Europa verzeichnet einen Rückgang des Gesamtwasserspeichers
Aktuelle Datensätze zeigen, dass in Deutschland Wasser fehlt – der terrestrische Gesamtwasserspeicher (TWS) beschreibt die Summe von Wasserressourcen in allen Landregionen der Erde und ist damit eine wichtige Messgröße für die Klimaforschung. In Deutschland fällt er aktuell zu gering aus.
Wasser ist eine lebenswichtige Ressource. Die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser beeinflusst das Wohlergehen von Menschen weltweit. Zudem spielt Wasser eine unersetzbare Rolle in Ökosystemen, der Landwirtschaft, der Industrie und in vielen anderen Bereichen. Doch geraten die globalen Wasserressourcen zunehmend aus dem Gleichgewicht. Etwa zwei Drittel der Erdoberfläche sind mit Wasser bedeckt, davon besteht jedoch der Großteil aus Salzwasser. Süßwasser macht gerademal 2,5 Prozent der weltweiten Wasserreserven aus und ist größtenteils in Eis gespeichert (Antarktis, Arktis, Grönland, Gletscher). So sind am Ende nur etwa 0,3 Prozent der Süßwasservorräte für den Menschen frei zugänglich. Durch den Klimawandel, eine wachsende Weltbevölkerung und sich häufende Umweltprobleme, die Süßwasserverschmutzung nach sich ziehen, wird Wasser in immer mehr Gebieten der Erde zu einer knappen und kostbaren Ressource geworden.
Auch in Deutschland wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Warnungen vor Wasserknappheit ausgesprochen. Doch wie steht es tatsächlich um die Gesamtwasserspeicher hierzulande? Forschende des Deutschen Geo-Forschungs-Zentrums GFZ liefern darauf nun Antworten. Sie haben den aktuellen Datensatz des Satellitenduos GRACE-Follow-On ausgewertet.
Auf dem Weg zum unaufhaltsamen Eisverlust der Antarktis
Bedeutung des terrestrischen Gesamtwasserspeichers
Der sogenannte terrestrische Gesamtwasserspeicher (TWS) umfasst das gesamte Wasser und Eis in allen Landregionen der Erde – von der Vegetation bis zu den tiefsten Grundwasserleitern. Konkret setzt er sich aus den Wasserkreislaufkomponenten Eis (Gletscher), Schnee, Bodenfeuchte, Grundwasser sowie dem Oberflächenwasser in Flüssen, Seen und künstlichen Reservoiren zusammen. Der TWS beschreibt also eine Zustandsgröße des globalen Wasserkreislaufs und ist somit ein essentieller Indikator für die Klimaforschung.
Der terrestrische Gesamtwasserspeicher wird mithilfe von Satelliten erhoben und von der Gravity Recovery and Climate Experiment Follow-on-Mission (GRACE-FO-Mission) zur Verfügung gestellt. Die Satelliten ermöglichen die kontinuierliche Erfassung des Schwerefels der Erde. Auf Grundlage von kleinsten Abweichungen lassen sich so zeitliche und räumliche Veränderungen im globalen Wasser- und Eishaushalt feststellen.
Noch kein langfristiger Wasser-Trend erkennbar
Nach Auswertung des aktuellen Datensatzes des Satellitenduos GRACE-Follow-On konnten die Forschenden vom Deutschen Geo-Forschungs-Zentrum folgende Veränderungen feststellen: Der Gesamtwasserspeicher in Deutschland hat sich im Jahr 2023 etwas erholt. Das vergangene Jahr war sogar ein überdurchschnittlich niederschlagsreiches Jahr. Im Vergleich zum langjährigen Mittel fehlen jedoch immer noch etwa zehn Milliarden Tonnen Wasser. Für einen besseren Vergleich: Der Bodensee fasst etwa 48 Milliarden Tonnen Wasser.
Darüber hinaus zeigen die Auswertungen der Datensätze, dass, seit Beginn der Messungen im Jahr 2002, der Gesamtwasserspeicher in Europa um etwa 100 Milliarden Tonnen Wasser zurückgegangen ist. Aus den Ergebnissen sei jedoch zum aktuellen Zeitpunkt noch kein eindeutiger Trend ableitbar.
Die Messungen der GRACE-Follow-On-Mission liefern allerdings nicht nur wertvolle Informationen über Veränderungen von Wasserressourcen auf und unter der Erdoberfläche, sondern auch Daten zur Massenbilanz der großen Inlandeisschilde über Grönland und der Antarktis. Hier ist der Trend eindeutig und erschreckend: Die Antarktis verliert jährlich 138 Milliarden Tonnen an Eis, Grönland sogar 224 Milliarden Tonnen.
Gesamtwasserspeicher: Mission liefert wichtige Klimadaten
Die Auswertung der Daten zeigen deutlich, dass die Überwachung des Gesamtwasserspeichers von großer Wichtigkeit für das Verständnis des Wasserhaushalts der Erde und seine Auswirkungen auf Umwelt, Klima und die Gesellschaft ist. So gehört der TWS inzwischen offiziell zu den 54 „Essenziellen Klimavariablen“, die entscheidend zur Charakterisierung des Erdklimas beitragen und eine wichtige Basis für die Arbeit des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Chance) darstellen.
Eine kontinuierliche Erfassung des Gesamtwasserspeichers über einen längeren Zeitraum ist zudem entscheidend, um langfristige Trends zu identifizieren und zu verstehen. Dadurch können wissenschaftliche Modelle verbessert und fundierte Entscheidungen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung von Wasserressourcen getroffen werden. Aus diesen Gründen haben sich alle an der GRACE-Mission beteiligten Forschungseinrichtungen darauf geeinigt, die Mission fortzusetzen. Im Jahr 2028 soll GRACE-C starten und weiterhin das Schwerefeld der Erde vermessen, um so neue Erkenntnisse über den globalen Wasserhaushalt zu gewinnen.