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Kunststoffhersteller für nachhaltigen Kunststoff 03.10.2023, 11:59 Uhr

Ist Plastik zukunftsfähig?

PlasticsEurope Deutschland, der Verband der Kunststoffhersteller, plädiert für einen verantwortungsvollen Umgang mit Plastik. Die Kreislaufwirtschaft wird immer wichtiger wie auch der Umstieg auf Kunststoffe, die nicht aus Erdöl hergestellt wurden.

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Gefärbte Polymere in Testgläsern.

Foto: PantherMedia/XXLPhoto

Kunststoffe sind überall. Kunststoffe sind umstritten. Kaum ein anderer Werkstoff steht so sehr in der Kritik wie Plastik. Ist das falsch? Die Nachfrage nach Kunststoffen steigt nach wie vor kontinuierlich. Der Markt wächst und wächst, seit nunmehr 70 Jahren. Kann das, wird das, darf das so weitergehen?

Vor 2,5 Jahren habe ich die Leitung von PlasticsEurope Deutschland übernommen, das ist ein Industrieverband, der die Interessen der Hersteller von Kunststoffen gegenüber der Politik und auch in den Medien vertritt. Mich sprechen viele Menschen aus der Wirtschaft, aber auch aus der Gesellschaft an. Fünf Fragen, die mir am häufigsten gestellt werden, möchte ich heute einmal beantworten.

In der EU haben wir doch längst Einwegplastik verboten, warum wird immer noch so viel Plastikmüll produziert?

Ich denke es ist gut, wenn wir die Nutzung von Einwegartikeln so stark wie möglich einschränken, im besten Fall ganz darauf verzichten. Ganz gleich aus welchem Material diese hergestellt sind. Viele dieser Einweganwendungen sind mit keinen, oder nur mit minimalen Einschränkungen in unserem Alltag verzichtbar. Plastik wird trotzdem produziert und genutzt, teilweise sogar noch mehr. Denn während viele Einwegartikel auch aus Papier oder Verbundmaterialien sind, sind die meisten Mehrwegbecher oder -Schalen aus Kunststoffen. Das ist aus meiner Sicht verantwortungsvoll, denn entscheidend ist, wie der Fußabdruck des Artikels entlang des gesamten Lebenszyklus ist und dass wir die Umwelt am Ende nicht belasten.

An einen Strand gespälter Plastikmüll und anderer Abfall.

Foto: PantherMedia/sablin

Die Meere und unsere Umwelt leiden, Plastik belastet unser Klima, wann hört das endlich auf?

Unsere Industrie – auch hier ist sie ein Abbild unserer Gesellschaft – hat viel zu lange in großem Maße produziert und konsumiert, ohne sich über die Auswirkungen auf unsere Umwelt und das Klima Gedanken zu machen. Das war falsch. Heute sind wir einen Schritt weiter. Wir haben uns genau angeschaut, wie sich unsere Produktionssysteme und die Produkte aus Kunststoffen auf unsere Umwelt auswirken. Unser Ziel ist es, einen Systemwechsel herbeizuführen. Wir können und dürfen die steigende Nachfrage nach Kunststoffen nur bedienen, wenn wir es schaffen innerhalb der planetaren Grenzen zu bleiben. Heute ist das nicht der Fall. Heute sind wir bei den Treibhausgasen, bei der Integrität der Biosphäre, atmosphärische Aerosolbelastung und der Versäuerung des Ozeans nicht im Soll. Wir belasten unsere Natur über Gebühr. Wir haben aber Lösungen dafür entwickelt und wollen uns in den kommenden zwei Jahrzehnten komplett transformieren. Allein der Umstieg auf nicht-fossile Rohstoffe trägt maßgeblich dazu bei. Wir können und müssen Kunststoffe ohne Erdöl produzieren.

Müssen wir aufhören, Plastik zu nutzen, um nachhaltig zu werden?

