Globale Studie enthüllt Kollisionsrisiko zwischen Walen und Schiffen
Forschende haben erstmals eine weltweite Karte des Kollisionsrisikos zwischen Walen und Schiffen erstellt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Schiffsverkehr mit 92 Prozent der Wandergebiete von Blauwalen, Finnwalen, Buckelwalen und Pottwalen überlappt. Nur 7 Prozent der Hochrisikogebiete verfügen über Schutzmaßnahmen. Die Studie identifiziert neue Risikoregionen und bestätigt bekannte Hotspots.
Eine Studie unter Leitung der University of Washington und mit Beteiligung von Forschenden der UC Santa Barbara wirft ein neues Licht auf das globale Kollisionsrisiko zwischen Walen und Schiffen. Bisher gab es nur regionale Untersuchungen und Berichte von Behörden, die kein vollständiges Bild der weltweiten Situation lieferten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstellten nun die erste globale Karte für das Kollisionsrisiko von Blauwalen, Finnwalen, Buckelwalen und Pottwalen mit Frachtschiffen. Die Ergebnisse sind alarmierend: Der Schiffsverkehr überschneidet sich mit circa 92 Prozent der Wandergebiete der Meeressäuger. Die Studie hilft, die gefährlichsten Bereiche weltweit zu identifizieren und Schutzmaßnahmen gezielt dort einzusetzen, wo sie am dringendsten benötigt werden.
Wale und Frachtschiffe stellen seit jeher eine tödliche Kombination dar. Die gewaltigen Dimensionen der Schiffe – oft so groß wie Wolkenkratzer und mehr als zehnmal so lang wie ein ausgewachsener Blauwal – lassen den Meeresriesen im Kollisionsfall keine Chance. Je stärker sich Schifffahrtsrouten und Wanderwegen der Wale überschneiden, desto größer ist das Risiko von Zusammenstößen, wenn keine Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Briana Abrahms von der University of Washington warnt, dass Frachtschiffe jährlich tausendfach die Distanz zwischen Erde und Mond zurücklegen. Und das überwiegend innerhalb der Lebensräume der genannten Walarten. Das Problem wird durch den wachsenden globalen Handel in Zukunft weiter zunehmen.
Erfolgreiche Schutzmaßnahmen für Wale vor Kaliforniens Küste
Trotz der besorgniserregenden Situation gibt es auch positive Nachrichten: Vor der Küste Kaliforniens konnte das Programm „Whale Safe – eine Zusammenarbeit von Forschenden, Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftlern sowie Frachtschiffunternehmen – die Zahl der Zusammenstöße zwischen Schiffen und Walen hat sich seit der Einführung des Programms deutlich reduziert. Der Schlüssel zum Erfolg liegt laut Douglas McCauley, Meeresökologe an der UCSB und Mitautor der Studie, darin, die Schiffe zu langsamerer Fahrt zu bewegen. Indem Whale Safe die Frachtschiffe darüber informiert, dass sich Wale in der Nähe befinden und Reedereien Daten bereitstellen, um Geschwindigkeitsbegrenzungen in Walschutzzonen einzuhalten, konnten Unternehmen die Geschwindigkeit ihrer Schiffe senken und Kollisionen verhindern.
Trotz des Erfolgs gibt es solche oder ähnliche Maßnahmen derzeit nur für einen kleinen Teil der Wanderwege von Walen. Die Forschenden stellten fest, dass lediglich 7 Prozent der ermittelten Hochrisikogebiete Schutzmaßnahmen haben. Für die vier untersuchten Walarten liegen diese Bereiche hauptsächlich entlang der Küsten des Mittelmeers, in Teilen Amerikas, im südlichen Afrika und in Asien. Um das Kollisionsrisiko für die Zonen zu ermitteln, musste das Forscherteam zunächst eine globale Karte entwickeln, die sehr präzise zeigt, wo sich die Wale im Ozean aufhalten – eine Aufgabe, die trotz aller Faszination für die großen Meeressäuger bislang noch nicht in diesem Umfang angegangen wurde.
Neue Hotspots für Kollisionen zwischen Walen und Schiffen entdeckt
Für die Erstellung dieser globalen Wal-Karte untersuchte das internationale Forscherteam die Gewässer, in denen Blauwale, Finnwale, Buckelwale und Pottwale leben, fressen und wandern. Sie sammelten Daten aus verschiedensten Quellen, darunter Regierungsstudien, Sichtungen durch die Öffentlichkeit, Markierungsstudien und sogar historische Logbücher von Walfangschiffen. Diese neue Datenbank kombinierten sie mit Informationen zu den Routen von 176.000 Frachtschiffen aus den Jahren 2017 bis 2022, um die Orte mit dem größten Risiko für Zusammenstöße zu ermitteln. Die Studie enthüllte dabei einige bisher nicht beachtete Regionen mit potenziell hohem Risiko, darunter das südliche Afrika, die Küsten von Brasilien, Chile, Peru, Ecuador, die Azoren sowie Ostasien vor China, Japan und Südkorea.
Die Entdeckung dieser neuen Hotspots bedeutet, dass die internationale Gemeinschaft und die Länder in diesen Regionen, von denen viele dem Schutz der Wale verpflichtet sind, gemeinsam an Lösungen arbeiten können. Die Untersuchungen bestätigten den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zudem die bereits bekannten Hochrisikogebiete für Tier-Schiff-Kollisionen: die Pazifikküste Nordamerikas (einschließlich großer Abschnitte der kalifornischen Küste), Panama, das Arabische Meer, Sri Lanka, die Kanarischen Inseln und das Mittelmeer. Aktuell sind verpflichtende Maßnahmen zur Vermeidung von Crashs zwischen Walen und Schiffen sehr selten und überschneiden sich nur minimal mit den identifizierten Hotspots.
Länder haben Möglichkeiten, Wale in ihren Gewässern zu schützen
Ein Hoffnungsschimmer ist, dass sich für alle vier Walarten die überwiegende Mehrheit der Kollisions-Hotspots – mehr als 95 Prozent – entlang der Küsten und innerhalb der exklusiven Wirtschaftszonen (EEZ) einzelner Länder befinden. Das bedeutet, dass jedes Land, abgestimmt mit der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation der Vereinten Nationen, eigene Schutzmaßnahmen umsetzen könnte. Anna Nisi von der University of Washington und Hauptautorin der Studie sieht darin eine ermutigende Perspektive für den Naturschutz.
Schutzmaßnahmen auf zusätzlichen 2,6 Prozent der Ozeanoberfläche umzusetzen, würde alle jetzt bekannten Hochrisikohotspots für Kollisionen abdecken. Die Autoren hoffen, dass ihre globale Studie lokale oder regionale Forscherteams anregt, die Hotspot-Zonen im Detail weiter zu kartieren, Schutzbemühungen zu unterstützen und die Auswirkungen des Klimawandels zu berücksichtigen. Der Schutz der Wale vor Schiffskollisionen erfordert eine gemeinsame Anstrengung von Naturschutzorganisationen, Regierungen und Reedereien. Nur dann ist der Einfluss groß genug, um Wale zu schützen und ihre entscheidende Rolle in den Ökosystemen zu bewahren.