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Effizienz in Gewächshäusern 10.12.2024, 10:00 Uhr

Mehr Sauerstoff, höherer Ertrag

Auch der Gartenbau wird effizienter. Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen und Air Liquide aus Düsseldorf führen Versuche durch, um den Ertrag von Salatgurken in Gewächshäusern zu steigern. Der Trick: mit einem „Oxygen Boost“ den Sauerstoffgehalt im Gießwasser erhöhen. Der Erfolg spricht für sich: Das Verfahren soll jetzt auch an anderen Gemüse- und Obstsorten getestet werden.

Salatgurken wachsen einem Gewächshaus. Foto: Versuchszentrum Gartenbau Straelen

Salatgurken wachsen einem Gewächshaus.

Foto: Versuchszentrum Gartenbau Straelen

Die Gartenbaubranche steht vor der Herausforderung, höhere Erträge zu erzielen und gleichzeitig nachhaltige Anbaumethoden zu implementieren. Eine vielversprechende Lösung, die beiden Anforderungen gerecht wird, ist die Anreicherung von Gießwasser mit gelöstem Sauerstoff, auch bekannt als „Oxygen Boost“. Dieses Verfahren erprobt seit 2021 die Landwirtschaftskammer NRW im Versuchszentrum Gartenbau im niederrheinischen Straelen zusammen mit Air Liquide, einem führenden Anbieter technischer Gase mit Sitz in Düsseldorf. Ziel ist es, die Auswirkungen von Sauerstoff auf das Pflanzenwachstum zu verstehen und eine effizientere, ressourcenschonende Landwirtschaft zu fördern.

Grüne Lösung steigert Erträge

Im Fokus der Versuche standen die Gurkensorten Climont vom Saatgutanbieter Rijk Zwaan und die Nummersorte E2353 vom Saatgutanbieter Enza Zaden. Die Versuche konzentrierten sich auf die Erfassung des marktfähigen Ertrags, die Anzahl der geernteten Gurken sowie das Fruchtgewicht (g/Stk.). Die Sorte Climont erzielte mit Sauerstoffanreicherung einen Mehrertrag von 1,4 kg/m², das entspricht zwei bis drei zusätzlichen Gurken pro Quadratmeter. Die Sorte Nummernsorte E2353 zeigte mit 0,5 kg/m² Mehrertrag ebenfalls eine Steigerung, jedoch in geringerem Umfang. Die Unterschiede verdeutlichen, dass die Sauerstoffanreicherung nicht nur die Ertragsmenge steigern kann, sondern auch von der Genetik und Anpassungsfähigkeit der jeweiligen Sorte abhängt.

Wachstumsmotor Sauerstoff

Der Schlüssel zur Wirkung von gelöstem Sauerstoff liegt in der verbesserten Versorgung der Pflanzenwurzeln. Sauerstoff ist essenziell für die Atmung und den Stoffwechsel der Wurzeln. Im Rahmen der Tests wurde technischer Sauerstoff mit einer Konzentration von 14 mg/l in das Gießwasser injiziert. Dies erhöhte die natürliche Sauerstoffsättigung im Wasser von etwa 6,5 mg/l um mehr als Doppelte. Durch den technischen Sauerstoff, der mit einer Injektorddüse in das Gießwasser injiziert wurde, konnte das Wurzelwachstum deutlich gesteigert werden.

Das Säulendiagramm zeigt, dass bei der Salatgurkensorte Climont mehr Sauerstoff im Gießwasser das Fruchtgewicht der Gurke, den Ertrag pro m² und die Stückzahl pro m² messbar erhöht, bei der Salatgurkennummernsorte E2353 hingegen nur leicht. Grafik: Versuchszentrum Gartenbau Straelen

Gesündere und kräftigere Wurzeln sorgen für eine bessere Wasser- und Nährstoffaufnahme und senken das Risiko von anaeroben Schäden wie Wurzelfäule. Die optimierte Sauerstoffversorgung steigert die gesamte Pflanzenleistung, von der Photosynthese bis hin zum Fruchtansatz.

Qualität bleibt erhalten

Neben der Ertragssteigerung und der Wurzelbildung blieb die Fruchtqualität in beiden Varianten unverändert hoch. Die geernteten Gurken behielten ihre feste Struktur und Lagerfähigkeit, was zeigt, dass der Oxygen Boost keine negativen Einflüsse auf die Produktqualität hat.

Grenzen der Sauerstoffzugabe

Die Sauerstoffanreicherung im Wasser stößt auf natürliche Sättigungsgrenzen, die berücksichtigt werden müssen. Luftgebundener Sauerstoff erreicht im Wasser bei vollständiger Sättigung einen Maximalwert von etwa 10 mg/l. Durch die Zugabe von technischem Sauerstoff können jedoch deutlich höhere Konzentrationen erzielt werden, die bis zu 40 mg/l reichen, bevor eine maximale Sättigung erreicht ist. Dies ermöglicht eine effizientere Versorgung der Pflanzen mit Sauerstoff, erfordert jedoch eine präzise Dosierung.

Ein weiterer Faktor sind sortenspezifische Unterschiede, die bei der Anwendung dieser Methode bedacht werden müssen. Während die Gurkensorte Climont besonders stark von der Sauerstoffanreicherung profitierte, war der Effekt bei der Nummernsorte E2353 deutlich geringer. Dieses Ergebnis zeigt, dass nicht alle Kulturen gleichermaßen auf die Methode ansprechen und spezifische Anpassungen notwendig sein könnten.

Eine Überdosierung von Sauerstoff ist unwahrscheinlich, da Pflanzen und Mikroorganismen in der Regel von einer guten Sauerstoffversorgung profitieren. Dennoch könnten extrem hohe Konzentrationen die Mikrobiologie des Substrats beeinflussen, beispielsweise durch die Unterdrückung bestimmter nützlicher anaerober Organismen. Dies wird in weiteren Studien untersucht.

Versuche zeigen, eine Sauerstoffanreicherung im Gießwasser verbessert das Wurzelwachstum.

Foto: Versuchszentrum Gartenbau Straelen

Vom Gewächshaus zur Praxisanwendung

Die bisherigen Gewächshausversuche zeigen ein großes Potenzial für die Sauerstoffanreicherung im Gartenbau. Bevor die Methode flächendeckend angewendet werden kann, sind jedoch weitere Untersuchungen notwendig. Im nächsten Schritt sollen Feldversuche unter realen Bedingungen durchgeführt werden, um die Wirksamkeit des Oxygen Boost auf andere Kulturen wie Tomaten, Paprika und Beeren zu prüfen. Auch die mögliche Kombination mit einer CO2-Düngung könnte interessante Synergieeffekte offenbaren.

Sollte sich das Verfahren in groß angelegten Versuchen bewähren, könnte sie nicht nur die Erträge steigern, sondern auch die Nachhaltigkeit und Effizienz im Gartenbau revolutionieren – mit positiven Auswirkungen für Produzenten. Verbraucher und die Umwelt.

Von Ansgar Rinklake

Ansgar Rinklake arbeitet in der Abteilung „Marketing Lebensmittel“ bei Air Liquide Deutschland Foto: Air Liquide