Innovative Steuerungstechnik für stetig veränderliche Anforderungen
Steuerungen mit offener Architektur sind im Trend: Losgelöst von den Einschränkungen der bekannten Standards lassen sich mit einfachen Werkzeugen selbst komplexe Applikationen im Maschinen- und Anlagenbau umsetzen.
Ende 2017 kam die erste derartige Steuerung mit offener Architektur des Trendsetters Phoenix Contact auf den Markt. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die zuvor üblichen Einschränkungen bekannter Lösungen umgeht. Zu den Hard- und Software-Tools gehören seit Kurzem auch links anreihbare Erweiterungsmodule für die „PLCnext“-Controller.
Bei PLCnext handelt es sich um ein offenes Ecosystem für die moderne Automatisierung, das alle Anforderungen der IoT (Internet of Things)-Welt erfüllen soll. Dessen Kombination aus offener Steuerungsplattform, modularer Engineering-Software und systemischer Cloud-Integration sorgt für eine einfache Adaption an sich verändernde Forderungen der Anwender und an eine effiziente Nutzung von existierenden und zukünftigen Software-Diensten.
Für jede Aufgabenstellung das passende Werkzeug
Durch den Einsatz der Werkzeuge kann jede Projektaufgabe mit dem geeigneten Tool realisiert werden. Für regelungstechnische Anwendungen kommt beispielsweise „Matlab/Simulink“ zum Einsatz, Visualisierungen werden in „C#“ geschrieben und die aufgenommenen Daten in der Proficloud gespeichert. Die in den verschiedenen Disziplinen erzeugten Projektteile lassen sich anschließend im Engineering-Tool „PLCnext Engineer“ zusammenführen, ohne dass sich der Entwickler Gedanken über Determinismus und Echtzeitfähigkeit machen muss. Das übernimmt die PLCnext-Firmware.
Das Ziel eines offenen Steuerungssystems ist mit der offenen Firmware-Architektur allerdings nicht zu Ende gedacht: 2019 wurde die flexible Erweiterung der Steuerungen durch ein Linksanreihungssystem vorgestellt. Unabhängig vom Angebot einer entsprechenden Softwarelösung steht jetzt eine Hardware mit vielen Freiheitsgraden zur Verfügung.
Grenzen bestehender Systeme
In den letzten Jahren wurden zusätzliche Aufgaben in die Steuerung verlagert, die nun weit mehr als die Eingabe, Verarbeitung und Ausgabe von Daten leisten muss. Daher waren die Grenzen klassischer Steuerungssysteme schnell erreicht. Aufgrund der Individualität der Echtzeit-Betriebssysteme erweist sich die Erweiterung der SPS (speicherprogrammierbaren Steuerung) außerhalb des Laufzeitsystems als aufwendig und teuer. Darüber hinaus kann ein solcher Schritt nicht abschätzbare Auswirkungen auf das Echtzeitsystem haben. Doch es geht auch einfacher: Das offene Steuerungssystem besteht aus in sich geschlossenen Komponenten, die nur über definierte Schnittstellen miteinander kommunizieren. So lassen sich Einflüsse besser beurteilen und neue Funktionen rascher integrieren – unabhängig davon, ob die Funktionen in Echtzeit laufen müssen oder nicht.
Erweiterung um bislang nicht notwendige Funktionen
In einer schnelllebigen Zeit ist es nahezu unmöglich, Expertenwissen in allen Bereichen der Automation aufzubauen. Außerdem liegt die Halbwertszeit des Know-hows im IT-Bereich bei weniger als zwei Jahren. Vor diesem Hintergrund sollen sich Steuerungssysteme schnell an geänderte Rahmenbedingungen anpassen und Expertenwissen einfacher in sie einbeziehen lassen. Mit der PLCnext-Technology ist ein Ecosystem entstanden, das neben den Steuerungen die Engineering-Umgebung (PLCnext Engineer), den offenen Online-Marktplatz (PLCnext Store), den Erfahrungsaustausch in der entsprechenden Community und die Proficloud mit einschließt.
