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Automatisierung für den Mittelstand 14.10.2024, 09:34 Uhr

Können modulare Roboter die Fertigungsbranche voranbringen?

Smart Manufacturing ist ein zentrales Thema in der Fertigungsbranche. Denn neben Effizienzsteigerungen beeinflussen Fachkräftemangel, hohe Kundenerwartungen, Qualitätsstandards und regulatorische Anforderungen die Fertigungsprozesse. Doch wie gelingt der Weg zur „Industry-X“?

Autonome und "intelligente" Robotik. die ein innovatives Start-up entwickelt. unterstützt Unternehmen beim Einstieg in die Welt der Automatisierung und bei der Transformation hin zur Industrie 4.0. Grafik: RobCo

Autonome und "intelligente" Robotik. die ein innovatives Start-up entwickelt. unterstützt Unternehmen beim Einstieg in die Welt der Automatisierung und bei der Transformation hin zur Industrie 4.0. Grafik: RobCo

Fortschrittliche Unternehmen setzen auf Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), fortschrittliche Datenanalysen und Digitalkomponenten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Viele Produktionsanlagen haben jedoch Schwierigkeiten, mit der digitalen Entwicklung Schritt zu halten, und die Umsetzung von Industry-X [siehe 1] ist oft fragmentiert. Die Integration von Robotik und KI wird daher eine maßgebliche Rolle für die Zukunft der Fertigung spielen, da sie hochdynamische und flexible Produktionskonzepte möglich macht, Kosten senkt und eine Antwort auf den Fachkräftemangel bietet. Erläutert wird, wie flexibel einsetzbare und intelligente Roboter den Mittelstand unterstützen können.

Vorteile modular konzipierter Roboter

Industrieroboter sind oft kostspielig und unflexibel. Die Einrichtung dauert meist Monate und die verfügbaren Funktionen sind begrenzt. Proprietäre Software führt zu Vendor-Lock-in und schränkt die Möglichkeiten ein. Predictive Maintenance (prädiktive Instandhaltung) und Produktions-Transparenz bleiben oft Wunschträume. Die Integration in Betriebsprozesse wie ERP (Enterprise-Resource-Planning), die Anbindung an Legacy-Maschinen und IoT (Internet-of-Things)-Systeme sowie die Überwachung von KPIs (Key-Performance-Indicators – wichtige Leistungskennzahlen) sind schwierig. Denn die Systeme sind komplex sind. Sie verwenden unterschiedliche Protokolle und erfordern darüber hinaus erhebliche Investitionen sowie Betriebsunterbrechungen. Insgesamt sorgen die Einführung und Anpassung dieser Roboter im laufenden Betrieb eher für Sorgen als für Vorfreude.

Modulare Roboter, wie sie RobCo aus München entwickelt, adressieren diese Probleme. Das deutsche Start-up – im Jahr 2020 am Lehrstuhl für Robotik und Künstliche Intelligenz an der Technischen Universität München gegründet – hat das Ziel, dem industriellen Mittelstand anpassungsfähige, erschwingliche und vernetzte Roboter-Lösungen, um sich wiederholende manuelle Aufgaben zu automatisieren. Die Roboter basieren auf einem modularen Bausatz-System und können flexibel umgebaut und für verschiedene Zwecke eingesetzt werden. Der Plug-and-Play-Ansatz sorgt für einen schnellen Auf- oder Umbau in wenigen Tagen – und dies ohne umfangreiche Programmierkenntnisse.

Komponenten: Die Kits erlauben auf Basis der vertikal integrierten Hardware- und Software-Plattform einen modularen, intuitiven Aufbau von Robotik-Anwendungen.

Foto: RobCo

Dank der No-Code-Software können die Roboter remote über einen digitalen Zwilling konfiguriert und gemanagt werden – ganz ohne geschultes Fachpersonal. Modulare Roboter setzen zudem auf offene Plattformen mit API-Zugriff und bringen IoT-Funktionalität mit, was Predictive Maintenance ermöglicht. Software-Updates erfolgen „over the air“, wodurch die Aktualisierung und Wartung einfacher gestalte wird.

Konkretes Einsatzbeispiel zeigt den Nutzen

Ein für viele Branchen plakatives Beispiel ist die Qualitätssicherung (QS) durch KI im Zusammenspiel mit stationären Robotern. Die QS von Werkstücken und Komponenten ist in der Fertigung eine zentrale Herausforderung. Stichprobenkontrollen sind üblich, da eine vollständige manuelle Überprüfung unwirtschaftlich wäre. Roboter mit Kameras oder Laserscannern und KI-gestützter Objekterkennung überwachen Teile direkt im Fertigungsprozess. Diese Kombination aus Robotern und KI führt zu hoher Automatisierung und Flexibilität, optimiert Prozesse, steigert gleichermaßen Geschwindigkeit und Produktionsqualität und senkt Kosten. Manuelle Aufwände werden erheblich reduziert.

