Kunststoffe künftig kreislauffähig und klimaneutral
Ein Leverkusener Kunststoffhersteller will durch innovatives Recycling und den Einsatz alternativer Rohstoffe und erneuerbarer Energien die Kunststoffwelt schrittweise neu gestalten. Er setzt dabei auf Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen - in Deutschland und weltweit.
Klimawandel, Kreislaufwirtschaft, wachsende Weltbevölkerung, zunehmende Urbanisierung: Globale Entwicklungen wie diese sind enorme Herausforderungen. Kunststoffe spielen eine entscheidende Rolle, sie zu meistern. Neben ihrer enormen Flexibilität bei Design und Eigenschaften lassen sie sich nämlich auch aus nicht-fossilen Rohstoffen und klimaneutral herstellen und am Ende ihres Lebens sogar vollständig recyceln. Unternehmen wie Covestro aus Leverkusen arbeiten intensiv an genau diesen Faktoren.
Es braucht aber noch große Anstrengungen: Damit Kunststoffe klimaneutral hergestellt werden können, müssen Unternehmen ausreichend erneuerbare Energien für ihre Anlagen beziehen können, die letztlich so viel Strom verbrauchen wie ganze Städte. Damit Kunststoffe zudem aus alternativen Rohstoffen hergestellt werden können, müssen diese in ausreichender Menge ‒ das sind langfristig Millionen Tonnen an alternativen Rohstoffen pro Jahr – zur Verfügung stehen und Produktionsanlagen und -technologie entsprechend weiterentwickelt werden.
Damit Kunststoffe am Ende ihres nützlichen Lebens nicht bloß in den Müll wandern, müssen sowohl entsprechende Wertschöpfungsketten aufgebaut – sprich der Müll gesammelt, sortiert und zu Recyclinganlagen gebracht werden – als auch notwendige Recyclingtechnologien wie das chemische Recycling entwickelt und skaliert werden. Covestro arbeitet in jedem dieser Felder. Wie eine Zukunft der Kunststoffe aussehen kann, soll hier daher beispielhaft an den Bemühungen des Leverkusener Konzerns erklärt werden.
Basis dafür ist die die Kreislaufwirtschaft, die Covestro sowohl in der Unternehmensvision als auch mit der Unternehmensstrategie verfolgt. Diese Vision ruht auf den vier Säulen „innovatives Recycling“, „alternative Rohstoffe“, „erneuerbare Energien“ und „gemeinsame Lösungen“.
Innovativ recyceln
Was lange Zeit als schwierig galt, will Covestro ermöglichen: Kunststoffe nahezu unendlich im Kreis führen. Recycelt wird auch heute schon. Doch Recycling ist nicht gleich Recycling. Die bekannteste Variante ist das mechanische Recycling. Sie eignet sich besonders für sortenreine Abfallströme, bei denen der recycelte Kunststoff den Anforderungen der zukünftigen Anwendung entspricht.
Die Grundstruktur des Ausgangsmaterials wird dabei nicht verändert. Der Kunststoff, beispielsweise Polycarbonat, wird geschreddert, eingeschmolzen und zu Granulat weiterverarbeitet. Covestro macht dies ‒ auch weltweit: Zum Beispiel in einer seit Januar 2020 bestehenden Zusammenarbeit mit dem chinesischen Getränkehersteller Nongfu Spring und dem australischen Recycling-Unternehmen Ausell. Dabei werden von Nongfu Spring vorsortierte Wasserkanister aus Polycarbonat von Ausell in China zu Granulat verarbeitet. Covestro mischt dann dieses Granulat an seinem Standort Caojing in Shanghai mit Neumaterial, woraus wiederum neue Wasserkanister entstehen können.
Mechanisches Recycling stößt aber an Grenzen. Das so wiederverwertete Material verliert mit jedem Recycling an Qualität. Auch lassen sich so recyceltem Material keine beliebigen oder benötigten Eigenschaften geben. Wird kein Neumaterial hinzugemischt, kommt es zum „downcycling“, also der Verwendung von solchem Material in Produkten mit immer niedrigerer Qualität. Und dies so lange, bis das Material gänzlich unbrauchbar ist und schließlich im Abfall landet.
Hier kommt chemisches Recycling ins Spiel. Seit einigen Jahren forscht Covestro in diesem Feld. Mit Hilfe dieser Methode wird es möglich sein, alte Kunststoffe so zu recyceln, dass sie wie Neumaterial genutzt werden können. Dafür wird Abfallmaterial – wie Polyurethanschaum aus alten Matratzen – mithilfe chemischer Vorgänge wieder in seine chemischen Bestandteile zerlegt. Aus einem Endprodukt werden also wieder die Rohmaterialien, aus denen es besteht. Und diese Rohmaterialien können wiederum eingesetzt werden wie Neumaterialien.
Die Technik ist nicht trivial, die Entwicklung benötigt Zeit und Ressourcen, auch von Partnern entlang der Wertschöpfungskette. Sollte sie irgendwann von einer Pilotanlage in eine großindustrielle Anlage überführt werden, müssten etwa Matratzen in größerem Stil und in verwendbarer Form zum Unternehmen gelangen. Neben der Entwicklung des chemischen Prozesses braucht es daher starke Partnerschaften.
