Phosphor recyceln & Kohlenstoff binden
Wer Klärschlämme karbonisiert, erhält hochwertige Phosphor-Rezyklate. Ein solches Verfahren aus Rheinland-Pfalz bietet Kommunen eine sichere und profitable Lösung im Sinne der Kreislaufwirtschaft, die auch klimafreundlich ist: Abwärme wird gezielt wieder eingesetzt und der Kohlenstoff verbleibt im Boden.
Eine bewährte Lösung für das Bewirtschaften und Recycling von Klärschlämmen ist die Karbonisierungstechnologie der Pyreg GmbH, eines Maschinenbauers mit Sitz in Dörth in Rheinland-Pfalz. Das patentierte pyrolytische Verfahren des Technologie- und Marktführers für Pflanzenkohle-Produktionsanlagen verwertet Klärschlämme zu phosphorhaltigem Recyclingdünger, der in Dänemark, Tschechien und Schweden bereits als Dünger eingesetzt wird. Diese Rückgewinnung von Phosphor in der Abwasseraufbereitung schließt regional Nährstoffkreisläufe und sorgt für Unabhängigkeit von umwelt- und klimabelastenden Rohstoffimporten.
Was nach einer weiteren finanziellen Belastung für Kommunen klingt, ist eine echte Chance. Denn das Recyclingverfahren produziert neben Düngemittel auch regenerative Energie und generiert CO2-Zertifikate, wenn das Karbonisat, also das phosphorhaltige Rezyklat, einer dauerhaften Kohlenstoffsenke wie einer landwirtschaftlichen Nutzfläche zugeführt werden kann.
Die Anlagen des Maschinenbauers sind global an mehr als 50 Standorten im Einsatz. Und sie dienen auch nationalen Umweltbehörden wie der US-amerikanischen EPA als Studien- und Referenzanlagen, so wie die seit 2017 betriebene Pyreg-Anlage des Abwasserbehandlers Silicon Valley Clean Water (SVCW) in der Nähe von San Francisco, Kalifornien.
Biomassekreisläufe
Wird Biomasse in einer sauerstoffarmen Umgebung erhitzt, wird dies pyrolytische Karbonisierung genannt. Organische Kohlenstoffverbindungen werden dabei in ein Prozessgas und in festen elementaren Kohlenstoff umgewandelt. Während organische Kohlenstoffverbindungen abbaubar sind und beim natürlichen Abbau Treibhausgase wie CO2 oder Methan (CH4) in die Atmosphäre freigesetzt werden, ist elementarer Kohlenstoff für Jahrtausende stabil.
Solange dieser Kohlenstoff nicht verbrannt wird, reagiert er mit keinem Element und bleibt in seiner stabilen Form als Kohlenstoff mit dem chemischen Zeichen „C“ erhalten. Somit kann er als dauerhafte Kohlenstoffsenke betrachtet werden, wenn er stofflich genutzt wird, als Pflanzenkohle (Biochar) und Bodenverbesserer im Ackerbau eingebracht wird.
Zu den Besonderheiten des Karbonisierungsprozesses gehören:
- Eine Temperatur und eine Prozessdauer, die hoch beziehungsweise lang genug sind, um wichtige Verunreinigungen des Ausgangsmaterials wie Viren oder Mikroverunreinigungen zu „zersetzen“ oder zu „verflüchtigen“.
- Das Zurückhalten wichtiger Nährstoffe wie Phosphor in der festen Phase.
- Die Fähigkeit, einen Teil des im Ausgangsmaterial enthaltenen Kohlenstoffs in stabilen Kohlenstoff umzuwandeln, der wiederum im Karbonisat eine stabile Kohlenstoffsenke bildet. Dieser Prozess wird als pyrolytische Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (PyCCS) bezeichnet.
Autotherme Karbonisierung
Das Pyreg-Verfahren ermöglicht die Umwandlung organischer Reststoffe zu einem Karbonisat bei gleichzeitiger Gewinnung thermischer Energie. Den Kern bildet der Pyreg-Reaktor im Verbund mit der nachgeschalteten Flox-Brennkammer („Flox“ steht für flammlose Oxidation).
Im Reaktor wird das Rohmaterial fast unter Luftabschluss bei Temperaturen von etwa 500 bis 700 °C über mehrere Minuten karbonisiert. In der computergesteuerten Ausrichtung und Kontrolle der Prozessparameter – Geschwindigkeit der Beförderung des Eintragsmaterials, Temperaturentwicklungen und Luftzufuhr – liegt der Schlüssel zum Recyclingerfolg. Wird der Klärschlamm kontrolliert fast vollständig pyrolytisch karbonisiert, bleibt der Phosphor vollständig für Pflanzen verfügbar.
