aus Polyethylenterehthalat (PET), die ab 2025 EU-weit einen Rezyklatanteil von mindestens 25 % besitzen muss. Dies hat bereits die Nachfrage nach PET-Rezyklaten erhöht und somit in der Entsorgungs- und Recyclingwirtschaft zu einer Investitionssicherheit geführt.
Bemängelt wird bei diesem Ansatz allerdings die schier erschlagende Aufgabe, für sämtliche Produktgruppen eine Regulierung zu erarbeiten und diese auch zu kontrollieren.
Quoten für Rohware
Anders die Substitutionsquote: Diese rückt die Kunststofferzeugung ins Zentrum. Die Idee ist, dass Kunststofferzeuger einen Mindestanteil ihrer am Markt abgesetzten Kunststoffe aus nicht-fossilen Rohstoffen wie Rezyklaten und anderen stofflichen Verwertungsprodukten generieren sollen.
Diese Quote soll Wettbewerbsnachteile von Rezyklaten verringern und alle nachgelagerten Wertschöpfungsketten mit ausreichend und qualitativ angemessenen Mengen an Kunststoffen mit Rezyklatanteil versorgen.
Die Aufgabe, eine Vielzahl von Produktgruppen regulieren zu müssen, entfällt bei dieser Quote. Doch besteht die Gefahr, dass ein Wettbewerbsnachteil für Marktteilnehmer entsteht, insbesondere für die Bereiche, die dem internationalen Wettbewerb stark ausgesetzt sind und hier mit nicht regulierten Produkten konkurrieren müssen. Hier bedarf es WTO-konformer Grenzausgleichsmechanismen.
Marktwirtschaftliche Steuerung
Neben den Quoten sollten auch marktwirtschaftliche Steuerungsinstrumente eingesetzt werden. Deren Zweck ist klar: Dem Einsatz von Rezyklaten im Markt einen Vorteil verschaffen. In der unternehmerischen Kalkulation soll das Mitwirken an der Kreislaufführung und dem Herstellen und Einsetzen von Rezyklaten attraktiver werden, als rein mit fossilen Rohstoffen zu wirtschaften.
Intelligenter Mix
Die Möglichkeiten sind vielfältig. Eine Bepreisung fossiler Rohstoffe abhängig vom Anteil nicht zirkulärer Rohstoffe ist eine Option wie auch eine steuerliche Bevorteilung beim Einsatz von Rezyklaten oder eine Anrechnung der eingesparten CO2-Emissionen auf den Gesamtausstoß des Unternehmens in der Form einer Massenbilanzierung.
Ein intelligenter Mix dieser regulatorischen Lenkungsinstrumente wirkt hierbei über allein ökonomische Faktoren hinaus. Den Gliedern der Wertschöpfungskette soll ein verlässlicher Pfad und verbindliche Meilensteine aufgezeigt werden. Anhand konkreter Maßgaben müssen die Kreislaufstufen sich auf den Einsatz von Rezyklat umstellen.
Es gibt somit zwar keine Universallösung, die eine Etablierung einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe schnell und unkompliziert möglich machen kann, doch bestehen realistische Lösungswege, den Umgang mit Kunststoffen neu zu denken.
Der VDI setzt hierbei auf einen intelligenten Mix der verschiedenen Lenkungsoptionen unter Berücksichtigung der jeweiligen technischen, ökologischen, ökonomischen und regulativen Chancen und Herausforderungen. So wird der Weg zu einer umfassenden Kreislaufführung von Kunststoffen machbar.
Dr. Volker Brennecke
Leiter Politik und Gesellschaft, VDI
brennecke@vdi.de
Maximilian Stindt
Referent für Public Affairs und Stakeholder Management, VDI
maximilian.stindt@vdi.de