Fakten zu Phosphor und zu Klärschlamm
Klärwerksbetreiber sollen Phosphor aus Klärschlamm zurückgewinnen. Das beschloss die Bundesregierung 2017, um die Abhängigkeit von Phosphoreinfuhren zu senken. Noch in diesem Jahr müssen kommunale Klärwerksbetreiber entscheiden, wie sie Phosphor aus Klärschlamm von 2029 beziehungsweise 2032 an zurückgewinnen wollen.
Phosphor ist ein Pflanzennährstoff und Baustein der Nukleinsäuren in DNA und RNA, somit ist Phosphor fester Bestandteil der Erbsubstanz aller Lebewesen und spielt auch als Komponente des Adenosintriphosphats (ATP) eine entscheidende Rolle im Energiestoffwechsel aller Zellen.
Auch Pflanzen brauchen Phosphor. Ausreichend vorhanden, fördert das chemische Element die Blüten-, Frucht- und Samenbildung. Phosphormangel führt bei Pflanzen zu Kümmerwuchs, Rotfärbung der Blätter. Es ist ein limitierender Faktor beim Pflanzenwachstum.
Der Phosphorbedarf der deutschen Lebensmittelproduktion liegt bei jährlich rund 533 000 t Phosphor aus Wirtschafts- und Mineraldüngern. Das hat der Wissenschaftliche Beirat für Düngungsfragen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2020 in seinem Bericht „Recyclingphosphate in der Düngung – Nutzen und Grenzen“ geschrieben. Den größten Anteil davon deckt die Landwirtschaft über organische Dünger wie Wirtschaftsdünger, Gärreste, Komposte, tierische Nebenprodukte sowie immer noch Klärschlamm. Der Phosphor-Anteil in diesen organischen Düngern beträgt 380 000 t.
Phosphor für Mineraldünger
Weitere 81 000 t Phosphor kamen in den letzten drei Wirtschaftsjahren, also 2019 bis 2022, in mineralischen Düngemitteln dazu. Um den Phosphor hierfür herzustellen, wird Phosphatgestein abgebaut. Die Ressource Phosphor steht aber nicht überall gleichermaßen zur Verfügung. Rund 90 % der bekannten globalen Phosphorreserven liegen im Besitz weniger Länder.
Deutschland selbst besitzt keine Phosphor-Lagerstätten und ist komplett auf Importe angewiesen. Weil jedoch Phosphor lebenswichtig ist, gilt er in der EU als kritischer Rohstoff. Die Europäische Kommission hat ihn 2017 in die Liste der versorgungskritischen Rohstoffe aufgenommen, nachdem 2014 zunächst Phosphatgestein in diese Liste aufgenommen wurde.
Um unabhängiger von Phosphoreinfuhren zu werden, hat die Bundesregierung 2017 die Klärschlammverordnung, kurz AbfKlärV, novelliert. Von 2029 an soll ein Teil des lebenswichtigen Elements aus Klärschlamm oder Klärschlammasche zurückgewonnen werden. Um dies zu ermöglichen, wurden in den vergangenen Jahren und werden noch aktuell verschiedene Verfahren zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm in Deutschland entwickelt und erprobt. Die ersten großtechnischen Anlagen wurden gebaut und in den kommenden Jahren werden weitere folgen.
Zeitliche Fristen
Von 2029 an dürfen große Kläranlagen mit einer Ausbaugröße von mehr als 100 000 Einwohnerwerten (EW) ihren Klärschlamm nicht mehr auf landwirtschaftliche Flächen ausbringen; von 2032 an gilt dies auch für alle Kläranlagen einer Größe von mehr als 50 000 EW.
Von da an dürfen nur kleinere Kläranlagen ihren Klärschlamm auf landwirtschaftliche Flächen ausbringen. Dies betrifft vor allem Kläranlagen im ländlichen Raum, die gering durch Industrien und Verkehr von Schadstoffen belastet werden.
Die Zwei-Prozent-Grenze
Alle Klärschlämme, die dann nicht mehr in die Landwirtschaft gehen dürfen und mindestens 2 % Phosphor in der Trockenmasse enthalten, müssen in ein Phosphorrecycling gehen. Hier gibt es zwei Vorgaben:
Wird Phosphor aus Klärschlamm zurückgewonnen, muss mindestens 50 % des Phosphors aus Klärschlamm recycelt werden. Wird Phosphor aus Klärschlammasche recycelt, muss mindestens 80 % des Phosphors aus der Asche zurückgewonnen werden.
Klärschlamm kann auch mit anderen Verfahren, die mit Wärme arbeiten, behandelt werden. Ein Beispiel ist die hydrothermale Karbonisierung (HTC), ein zweites die Pyrolyse. Wird dabei Phosphor aus dem Klärschlamm abgetrennt und zurückgewonnen, gilt die 50 %-Quote bezogen auf den Phosphorgehalt im Klärschlamm.