Die flüchtigen Bestandteile werden von mitgeführten Partikeln per Heißgasfiltration befreit und als heißes Prozessgas in der Brennkammer flammlos verbrannt. Die entstehende Verbrennungswärme wird teils zur Beheizung des Reaktors genutzt, sodass der Prozess nach der Startphase thermisch energieautark abläuft.
Durch die Flox-Verbrennung mit Abgasrückführung in Verbindung mit einer Heißgasfiltration sind sehr geringe Abgasemissionen – besonders geringe Mengen Stickoxide und Stäube – möglich, bei gleichzeitiger Gewinnung von Karbonisat und nutzbarer Abwärme.
Die entstehende Überschusswärme wird zur vorbereitenden Trocknung des Rohmaterials eingesetzt oder in Wärmenetze eingespeist. Alternativ dient sie im Rahmen von Kraft-Wärme-Kopplung der Stromerzeugung.
Das Karbonisat lässt sich als hochwertiger Kohlenstoffdünger dem biologischen Kreislauf zuführen. Dies ist unbedenklich möglich, da der Karbonisierungsprozess bei mehr als über 500 °C den getrockneten Klärschlamm hygienisiert und dekontaminiert wird. Und: Die Phosphatrückgewinnungsrate mit diesem Verfahren liegt bei mehr als 98 %.
Hohe Düngewirkung
Das Bekenntnis zum Ressourcenschutz verlangt Phosphor aus Klärschlämmen zurückzugewinnen, um ihn Landwirten zur Verfügung zu stellen. Von den Methoden zur Phosphorrückgewinnung gehört die Karbonisierung bei Temperaturen von 500 bis 700 °C zu den kohlenstoffeffizientesten und führt zu einem Produkt, das ohne weitere chemische Extraktion direkt als Düngemittel für Bodenanwendungen verwendet werden kann.
Der Landesbetrieb Hessisches Landeslabor (LHL) in Gießen hat 2021 im Auftrag des Hessischen Umweltministeriums in einem Gefäßversuch die Pflanzenverfügbarkeit von zehn Recyclingphosphaten in einem Leistungsvergleich zu Triple Superphosphat (TSP) sowie im Vergleich zu Klärschlamm durchgeführt. Die Rezyklate unterschieden sich in Hinsicht auf deren Herstellung, Zusammensetzung und Produktform. TSP ist ein calciumdihydrogenphosphathaltiger Dünger, der umgerechnet einen Gehalt von mehr als 46 % Diphosphorpentoxid (P2O5) aufweist.
Die Phosphorverfügbarkeit des Pyreg-Karbonisats erreichte dabei fast 90 % der Wirkung des TSP (Aufwuchsleistung). Dieser TSP-Dünger mit 46 % P2O5 kostet aktuell zwischen 700 und 800 €/t.
Klärschlamm zu verbrennen kostet in Deutschland zurzeit 120 bis 140 €/t. Diese Ausgaben werden bei einer Zulassung als Dünger entfallen und sobald sich ein Markt für das Karbonisat als Dünger entwickelt hat, werden Kommunen hier Einnahmen verzeichnen können.
Klärschlamm-Karbonisate weisen im Vergleich zu konventionellem Dünger ein negatives Treibhauspotenzial auf. Eine Studie des deutschen Umweltbundesamtes von 2019 kommt zu dem Ergebnis, dass die konventionelle Düngemittelproduktion in Deutschland etwa +1,2 kg CO2-Äquivalente pro kg P2O5 ausstößt CO2-Emissionen [1].
Klimaschutzvorteile
Auch Phosphatrückgewinnungsverfahren wie Fällung in Faulschlamm oder Zentrat oder Klärschlammasche verursachen CO2-Emissionen. Im Vergleich zum Treibhausgaspotenzial dieser Verfahren haben Pyreg-Karbonisate aus Klärschlamm ein negatives Treibhausgaspotenzial von -4,01 kg CO2-Äquivalente pro kg P2O5. Folglich trägt die Rückgewinnung von Phosphat im Rahmen des Pyreg-Prozesses und die abschließende Anwendung des Karbonisats dazu bei, die globale Erwärmung zu bekämpfen und den Netto-Nullpunkt zu erreichen.