Das hängt ganz davon ab. Richtig eingesetzt sind Kunststoffe oft eine bessere Alternative als andere Materialien. Entscheidend ist für mich, dass wir in allen Produkten nicht nur die Verarbeitung oder die Leistung eines Materials darüber entscheiden lassen, ob wir es einsetzen. Sondern in Zukunft müssen wir immer die richtige Balance finden zwischen Leistung, Verarbeitung, Recyclingfähigkeit und den Auswirkungen auf Klima und Umwelt. Dafür braucht sehr viel mehr Transparenz innerhalb der Wertschöpfungskette und auch gegenüber Konsumenten. Deshalb bin ich auch dafür, dass wir Einsparungen von fossilen Rohstoffen und auch CO2 Emissionen deutlich machen. In einigen Fällen, bei den wichtigen Wenden, die wir uns vornehmen, wie der Energiewende (Photovoltaik, Windräder, Energiespeicher), der Mobilitätswende (E-Autos, Busse, E-Roller und E-Bikes), dem energieeffizienten Bauen, sowie der Digitalisierung, steigt die Nachfrage nach Kunststoffen deutlich an. Denn all diese Geräte und die nötige Infrastruktur können nur mit Kunststoffen funktionieren.

Seit 20 Jahren spricht die Industrie von der Kreislaufwirtschaft, wann passiert da endlich was?

In den vergangenen Jahren ist sehr viel passiert, was die Produktions- und die Recyclingtechnologien angeht. Hier ist die Gesetzgebung noch weit hinterher und muss unbedingt Rahmenbedingungen schaffen, die die Transformation ermöglichen und Anreize setzen. Hier geht es um Klimaschutz, um Ressourcenschonung, aber auch darum, dass Deutschland als rohstoffarmes Land, unabhängiger von fossilen Ressourcen und Importen wird. Hier wird hoffentlich in den kommenden Monaten einiges passieren, denn es gibt auf Bundesebene wichtige Vorhaben wie die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie und die Transformationsallianz. Gleichzeitig tut sich gerade viel an dem größten Hebel für die Kreislaufwirtschaft, nämlich beim Produktdesign. Viele Hersteller von Kunststoffen und die Designer von Konsumprodukten entwerfen heute neue Produkte gemeinsam und denken den Ressourceneinsatz, aber auch das Recycling von vorn herein mit.

Befestigte Flaschendeckel und leicht abziehbare Etiketten: PET-Getränkeflaschen sind bereits heute oft so designt, dass sie sich leicht recyceln lassen und wenig Material verloren geht.

Foto: PlasticsEurope Deutschland

Hat die Industrie mit ihren Milliardengewinnen nicht viel zu viel Einfluss auf die Politik und kann Gesetze nach ihren Bedürfnissen beeinflussen?

Unsere Industrie ist in Deutschland tatsächlich sehr groß. Wir beschäftigen ungefähr eine halbe Millionen Menschen, wir zahlen Milliardenbeträge an Steuern und haben einen großen Einfluss auf die Volkswirtschaft. Gleichzeitig kommen aus Deutschland viele der innovativsten Ideen und Köpfe, wenn es um Kunststoffe und Kreislaufwirtschaft geht. Wir können Vorreiter sein – praktisch das Reallabor für Kreislaufwirtschaft weltweit. Das führt zu viel Aufmerksamkeit in der Politik. Wir finden regelmäßig Gehör und PolitikerInnen wollen verstehen, was die Herausforderungen und auch die Chancen sind. Wir leben aber zu unserem großen Glück in einer lebhaften Demokratie, in der es in der Politik immer darum geht, die Belange und Perspektiven aller zusammen zu führen und Kompromisse zu schließen. Verbände, ob nun Industrie- oder Umweltverbände, haben das Privileg und die Aufgabe, einen Beitrag zur Meinungsbildung zu leisten. Wir haben alle keinen Freifahrtschein.

https://plasticseurope.org/de/

Von Ingemar Bühler

Ingemar BühlerIngemar.Buehler@Plasticseurope.de