Befindet sich der Phosphor danach in der Kohle oder im Pyrolysat, sieht es anders aus: Da diese kohlenstoffhaltigen Reststoffe weder nach der deutschen Düngemittelverordnung noch nach der Düngeprodukteverordnung der EU als Phosphordüngemittel zugelassen sind, müssen sie weiter behandelt werden. Geschieht dies, gelten diese Verfahren als thermische Vorbehandlungen und dann muss 80 % des Phosphors aus der Kohle oder dem Pyrolysat recycelt werden.
Unter zwei Prozent
Klärschlämme, die weniger als 2 % Phosphor in der Trockenmasse enthalten, dürfen auch mit anderen Abfällen mitverbrannt und entsorgt oder in Zement- sowie Kohlekraftwerken eingesetzt werden. Die meisten Klärschlämme werden bald voraussichtlich thermisch verwertet.
Wer allerdings aktuell seinen Klärschlamm anderweitig entsorgt und dies künftig auch tun will, muss die 2 %-Grenze in der Klärschlammtrockenmasse einhalten. Hierfür können Struvit-Verfahren direkt auf Kläranlagen eingesetzt werden.
Phosphor recycelt – Theorie & Praxis
Würde die gesamte Menge des in Deutschland anfallenden Klärschlamms aus der öffentlichen Abwasserbehandlung von 1,71 Mio. t Trockenmasse, also rund 50 000 t Phosphor, für den Düngeeinsatz in der Landwirtschaft verwendet werden, könnte sie knapp 10 % des gesamten Phosphorbedarfs decken. Im Schnitt der vergangenen drei Wirtschaftsjahre wurden in Deutschland 81 000 t Phosphor als mineralische Düngemittel abgesetzt. Die 50 000 t Phosphor im Klärschlamm entsprechen 61 % davon. Soweit die Theorie.
Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) hat 2021 mit dem Institut für Siedlungswasserwirtschaft der RWTH Aachen im Vorhaben „Abschätzung zusätzlich aus Abwasser und Klärschlämmen kommunaler und gewerblicher Herkunft extrahierbarer Wertstoffe“, kurz „extraWert“, festgestellt, dass sich realistischerweise durch Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm 41 bis 46 % des Mineraldüngerabsatzes decken ließen.
Qual der Wahl
Die kommunalen Kläranlagenbetreiber bereiten sich auf die Aufgabe des Phosphorrecyclings vor. Einige schließen sich zu Kooperationen zusammen, um gemeinsam eine Verbrennung und ein Phosphorrecycling zu planen, andere planen selbst auf ihrer Anlage eine Recyclingtechnologie und gründen hierfür Organisationen, wieder andere schreiben die Klärschlammverwertung aus. Ein großer Anteil der Kommunen hat allerdings noch nicht mit der Planung begonnen. Das Angebot an technischen Möglichkeiten ist groß – einige werden in diesem Special vorgestellt.
Viele Kommunen sind zunächst um die Entsorgung besorgt. Sie planen eine Verbrennungsanlage und wollen danach eine Phosphorrecyclinganlage planen. Dies ist ein möglicher Weg: Klärschlämme gesammelt in einer Monoverbrennungsanlage zu verbrennen. Aus der Asche können dann über verschiedene P-Recyclingtechnologien Dünger oder Phosphorsäure hergestellt werden.
Alternativ hierzu gibt es Verbrennungsverfahren, bei denen in den Verbrennungsprozess gezielt Zusatzstoffe zugegeben werden, um Schadstoffe abzureichern. Diese modifizierte Asche kann gegebenenfalls direkt als Düngemittel eingesetzt werden (nach einer Konfektionierung) oder wie andere Aschen in einer Phosphorrecyclinganlage verarbeitet werden. Darüber hinaus gibt es noch andere Verfahren, die mit hydrothermaler Karbonisierung oder Pyrolyse arbeiten.
Alternativ kann Phosphor auch auf der Kläranlage direkt durch eine Fällungsreaktion zurückgewonnen werden. Bei diesem Verfahren wird Struvit (Magnesium-Ammonium-Phosphat MAP) ausgefällt und abgetrennt. Dieses kann nach Konfektionierung als Düngemittel eingesetzt werden, seit einigen Wochen ist es sogar nach EU-Verordnung im Ökolandbau einsetzbar.
Ausblick 2029/2032
Nach aktuellen Daten und Umsetzungen werden viele Kommunen das Ziel Phosphorrückgewinnung von 2029 oder 2032 nur schwer einhalten können.
Die DPP empfiehlt allen Kommunen, sich dringlich mit der Umsetzung der Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm zu befassen, um die gesetzlichen Vorgaben erfüllen zu können. Hierzu zählt auch, die gesamte Bandbreite der Technologien zur Phosphorrückgewinnung zu Beginn eines Vorhabens zu betrachten und die Auswahl des Verfahrens in Abhängigkeit der Gegebenheiten vor Ort zu treffen. Die DPP macht durch Infoveranstaltungen und Fachbeiträge auf das Thema aufmerksam und ist bereit, den Kommunen alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen.
www.deutsche-phosphor-plattform.deTabea Knickel
Geschäftsführerin Deutsche Phosphor-Plattform (DPP)
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Foto: DPP