Für die Qualitätskontrolle von Schweißnähten bei OEMs zum Beispiel wird KI-basierte Technologie verwendet. Ein 3D-Laserprofilsensor am Roboterarm ermöglicht präzise Scans von Schweißverbindungen, die auf Fehler wie falsche Abmessungen, Poren oder Unterbrechungen überprüft werden. Diese Lösung wird von Automobilherstellern genutzt, um Echtzeitanalysen und Ursachenanalysen durchzuführen und die Schweißroboter automatisch neu zu konfigurieren, wodurch die Produktqualität kontinuierlich verbessert wird.

Digitale Zwillinge im „Omniverse“

Digitale Zwillinge ermöglichen die präzise und realistische Visualisierung von Roboterarmen im Omniverse [siehe 2], indem ein 3D-Modell des Roboters im „Universal Robot Description Format“ (URDF) geladen und kontinuierlich aktualisiert wird. Diese Technologie bietet zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten:

  • Fernüberwachung der Produktion: Produktionsleiter können Abläufe und Prozesseffizienz überwachen und Optimierungen vornehmen, ohne physisch vor Ort zu sein. Besonders nützlich bei mehreren Standorten oder eingeschränktem Fabrikzugang.
  • Simulation von Bewegungsabläufen: Vorab programmierte Simulationen, wie die „Schweißnahtprüfung mittels Lasersensor“, ermöglichen die Planung und Vorhersage von Roboteraktionen vor der Implementierung neuer Prozesse.
  • Manuelle Steuerung über Benutzeroberfläche: Nutzer können den digitalen Zwilling und den physischen Roboter über ein Webinterface manuell steuern. Das ermöglicht die Erprobung und Optimierung von Roboterpositionierungen in einer virtuellen Umgebung, bevor sie real getestet werden.

Die Lösungen sind insbesondere für mittelständische Industriebetriebe konzipiert, für die sich der Maschineneinsatz nur lohnt, wenn diese schnell und flexibel für wechselnde Aufgaben umprogrammiert werden können.

Foto: RobCo

Die Bewegungsdaten der Roboterarme sind leicht übertragbar und werden in der Cloud verarbeitet. Eine sichere VPN-Verbindung gewährleistet die Datenintegrität und ermöglicht den Zugriff auf die Visualisierungen über einen Webbrowser von nahezu jedem Endgerät aus.

Steuerung des Roboters mit einer XR-Brille

Die Steuerung des Roboters mit einer XR-Brille bietet eine innovative Methode der Interaktion. XR steht für „Extended Reality“ und umfasst alle Technologien, die reale und virtuelle Welten miteinander verbinden. Durch die Nutzung der „REST API“ des Roboters kann er von verschiedenen Anwendungen aus gesteuert werden, wobei lediglich eine VPN-Verbindung und Kenntnisse über die spezifischen API-Befehle erforderlich sind. Eine eigens entwickelte Anwendung für die Brille ermöglicht es, den Roboter direkt über intuitive Knopfdrücke zu steuern, ohne die Notwendigkeit eines zusätzlichen PCs. Diese Anwendung kann mit anderen AR (Augmented-Reality)-Funktionen der Brille kombiniert werden, was ein immersives und nahtloses Erlebnis schafft.

Ein konkretes Beispiel ist die Verwendung eines Unterdruckmoduls, um einen Würfel von einem Ort zum anderen zu bewegen. Dieser Vorgang wird über ein speziell optimiertes Web-Dashboard gesteuert, was die Flexibilität der Steuerungsmöglichkeiten des Roboters verdeutlicht. Zusätzlich ermöglicht die Nutzung der Brille den Zugriff auf das Roboter-Dashboard, um Parameter wie Geschwindigkeit und Beschleunigung anzupassen.

Fazit

Die Einführung modularer Roboter markiert einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Realisierung von Industry-X in der Fertigungsbranche. Durch ihre Flexibilität und Intelligenz versprechen sie, die Automatisierung von Fertigungsprozessen auf ein neues Niveau zu heben. Mit der Integration digitaler Zwillinge wird es möglich sein, Produktionsabläufe virtuell zu überwachen und zu optimieren, was zu einer effizienteren und agileren Fertigung führt.

  1. Industry-X ist eine Weiterentwicklung von Industrie 4.0, die neben der Digitalisierung und Automatisierung von Produktionsprozessen auch Nachhaltigkeit und die Integration von Datenökosystemen wie Catena-X umfasst. Durch Industry-X können Unternehmen ihre gesamte Wertschöpfungskette in Echtzeit simulieren, verfolgen, optimieren und Innovationen einführen. Dies führt zu schnellerer und kosteneffizienterer Produktion bei gleichzeitiger Minimierung der Umweltbelastung.
  2. Omniverse, entwickelt von NVIDIA, ist eine Plattform für virtuelle Welten und Simulationen. Sie kombiniert Echtzeit-Rendering, Simulation und maschinelles Lernen, um Nutzern die Interaktion in gemeinsamen virtuellen Umgebungen zu ermöglichen.

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