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Globale Erwärmung 10.06.2024, 07:00 Uhr

Neue Rekordtemperaturen in der Nordsee – Ursache Klimawandel

In der Nordsee klettern die Meerestemperaturen auf neue Höchstwerte. Das belegen aktuelle Messungen in der Deutschen Bucht für das Jahr 2023, die von der Biologischen Anstalt Helgoland durchgeführt wurden. Die Datenanalyse zeigt: Der Klimawandel ist die Ursache für Temperaturanstieg und extreme Wetterereignisse – mit gravierenden Auswirkungen für die Nordsee.

Steilküste Helgoland

Die Wassertemperaturen vor Helgoland haben sich verändert.

Foto: panthermedia.net/DirkR

Die Ozeane erwärmen sich in alarmierendem Tempo. Weltweit erreichten die Meerestemperaturen im vergangenen Jahr neue Rekordwerte, wie es sie seit Beginn der Aufzeichnungen nicht gab. Auch die Nordsee blieb davon nicht verschont. Forscherinnen und Forscher der Biologischen Anstalt Helgoland (BAH) des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) haben festgestellt, dass die Wassertemperaturen in der Deutschen Bucht im Jahr 2023 so hoch waren wie nie zuvor. Und die ersten Monate des Jahres 2024 deuten darauf hin, dass es so weiter geht: So war der Monat März 2024 mit einer mittleren Temperatur von 6,9 Grad Celsius der wärmste März seit Beginn der Messungen im Jahr 1962.

Meerestemperaturen klettern auf neue Höchstwerte

Die Zeitreihe „Helgoland Reede” zeigt, dass die mittlere Wassertemperatur im Jahr 2023 bei knapp 11,9 Grad Celsius lag. „Das Jahr 2023 war demnach ein Rekordjahr seit Beginn unserer Zeitreihe im Jahr 1962″, betont Dr. Inga Kirstein, wissenschaftliche Mitarbeiterin der BAH. Schon der Januar 2023 war mit circa 7,2 Grad Celsius der zweitwärmste jemals aufgezeichnete Januar. Der Tag mit der höchsten gemessenen Wassertemperatur im Jahr 2023 war der 12. September mit 19,5 Grad Celsius.

Marine Hitzewellen treten nicht nur im Sommer auf. Sie können auch zu anderen Jahreszeiten vorkommen, wenn die Wassertemperaturen deutlich über den Normalwerten liegen. Eine aktuelle Studie von AWI-Forschenden zeigt, dass die Häufigkeit intensiver Hitzewellen seit den 1990er-Jahren zugenommen hat. Das gilt insbesondere für die Monate März bis April und Juli bis September, wobei das dritte Quartal die höchste Frequenz von Hitzewellen aufweist.

Klimawandel verändert Temperaturmuster

Seit 1990 beobachten Forschende des AWI auf Helgoland und Sylt neue Temperaturmuster: Es gibt deutlich mehr wärmere Tage im Sommer und deutlich weniger extrem kalte Tage im Winter. „Von 1962 bis 1990 hatten wir zum Beispiel insgesamt 24 Monate mit einer Mitteltemperatur unter 3 Grad Celsius, seit 1990 sind es nur noch fünf Monate. Gleichzeitig gab es bis 1990 nur acht Monate mit Mitteltemperaturen über 17 Grad, von 1990 bis Ende 2023 waren es nicht weniger als 53 Monate“, erläutert Kirstein.

Prof. Dr. Karen Wiltshire, Direktorin der BAH, betont: „Vor allem in der Deutschen Bucht ist seit den 1990er-Jahren ein starker Temperaturanstieg zu verzeichnen.“ Die Daten zeigen auch einen Zusammenhang zwischen den monatlichen Temperaturen in der Deutschen Bucht und auf dem deutschen Festland. Marine Hitzewellen traten öfter im Spätsommer auf, während oder kurz nach Hitzewellen in der Atmosphäre. Das deutet auf einen starken Zusammenhang zwischen der Meerestemperatur und der Temperatur in der Atmosphäre hin.

Globale Erwärmung als Hauptursache

Fachleute sehen den Klimawandel und die daraus resultierende globale Erwärmung als Hauptgrund für die hohen Meeresoberflächentemperaturen und die zunehmende Häufigkeit von Extremereignissen. „Die Nordsee erwärmt sich so schnell, weil sie ein von Landmassen umgebenes Schelfmeer ist, vergleichbar einer riesigen Pfütze. Daher stimmen die Temperaturtrends auf dem Festland absolut mit denen der Wassertemperatur überein“, erklärt Wiltshire.

Steigende Wassertemperaturen und extreme Wetterereignisse verändern biologische Abläufe und wirken sich auch auf Lebensräume am Meeresboden aus. Forschende haben in der Nordsee bereits Veränderungen beim Vorkommen von Arten oder bei der Zusammensetzung von Lebensgemeinschaften beobachtet. Die Temperatur ist einer der wichtigsten Faktoren für die biologische Vielfalt und die Verteilung der Arten.

Auswirkungen auf das Ökosystem

„Meeresorganismen reagieren auf unterschiedliche Art und Weise auf den Klimawandel. Wir können diese Veränderungen in unserer eigenen Forschung beobachten und untersuchen derzeit, wie sich marine Hitzewellen auf das planktonische Nahrungsnetz auswirken, zum Beispiel auf die Zusammensetzung oder Häufigkeit von Planktongemeinschaften und einzelnen Arten“, sagt Kirstein. In einer Mesokosmos-Studie hat die AWI-Forscherin gezeigt, dass die Kombination aus Erwärmung, Versauerung und veränderter Nahrungsverfügbarkeit für kleinere Planktonarten besser zu verkraften ist. Sie können sich daher besser vermehren als größere Arten. Und das verschiebt die Artenzusammensetzung, was sich auf die gesamte Nahrungskette auswirkt. Denn Plankton ist ein Grundnahrungsmittel für viele Meeresorganismen.

Die ökologische Zeitreihe „Helgoland Reede“ ermöglicht es Forschenden am AWI und weltweit, die Auswirkungen des Klimawandels in der Nordsee in den letzten 60 Jahren lückenlos zu verfolgen. Seit 1962 zeichnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Biologischen Anstalt Helgoland fast täglich die Temperatur, den Salzgehalt und die Nährstoffbelastung in der Deutschen Bucht auf und bewerten die Zusammensetzung des Planktons. Die gewonnenen Daten werden im „Weltdatenzentrum PANGAEA“ des Alfred-Wegener-Instituts archiviert und für kommende Generationen zur Verfügung gestellt.

Von Thomas Kresser