Im Steuerungsportfolio finden sich Geräte unterschiedlicher Leistungsklassen. Als Unterkategorie erlaubt nun das Linkanreihungssystem die Erweiterung der SPS in „Axioline“-Bauform um Funktionen, die sie bislang nicht umfasst hat. Die Linksanreihungsmodule, die lediglich in Verbindung mit der passenden SPS verwendet werden können, tauschen Daten über PCIe aus. Auf der linken Seite der Steuerung werden Bussockel-Module zur Rangierung des PCIe-Busses genutzt. Ein Versteckschutz sorgt dafür, dass der Mitarbeiter die Bussockel- und Extension-Module korrekt ineinandersteckt. Die Anzahl der anschließbaren Erweiterungsmodule wird durch die physikalischen Grenzen der SPS und des PCIe-Busses limitiert.
Anreihung von bis zu vier Modulen
Das Linksanreihungssystem lässt sich nur mit den Controllern „AXC F 2152“ und „AXC F 3152“ betreiben. In ersterem ist eine PCIe-Schnittstelle vom Typ Gen1 mit einer Lane integriert. Das begrenzt die Anzahl der ankoppelbaren Geräte auf ein Modul und dessen Datenbreite auf maximal 2 Gbit/s. Beim zweiten Controller wird die PCIe-Schnittstelle als Gen2 mit zwei Lanes ausgeführt; die Anzahl der anbindbaren Module also auf zwei und die maximale Datenbreite auf 4 Gbit/s pro Lane beschränkt. Dabei ist es egal, welche Funktion die Module haben sowie in welcher Reihenfolge sie angeschlossen sind. Das Zusammenspiel von PLCnext-Steuerung und Extension-Modulen scheint auf den ersten Blick „unspektakulär“ – wenn es nicht das Modul „AXC F XT EXP“ geben würde.
Dieses Erweiterungsmodul fungiert als PCIe-Switch, der die Restriktion hinsichtlich der maximal anreihbaren Anzahl an Modulen aufbricht. Durch dessen Einsatz lassen sich jetzt drei zusätzliche Extension-Module stecken – und dass bei gleichbleibender Datenbreite. Der AXC F 3152 kann sogar um vier Erweiterungsmodule ergänzt werden. Somit sind der Flexibilität der PLCnext-Steuerungen keine Grenzen gesetzt.
Wie genau funktioniert das Erweiterungsmodul? Die eine PCIe-Lane, die linksseitig aus der Steuerung AXC F 2152 herausgeführt ist, wird an das Extension-Modul angebunden, welches das Signal aufbereitet und an einen PCIe-Switch weitergeleitet. Der Switch macht dann aus der einen PCIe-Lane drei neue PCIe-Lanes. Diese werden auf der linken Seite des Extension-Moduls erneut bereitgestellt. In das Bussockel-Modul ist eine geeignete Leiterführung eingebaut. Sie sorgt dafür, dass die erste Lane dem nachfolgenden Erweiterungsmodul zugeführt wird. Die beiden anderen Lanes stehen den weiteren Extension-Modulen zur Verfügung.
Aufbau komplett voneinander getrennter Netzwerke wird möglich
Das aktuelle Portfolio an Erweiterungsmodulen umfasst sämtliche relevanten Funktionen. Das Modul „AXC F XT ETH 1TX“ stellt eine Ethernet-Schnittstelle bereit. Eine eigene MAC-Adresse im Gerät erlaubt es, dass der Anwender physikalisch komplett voneinander getrennte Netzwerke aufbauen kann. Für die IT-Sicherheit einer Anlage spielt diese Eigenschaft eine wesentliche Rolle, denn eine Steuerung lässt sich so in zwei verschiedenen Netzwerken nutzen.
Beim Extension-Modul „AXC F XT IB“ handelt es sich um einen Interbus-Master, über den entsprechende Bestandsanlagen weiterlaufen können. Ferner lassen sich bestehende Interbus-Applikationen modernisieren, um von den neuen Features der PLCnext-Architektur zu profitieren. Das Erweiterungsmodul „AXC F XT PB“ dient als vollwertiger Profibus-Master, an den bis zu 125 Profibus-Teilnehmer angebunden werden können. Das Modul kommuniziert sowohl zyklisch (DP V0) als auch azyklisch (DP V1).
Einbindung von maximal 300 Profisafe-Devices
Das Extension-Modul „AXC F XT SPLC 1000“ arbeitet als Safety-Steuerung, die sicherheitsgerichtete Aufgaben übernimmt. Über das Modul können bis zu 32 Profisafe-Devices an das Netzwerk eingebunden werden. Das Engineering ist vollständig in das Tool PLCnext Engineer integriert, was die Programmierung der Anwendung vereinfacht. Reichen 32 Profisafe Devices nicht aus, greift der Nutzer zur nächstgrößeren links anreihbaren Safety-Steuerung: An dieses Erweiterungsmodul lassen sich maximal 300 Profisafe Devices ankoppeln. Beide Sicherheitssteuerungen bieten einen Sicherheits-Integritäts-Level von 3 (SIL 3). Erstmals können sicherheitsrelevante C-Funktionen nachgeladen werden, sodass sich die Applikationsentwicklung beschleunigt.
Das Erweiterungsmodul AXC F XT ML 1000 ist für den Einsatz von künstlicher Intelligenz designt worden. Es beinhaltet eine Tensor Processing Unit (TPU), die als Hardware-Beschleuniger fungiert. Dies ist notwendig, weil Machine-Learning-Applikationen rechenintensiv sind und das auf der Steuerung befindliche Prozessorsystem komplett auslasten würden. Durch Nutzung des Moduls werden die das Machine Learning betreffenden Operationen über ein Highspeed-Interface ausgelagert und die Steuerung erhält nur die Ergebnisse, auf die sie angemessen reagieren kann. Schließlich übernimmt das Extension-Modul „AXC F XT SSD“ die Funktion eines Massenspeichers. Seine Speichergröße kann während des Bestellvorgangs konfiguriert werden. Zur Anwendung kommt der AXC F XT SSD hauptsächlich in Datalogging-Applikationen.
Lösungsoptionen von der Modernisierung bis zur Roboterzellensteuerung
Der Einsatzbereich der Extension-Module erweist sich als vielfältig. Liegt der Fokus der Anwendung auf der Konnektivität, erweist sich bei der Projektplanung eine kleinere Steuerung als gute Wahl. Laufende Anlagen lassen sich modernisieren, sodass sie dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. In Kombination mit dem Controller AXC F 2152 wird das Modul AXC F XT ETH 1TX häufig zur Trennung von zwei Netzwerken innerhalb der Anlage verwendet, um den Security-Anforderungen gerecht zu werden. Das Safety-Erweiterungsmodul AXC F XT SPLC 1000 lässt sich beispielsweise zur Automation einer Roboterzelle nutzen, in die sicherheitsrelevante Lichtschranken, Sicherheitstüren und Notaus-Taster zu integrieren sind.
Als wesentlicher Bestandteile des Ecosystems PLCnext Technology (www.phoenixcontact.de/plcnext) stellt das Linksanreihungssystem somit für nahezu jede Applikation die passende Lösung zur Verfügung. In puncto Offenheit und Flexibilität bleibt dabei kein Wunsch offen. In Summe zeigen sich die Erweiterungsmodule als innovative Lösung in schnelllebigen Zeiten.
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Alexander Japs, M.Sc., ist Mitarbeiter im Geschäftsbereich Control Systems bei der Phoenix Contact Electronics GmbH in Bad Pyrmont. Foto: Phoenix Contact