Die überraschende Lösung für effektives Düngen: Bakterien
Pflanzen nehmen nur Bruchteile des Phosphats aus Düngern auf. Eine völlig überraschende Lösung dieses Jahrhunderte alten Problems kommt aus der Natur.
Neben Stickstoff und Kalium gehört Phosphor zu den lebensnotwendigen Mineralien: Ohne Phosphate wachsen Pflanzen nicht. Das wusste schon Justus von Liebig (1803 bis 1873), ein Pionier der Düngemittel-Chemie. Doch die Probleme sind aktueller denn je: Werden wasserlösliche Phosphate als Bestandteil von Dünger ausgebracht, reagieren sie mit Mineralien im Boden. Dabei entstehen schwerlösliche Komplexe aus Calcium, Aluminium, Eisen und Phosphat. Sie bleiben im Boden, ohne dass Pflanzen diese Phosphatquelle erschließen können.
Um den Ertrag zu optimieren, bringen Landwirte mehr Phosphat aus. Doch Düngemittel kosten Geld, und überschüssige Salze landen leicht in aquatischen Ökosystemen. Das muss nicht sein: Wissenschaftler der University of Washington und des Pacific Northwest National Laboratory konnten nämlich zeigen, dass Bakterien von Bäumen etwas Besonderes leisten. Sie schließen schwerlösliches Phosphat auf und machen das Mineral für Wurzeln verfügbar.
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Endophyten: Biologie in neuem Licht
Wie so oft begann alles mit einem Zufall. Entlang des Snoqualmie River in West-Washington wachsen Westliche Balsam-Pappel (Populus trichocarpa). Der steinige Untergrund bietet kaum lösliche, sondern nur gebundene, schwerlösliche Phosphate. Doch die Bäume gedeihen trotzdem. Wie kann das sein?
Bei ihren Untersuchungen fanden die Wissenschaftler sogenannte Endophyten. Das sind Bakterien im Inneren der Pflanzen. Manche Endophyten zerstören den besiedelten Organismus. Doch hier herrschte eine Symbiose zwischen Bäumen und Mikroben. Sharon Doty, Professorin an der UW School of Environmental and Forest Sciences, fand heraus, dass Mikroben chemische Komplexe aufbrechen und schwerlösliches Phosphat in leichtlösliche Formen überführen. Sie helfen den Pappeln bei der Versorgung mit Mineralien. „Dies kann ein Instrument sein, um die Landwirtschaft voranzutreiben, da es diesen essenziellen Nährstoff liefert, ohne die Umwelt zu schädigen“, sagt Doty.
Bestätigung der Endophyten-Hypothese im Labor
Mehrere Experimente lieferten den entscheidenden Beweis. Dotys Team kultivierte Bakterien auf speziellen Nährböden mit Calciumphosphat: einer weißen, wasserunlöslichen Substanz. Das Mineral trübte den Nährboden ein. Wo mikrobielle Kolonien wuchsen, entstanden transparente Zonen. Die Bakterien hatten Calciumphosphat in eine wasserlösliche Form überführt.
Im nächsten Schritt arbeiteten die Forscher mit modernen Technologien der Bildgebung. Sie konnten nachweisen, dass Wurzeln ausgeschlossenes Phosphat tatsächlich nutzen und dass das Mineral in die Pflanzen gelangt. Die Bildgebung brachte eine weitere Überraschung. Hatten Bäume Phosphat erst einmal resorbiert, entstanden in deren Inneren erneut schwerlösliche Komplexe. Doch die Endophyten sind so positioniert, dass sie daraus bei Bedarf die wasserlösliche Form freisetzen.
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„Altes“ Phosphat aus Böden mobilisieren
Diese Erkenntnisse lässt sich perspektivisch auf landwirtschaftliche Kulturpflanzen anwenden. Oft wachsen sie auf einer Fülle von „altem“, schwerlöslichem Phosphat. Es hat sich als Folge jahrelanger Düngung im Boden angesammelt, ist für die Landwirtschaft aber wertlos.
Mikroben könnten bei jungen Kulturpflanzen im Boden oder als Beschichtung auf Saatgut angewendet werden, um gebundenes Phosphat freizuschalten und für Pflanzen verfügbar zu machen. Doty sieht darin eine Möglichkeit, weniger Düngemittel einzusetzen, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu machen und um Energie einzusparen. Sie hat ihre bakteriellen Stämme bereits an Intrinsyx Bio lizenziert, ein in Kalifornien ansässiges Unternehmen. Es baut eine Bibliothek an Mikroben auf, die als Endophyten wachsen. Die Firma plant, Bakterien mittelfristig zu vermarkten: vielleicht eine Alternative zu Phosphat-Düngern, falls sich im Biden schwerlösliches Phosphat befindet.
Stickstoffquellen aus der Luft erschließen
Mikroben leisten aber noch mehr. Manche Pflanzen, etwa Klee, Luzerne, Sojabohne und viele mehr, haben in ihren Wurzeln Verdickungen mit Knöllchenbakterien. Diese Symbionten binden Stickstoff aus der Luft. Weltweit soll es sich Schätzungen zufolge um mindestens 120 Millionen Tonnen pro Jahr handeln. Dotys Arbeitsgruppe konnte diese Mikroben aber auch in Zweigen von Pappeln finden. Vielleicht helfen die Mikroben Nutzpflanzen wie Mais, Tomaten und Paprika, aber auch Zierpflanzen oder Bäumen, mit weniger Dünger zu wachsen. Das schont die Umwelt und spart Energie.
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