Darüber hinaus liegt die Phosphatrückgewinnungsrate der Klärschlamm-Karbonisate bei mehr als 98 %, was im Bereich anderer thermischer Behandlungen liegt und weitaus besser ist als bei Fällungsprozessen mit einer Rückgewinnungsrate von unter 40 %.
Gegen Mikroplastik, …
Noch immer ist die direkte Ausbringung von Klärschlamm auf den Ackerboden in einigen europäischen Ländern eine bevorzugte Methode. Forschende zeigen jedoch, dass Klärschlamm eine Senke für Mikroplastik ist. Die Eliminierung von Mikroplastikverunreinigungen kann nur durch hohe Temperaturen während der Behandlung und die Verweilzeit gewährleistet werden. 2020 stellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass „Polyethylen und Polypropylen, die beiden am häufigsten vorkommenden Mikroplastikstoffe im Klärschlamm, bei einer Karbonisierungstemperatur von 450 °C vollständig abgebaut wurden [2].
Krankheitserreger …
Klärschlamm besteht hauptsächlich aus menschlichen Ausscheidungen und enthält naturgemäß Krankheitserreger und Pathogene, ein Risiko für die öffentliche Gesundheit. Die Prozessbedingungen der Pyreg-Karbonisierung von mehr als 500 °C für mehr als zehn Minuten sind schärfer als die der „Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention“ CDC (Centers for Disease Control and Prevention) des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums. Nach den Dampfsterilisations-Desinfektions- und Sterilisationsrichtlinien-Richtlinien der CDC lauten die Mindeststerilisationsbedingungen 132 °C für vier Minuten oder 250 °C zur Entfernung von Pathogenen wie bakterielle Endotoxinen unter trockenen Bedingungen (Trockenhitzesterilisation).
und Schadstoffe
In einer vom Umweltbundesamt 2019 veröffentlichten Studie wurden pharmazeutische Rückstände verschiedener Biofeststoffe nach pyrolytischen Behandlungen bei über 500 °C untersucht [3]. Nach der Karbonisierung lagen alle Werte der untersuchten Arzneimittel unter der Nachweisgrenze. Die Autoren schlossen daraus, dass mit thermochemischen Behandlungen wie der Karbonisierung eine vollständige Zerstörung der Arzneimittelrückstände erreicht wird.
Anderes Beispiel: Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind sehr langlebig und reichern sich in der Umwelt und in unserem Körper an. Aus diesem Grund werden sie oft als „Forever Chemicals“ bezeichnet. Hierzu zeigt eine Studie des US Environmental Protection Agency (EPA) aus dem Jahr 2021, dass der integrierte Karbonisierungs- und Verbrennungsprozess der in der Nähe von San Francisco betriebenen PYREG-Anlage PFAS erfolgreich eliminiert [4].
Fazit
Klärschlämme CO2-emittierend zu verbrennen oder unbehandelt auszubringen, ist unter klima- und umweltschützenden Gesichtspunkten nicht mehr vertretbar. Stattdessen gibt es mit der Karbonisierung ein profitables Verfahren, den wertvollen Rohstoff aus Klärschlämmen zu recyceln und als veredeltes Karbonisat der Landwirtschaft zuzuführen. Für die Kommunen hat das gleich mehrfach positive Effekte: sie schließen Stoffkreisläufe, erfüllen ihre Dekarbonisierungsziele, gewinnen regenerative Energie und ein hochwertiges, sicheres und umweltfreundliches Endprodukt, das sie im EU-Ausland als alternativen Phosphor-Dünger veräußern können.
Literatur
- Umweltbundesamt, „Ökobilanzieller Vergleich der P-Rückgewinnung aus dem Abwasserstrom mit der Düngemittelproduktion aus Rohphosphaten unter Einbeziehung von Umweltfolgeschäden und deren Vermeidung“, UBA Texte 13/2019, ISSN 1862–480
- Ni et al., 2020, „Microplastics Mitigation in Sewage Sludge through Pyrolysis: The Role of Pyrolysis Temperature“, Environ. Sci. Technol. Lett. 2020, 7, 12, 961–967, https://doi.org/10.1021/acs.estlett.0c00740
- Umweltbundesamt, „Arzneimittelrückstände in Rezyklaten der Phosphorrückgewinnung aus Klärschlämmen“, UBA Texte 31/2019
- Environmental Protection Agency, „PFAS innovative treatment team (PITT) findings on PFAS destruction technologies“, February 17, 2021, https://www.epa.gov/chemical-research/pfas-innovative-treatment-team-pitt
Helmut Gerber
Gründer & technischer Direktor Pyreg GmbH
info@pyreg.de
Foto: Pyreg