Erste Erfolge sind aber bereits zu verzeichnen: Beim Recycling von Polycarbonat sowie hartem und weichem Polyurethan-Schaumstoff, der wiederum aus sogenannten Polyolen und Isocyanaten als Rohstoffen besteht, hat Covestro die Machbarkeit bewiesen und betreibt am Standort in Leverkusen eine kleinere Pilotanlage für Matratzenschaum. Dort zeigt das Unternehmen, wie es funktionieren kann und verfeinert die Technik weiter. Für das Aufbereiten der Abfälle ist der Konzern beispielsweise mit Partnern wie Interzero Holding aus Köln oder in Konsortien unter Beteiligung von Unternehmen aus der Abfallwirtschaft im Austausch.
Gemeinsam lösen
Das Beispiel des Recyclings zeigt, der Weg hin zur Kreislaufwirtschaft ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, bei dem die Unterstützung von allen Beteiligten nötig ist. Kunststoffe sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, ob in E-Autos, in Windkraftanlagen und Solarpaneelen oder in unseren Matratzen. Modernes Leben oder auch der Kampf gegen den Klimawandel sind ohne sie nicht denkbar. Nun muss der Fokus auf den verantwortungsbewussten Umgang mit dem Material liegen. Die Wegwerfgesellschaft muss sich wandeln. Dafür braucht es den Willen und die Bereitschaft jedes und jeder Einzelnen, die Unterstützung der Politik und Regulierung sowie wertschöpfungskettenübergreifende Zusammenarbeit – beispielsweise mit Grünstrom-Anbietern, mit Abfallentsorgungsunternehmen, aber auch mit Kunden und Partnern oder in Konsortien wie der „Alliance to End Plastic Waste“ mit Sitz in Singapur, zu der sich führende Kunststoffhersteller Anfang 2019 zusammengeschlossen haben. In diesem weltweiten Netzwerk setzen sich mehr als 70 Unternehmen für die Verringerung von Kunststoffabfällen in der Umwelt ein.
Alternative Rohstoffe
Kohlenstoff ist die Basis für die Herstellung von Kunststoffen. Um den nötigen Kohlenstoff zu gewinnen, hängt die Kunststoffindustrie momentan noch von fossilen Rohstoffen wie Erdöl ab. Doch Kohlenstoff liegt auch in anderer Form mehr als genug vor. Covestro setzt daher auf den Dreiklang Biomasse, CO2 und recycelte Materialien. Biomasse kann vieles sein: Stroh, Holz oder Algen, Essensreste oder klassische Industriepflanzen wie Mais, Raps oder Zuckerrüben. Aus ihnen allen lassen sich chemische Vorprodukte herstellen. Der Vorteil: Öl bleibt im Boden, dessen energie- und emissionsintensive Aufbereitung wird vermieden. Covestro kauft dafür beispielsweise Rohstoffe auf alternativer Basis ein. Ein Beispiel hier ist die Substanz Phenol, die die Unternehmen Neste aus Finnland und Borealis aus Österreich aus Abfall- und Rückstandsölen oder -fetten herstellen.
Erneuerbare Energien
Eine echte Kreislaufwirtschaft, die zum Klimaschutz beiträgt, erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Das bedeutet, dass nicht nur die Rohstoffnutzung verbessert werden muss, sondern auch die Energieversorgung. Covestro arbeitet dafür beispielsweise seit Jahren an der Effizienz seiner Anlagen. Im Vergleich zum Referenzjahr 2005 hat der Konzern so bereits seine spezifischen Treibhausgasemissionen halbiert.
Bis zum Jahr 2035 möchte das Unternehmen zudem Netto-Null Treibhausgasemissionen für Scope 1 und Scope 2 an allen umweltrelevanten Standorten erreichen. Ein Kernaspekt ist daher auch Energie aus erneuerbaren Quellen. Bereits zum Ende 2023 wird Covestro rund 18 Prozent seines weltweiten Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien decken. Das funktioniert über so genannte Stromlieferverträge, von denen der Konzern etliche auf der ganzen Welt und in Größenordnungen von hunderten von Gigawatt abgeschlossen hat. Das hilft dem Konzern und der Umwelt, das unterstützt aber auch beispielsweise Windparkbetreiber und Windturbinenhersteller, die mit so abgeschlossenen Verträgen Planungssicherheit bekommen. Jeder abgeschlossene Vertrag sendet wichtige positive Signale in die derzeit speziell in Europa von Herausforderungen gebeutelte Branche.
Das Beispiel Covestro zeigt: Kunststoffe sind wichtig für eine klimaneutrale, für eine Kreislaufwirtschaft. Die Branche hat das erkannt und arbeitet aktiv auf dieses Ziel hin. Es ist ein langer Weg dorthin. Einer, der Jahrzehnte dauern und etliche unkonventionelle Lösungen erfordern wird. Eine Herausforderung, der sich Covestro und die Branche stellt. Kunststoffe sind die Zukunft, die Zukunft der Kunststoffe ist die Kreislaufwirtschaft.
Dr. Andreas Binder
Head of Sustainability Transformation & Business Building Covestro AG.
andreas.binder@covestro.com
Foto: Covestro