Wärmewende mit Abwasser
Nordrhein-Westfalen setzt auf Abwasser als Ressource für die Wärmewende. Ein Praxisbeispiel aus Köln zeigt, die Nutzung dieser Wärmequelle ist realistisch.
Das Bundesland Nordrhein-Westfalen setzt verstärkt auf Abwasserwärme als nachhaltige und Treibhausgas (THG)-freie Wärmequelle für Gebäude. Das Land hat mit seiner Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate die Initiative Abwärme ins Leben gerufen, um mit dieser bislang wenig genutzten Quelle die Wärmewende weiter zu beschleunigen. Zum Auftakt der Initiative unterzeichnete Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur am 11. Oktober in Düsseldorf eine Grundsatzerklärung. Vertreterinnen und Vertreter aus Energieversorgung, Wasserwirtschaft, Kanalnetzbetrieben und der Wohnungswirtschaft waren mit dabei. Die Wasserwirtschaft unterstützt die Initiative ausdrücklich. Mit dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit Sitz in Berlin und der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) mit Sitz in Hennef sind zwei führende Verbände der Wasserwirtschaft mit im Boot und haben die Vereinbarung mit unterschrieben. Diese Initiative ist für weitere Partner offen.
„Mit der im Abwasser enthaltenden Wärme können bis zu 15 % der Gebäude im urbanen Raum in Deutschland wärmetechnisch versorgt werden“, betonte DWA-Präsident Uli Paetzel bei der Unterzeichnung der Grundsatzvereinbarung. Erneuerbare THG-freie Wärmequellen zu nutzen, ist für das Bundesland wichtig, um 2045 das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Zu diesen Wärmequellen zählt das Land auch industrielle und kommunale Abwässer. Kommunale Abwässer weisen im Mittel eine Temperatur von 10 bis 20 °C auf und bieten damit gute Voraussetzungen für Wärmeübertrager und -pumpen.
Eine Terawattstunde Abwasserwärme bis 2030
Fachleute des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (Lanuv) schätzen, dass allein in Nordrhein-Westfalen 1,63 GW thermische Leistung aus Kläranlagen und 1,56 GW aus der Kanalisation gewonnen werden können. Schrittweise will das Bundesland dieses Potenzial anzapfen. Mit der Grundsatzerklärung hat es sich das Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 1 TWh Wärme aus Abwasser zu gewinnen. Bis 2045 sollen 4 TWh Abwasserwärme für die Wärmeversorgung nutzbar gemacht werden.
Um das zu erreichen, will die Landesregierung und wolen letztlich die Unterzeichner der Grundsatzerklärung rechtliche und technische Hürden abbauen. Im Fokus steht, Genehmigungsprozesse zu vereinfachen, sowie Praxisbeispiele als Multiplikatoren zu finden und die kommunale Wärmeplanung zu fördern. Die jeweiligen Erkenntnisse und Ergebnisse sollen öffentlich zugänglich gemacht werden, um Kommunen, Stadtwerke und Planer gezielt bei der Projektumsetzung zu unterstützen.
Praxisbeispiel Köln-Ehrenfeld
Und es wird auf Abwasserwärme gesetzt – beispielsweise im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Die wvm Gruppe als Projektentwickler und die naturstrom AG als Ökostromanbieter bauen dort das sogenannte Quartier Lück an der Subbelrather Straße. Die Bewohnerinnen und Bewohner werden dort später städtisches Abwasser als Wärmereservoir nutzen. Den notwendigen Strom für die Wärmeerzeugung durch Wärmepumpen in der Kanalisation sollen teils Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 99 kW(peak) auf den Gebäudedächern liefern beziehungsweise Ökostrom aus dem öffentlichen Netz.
Der Projektentwickler hat mit dem Bau des Wohnquartiers 2023 auf einem brachliegenden Fabrikgelände begonnen. Dort entstehen vier Mehrparteienhäuser für insgesamt 216 Wohneinheiten und eine Großtagespflege.
Die Hauptenergiequelle liegt in der Nähe des Quartiers unterhalb der Äußeren Kanalstraße, einer Hauptverkehrsstraße. Auf einer Länge von rund 120 m wird ein Wärmeübertrager dort dem träge vorbeifließenden Abwasser Wärme entziehen. Die Firma Uhrig Energie aus Geisingen in Baden-Württemberg stellt die Wärmeübertrager-Technik zur Verfügung.
Abwasser als Wärmequelle hat zwei Vorteile: Abwasser liefert im Winter mit mindestens 10 bis 12 °C recht verlässlich Wärme, die ein effizientes Arbeiten der Wärmepumpen ermöglicht. Und diese Energie steht passend zum Wärmebedarf zur Verfügung: Gerade im urbanen Raum, wo viel Wärme benötigt wird, fällt viel Abwasserwärme an.
Pufferspeicher speist lokales Wärmenetz
Die Wärmepumpe in der Energiezentrale soll den auf den Dächern erzeugten Solarstrom sowie echten Ökostrom aus dem Netz nutzen, um das Heizwasser auf Temperatur zu bringen und einen 20 m3 großen Pufferspeicher zu befüllen. Aus diesem Speicher soll das quartierseigene Wärmenetz gespeist werden. Bei Spitzenlast oder besonders viel lokal erzeugter Solarenergie soll eine Power-to-Heat-Anlage zugeschaltet werden. Und um das Trinkwasser zu erhitzen, sind dezentrale Wohnungsstationen in den einzelnen Wohneinheiten vorgesehen. Um dieses Energiekonzept umzusetzen, arbeiten die Projektpartner mit den Stadtentwässerungsbetrieben Köln, in deren Kanäle die Wärmeübertrager eingebracht werden, zusammen. Und das Bundesland fördert das Bauprojekt mit rund 12,6 Mio. € aus der öffentlichen Wohnraumförderung.
Broschüre zur Abwasserwärme
Um das Potenzial der im Abwasser enthaltenden Wärme umfassend zu nutzen, haben die DWA und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), Berlin, bereits im August die Informationsbroschüre „Abwasserwärme effizient nutzen – rechtliche und technische Rahmenbedingungen“ veröffentlicht. Die Broschüre schildert die verschiedenen technischen Möglichkeiten der Abwasserwärmenutzung und geht detailliert auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Möglichkeiten und Hindernisse ein.
Stefan Bröker leitet die Stabsstelle Kommunikation und Medien bei der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA)