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Nachhaltigere E-Mobilität 18.06.2024, 12:06 Uhr

Kann ein Roboter eigenständig Batteriesysteme demontieren?

E-Mobilität boomt – doch was passiert eigentlich mit den Unmengen ausgedienter Batterien? Das Fraunhofer IPA testete im Rahmen eines Forschungsprojekts, wie sich Batteriesysteme mithilfe eines Industrieroboters erfolgreich zerlegen lassen. Wertvolle Komponenten können somit recycelt werden.

Ein Mitarbeiter des Fraunhofer IPA beobachtet die Arbeitsschritte: Die effiziente, roboterunterstützte Batteriedemontage sorgt dafür, dass sich das Batterierecycling auch wirtschaftlich lohnt. Foto: Kuka

Ein Mitarbeiter des Fraunhofer IPA beobachtet die Arbeitsschritte: Die effiziente, roboterunterstützte Batteriedemontage sorgt dafür, dass sich das Batterierecycling auch wirtschaftlich lohnt.

Foto: Kuka

Im März 2023 trafen die EU-Staaten eine Entscheidung von enormer Tragweite: Ab 2035 dürfen in Europa nur noch emissionsfreie Pkw und Kleintransporter neu zugelassen werden [1]. Spätestens seit diesem Moment steht fest: Die Zukunft der Automobilbranche liegt in der E-Mobilität. Das zeigen auch die Prognosen: Fuhren 2022 weltweit rund 27,7 Millionen Elektrofahrzeuge herum, sollen es laut Internationaler Energieagentur (IEA) bis 2030 mehr als 226 Millionen sein [2]. In Deutschland werden dann fast ein Viertel aller Pkw E-Autos sein [3] – momentan sind es gerade zwei Prozent [4].

Je mehr Elektroautos, desto mehr Alt-Batterien

Es gibt nur ein Problem: Mit immer mehr batterieelektrischen Fahrzeugen wächst auch der Berg an ausgedienten Batterien. Denn diese haben aktuell nur eine durchschnittliche Lebensdauer von etwa zehn Jahren. Gleichzeitig werden die Rohstoffe für ihre Produktion zunehmend knapper und teurer. Eine Lösung lautet Batterierecycling. Und hier kommen Industrieroboter eines renommierten deutschen Maschinenbauers ins Spiel.

Im erfolgreichen Projekt „DeMoBat“ zur industriellen Batteriedemontage am Fraunhofer IPA in Stuttgart spielte Technologie des Augsburger Roboterspezialisten eine zentrale Rolle.

Foto: Kuka

Mithilfe des Robotermodells „KR Quantec“ hat das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart vorgemacht, wie es gehen kann: Im Forschungsprojekt „DeMoBat – Industrielle Demontage von Batterien und E-Motoren“ untersuchten Expertinnen und Experten von zwölf Verbundpartnern über mehrere Jahre, wie Batteriesysteme von E-Autos sowohl nachhaltig als auch wirtschaftlich sinnvoll wiederaufbereitet werden können. Insgesamt wurden in dem Projekt acht Technologien vollumfänglich als Demonstrations- und Erprobungswerkzeuge aufgebaut, die für den industriellen Dauerbetrieb einsetzbar wären.

Menschliche Demontage ist komplex und lebensgefährlich

Im Fokus stand im Projekt die Demontage der Batterien. Denn die Voraussetzung, um deren Komponenten wiederverwerten zu können, ist eine sortenreine Zerlegung in ihre Bestandteile – und die ist gar nicht so einfach. „Die Demontage von Batterien bringt drei große Herausforderungen mit sich“, erklärt Anwar Al Assadi, Gruppenleiter am Fraunhofer IPA. „Erstens braucht man dafür speziell qualifizierte Fachkräfte, denn die Arbeit mit Hochvolttechnologien bedarf einer besonderen und oft zeitintensiven Ausbildung. Zweitens ist die manuelle Demontage wegen der hohen Spannung und gefährlicher Gase mit einem Gesundheitsrisiko verbunden, im schlimmsten Fall kann es zu Selbstzündungen kommen. Und drittens dauert die Zerlegung per Hand sehr lange und ist entsprechend kostenintensiv. Das lässt das Recycling aktuell oft noch unrentabel erscheinen.“

Dis sind Herausforderungen, die „wie geschaffen“ sind für eine roboterbasierte Lösung. So wurde ein passender Roboter mit einer Traglast von 270 Kilogramm komplett durch die am Fraunhofer IPA entwickelte Software „pitasc” betrieben sowie mittels des „Kuka.RobotSensorInterface“ gesteuert, was die Anbindung externer Sensoren erleichterte. „Auf diese Weise konnten wir wichtige Demontageschritte in Echtzeit regeln und damit diverse Vorgänge automatisieren, die bislang per Hand gemacht werden mussten.“

Roboter übernimmt die unterschiedlichsten Aufgaben

Die Technologie der Augsburger hilft bei der Batteriedemontage dabei, drei Probleme auf einmal zu lösen: Die Anwendung von Robotern mindert den Fachkräftemangel, minimiert das Sicherheitsrisiko für die Mitarbeitenden und sorgt durch Effizienz dafür, dass sich das Batterierecycling auch wirtschaftlich lohnt. Bewegen müssen sich die Hersteller bei diesem Thema ohnehin: Eine deutlich strengere EU-Batterieverordnung verpflichtet seit 2023 unter anderem dazu, dass neue Batterien einen erhöhten Anteil recycelter Materialien beinhalten – selbst, wenn diese nach Europa importiert wurden.

Der Roboter führt unterschiedlichste Arbeitsschritte durch: über das Lösen von Schrauben bis zum Öffnen von Dichtungsfugen oder das Trennen von Kabeln.

Foto: Kuka

Wie wertvoll Roboter bei dieser Aufgabenstellung sein können, zeigt eindrucksvoll das erfolgreiche Forschungsprojekt des Fraunhofer IPA. Hier führte der KR Quantec bei der Demontage unterschiedlichste Arbeitsschritte durch: über das Lösen von Schrauben bis zum Öffnen von Dichtungsfugen oder das Trennen von Kabeln. „Das Komplexe ist, dass unglaublich viele unterschiedliche Batteriesysteme auf dem Markt sind“, erzählt Anwar Al Assadi. „Und jedes sieht innen anders aus.“ Teilweise würden die Hersteller den Aufbau der Batteriesysteme selbst innerhalb derselben Fahrzeugserie verändern. Als Sechs-Achs-Knickarmroboter ist das gewählte Modell hier genau richtig: Mit seinen sechs Freiheitsgraden kann es sich optimal auf die unterschiedlichen Maße und Geometrien des Batteriesystems einstellen und bewältigt durch seine Traglast auch die hohen Drehmomente.

Egal welches Batteriesystem – die Lösung „funktioniert

Entsprechend braucht es eine Software wie die genannte „pitasc”-Lösung des Fraunhofer IPA, die im Zusammenspiel mit den Roboter-Komponenten unabhängig vom jeweiligen Batteriemodell erkennt, was zu tun ist. Unterstützende Bildverarbeitungssysteme zum automatischen Erfassen von Schrauben und anderen Komponenten machten das manuelle Anlernen des Roboters für jeden einzelnen Prozessschritt überflüssig. Um Kollisionen mit Bauteilen zu verhindern, folgt nach jedem Demontageschritt eine Erfolgskontrolle über Sensoren und 3D-Kamerasysteme. Anschließend wurden die Signale an die zentrale Prozesssteuerung übertragen und damit ein sicherer Prozessablauf gewährleistet.

Unterstützende Bildverarbeitungssysteme zum automatischen Erkennen von Schrauben und anderen Komponenten machten das manuelle Anlernen für jeden einzelnen Prozessschritt überflüssig.

Foto: Kuka

Kompliziert sei, sagt Al Assadi, dass die Autobauer in den Batterien so viele Komponenten wie möglich auf engstem Raum unterbringen müssen. Das schränke den Bewegungsspielraum bei der Demontage extrem ein. Weitere Herausforderungen seien die variierende Lage von Kabeln oder die vielen Verklebungen einer Batterie, die sich viel schwerer automatisiert lösen lassen als Schrauben. „Aber auch hierfür haben wir Lösungen gefunden, die wir jetzt für den industriellen Einsatz weiterentwickeln möchten.“ Entscheidend sei es, flexible Anlagen zu bauen – nicht zuletzt, weil sich die Bauweise der Batterien etwa im Halbjahrestakt grundlegend ändere.

Vorteile des ausgewählten Robotermodells

In dieser Aufgabenstellung ist die Vielseitigkeit einer der großen Vorzüge der KR-Quantec-Serie: „Aufgrund der schlanken Geometrie und des kleinen Footprints kann eine flexible und zukunftsorientierte Anlage gebaut werden“, sagt Thomas Schmidberger, Global Business Development Manager Electronics bei Kuka. „Außerdem ist er wie alle unserer Roboter standardmäßig ESD-zertifiziert, um einen sicheren Umgang mit elektrostatisch sensitiven Bauteilen zu gewährleisten.“

Zudem überzeugt die neue Generation dank standardmäßiger DC-Controller durch besondere Energieeffizienz: Sowohl in der Bewegung als auch im Standby-Betrieb konnte die Energieaufnahme signifikant reduziert werden. In der Produktionsbewegung verbrauchen die Sechsachser – unter anderem durch das Zurückgewinnen von Bremsenergie – rund 30 Prozent weniger Energie als das Vorgängermodell, beim Betriebszustand „Warten in der Regelung“ sind es gar 60 Prozent weniger.

Hohe Flexibilität und eine niedrige TCO zeichnen das gewählte Robotermodell aus.

Foto: Kuka

Damit ist die Baureihe nicht nur für die Demontage von Batterien, sondern für völlig unterschiedliche Einsatzgebiete attraktiv. Der schlanke Baukasten verspricht zudem passgenaue Roboter und schnelle Lieferzeiten – und unterm Strich niedrige Total Cost of Ownership (TCO). Denn der Wartungsaufwand ist minimiert und die Anzahl an Ersatzteilen reduziert. Mit 120 bis 300 Kilogramm zählen die Roboter der Serie zudem zur hohen Traglastklasse und verfügen in diesem Bereich über das größte Traglast- und Reichweiten-Portfolio auf dem Markt. Die Möglichkeit, die Traglast im Feld hochzurüsten, und die Motion Modes für hohe Prozessqualität machen sie zu einer ebenso sinnvollen wie sicheren Investition in die Zukunft jeder Produktion.

Das gilt auch für das Feld der Batteriedemontage, zumal sich die Elektrofahrzeug-Industrie in den kommenden Jahren rasant entwickeln wird: Experten erwarten, dass das globale Marktvolumen für E-Fahrzeuge von knapp 420 Milliarden US-Dollar (2022) bis 2028 auf mehr als 770 Milliarden US-Dollar steigt [5]. Wie sich dieses große Potenzial mit Blick auf das Batterierecycling von Auto OEMs (etwa mit EV-Recycling inhouse), Batterieproduzenten oder Recyclingfirmen nutzen lassen könnte, haben nun die Versuchsreihen des Projekts DeMoBat am Fraunhofer IPA gezeigt. Interessierte Unternehmen können die Machbarkeit einer robotergestützten Demontage ihrer Produkte beim Fraunhofer IPA prüfen lassen. Zudem arbeitet das Institut daran, Produkte initial für die Demontage zu optimieren.

Bewährte Zusammenarbeit

Die Projektarbeit war übrigens für alle Beteiligten keine neue Erfahrung: In der Entwicklung und Erprobung seiner Technologien arbeitet der Augsburger Roboterspezialist bereits seit Jahrzehnten vertrauensvoll mit dem Fraunhofer IPA zusammen. So wurde vor etwa 20 Jahren gemeinsam der erste Reinraum-Roboter entwickelt, es folgten die ESD-Zertifizierungen dutzender Produkte und viele weitere Projekte. Dies steht für ein Zusammenspiel von Industrie und Wissenschaft, das sich bei DeMoBat einmal mehr bewährt hat: „Wir haben hier Europas größte Versuchsanlage für die Demontage von Batterien aufgebaut“, sagt Anwar Al Assadi nicht ohne Stolz. „Und wir haben damit gezeigt, wie Automatisierungslösungen eine entscheidende Rolle dabei spielen können, um E-Mobilität noch nachhaltiger zu machen.“

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Literatur

  1. 1ttps://www.zdf.de/nachrichten/politik/eu-abstimmung-verbrenner-zukunft-100.html
  2. 2ttps://www.zsw-bw.de/mediathek/datenservice.html#c6700
  3. 3ttps://de.statista.com/statistik/daten/studie/1202904/umfrage/anteil-der-elektroautos-am-pkw-bestand-in-deutschland/
  4. 4ttps://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/autos-zulassungszahlen-100.html
  5. 5ttps://de.statista.com/statistik/daten/studie/1261911/umfrage/weltweites-marktvolumen-der-elektrofahrzeuge/
Von Kuka / Birgit Etmanski