Sensorik als Qualitäts- und Automatisierungstreiber in der Produktion
Ist die Sensorik ein „Kostenfresser“ und Verursacher von Datenfluten – oder doch eher ein Produktionshelfer und Qualitätssicherer? Dieser Fragestellung widmet sich ein Themenschwerpunkt beim Leipziger Messetrio aus Intec, Z und GrindTec.
Beim Thema „Einsatz von Sensorik in der Fertigung“ gehen die Erfahrungen auseinander. Die fortschreitende Automatisierung und Digitalisierung der Produktion erfordere jedoch den zielgerichteten Einsatz von innovativer Sensorik, so die Meinung der „Messemacher“ und der beteiligten Fachexperten. Deshalb bietet der internationale Messe-Verbund vom 7. bis zum 10. März 2023 auf dem Leipziger Messegelände diesem industriellen Schlüsselthema eine eigene Plattform, auf der sich Anwender und Anbieter zu aktuellen Lösungen und zukünftigen Trends austauschen können.
Kleine Bausteine mit großen Chancen – wenn man sie nutzt
Themen wie zum Beispiel Sensorik im Maschinenbau, intelligente Fertigung mit Sensorik, die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) sowie Effekte für Nachhaltigkeit durch Sensorik stehen bei der Sonderschau und dem Fachforum „Sensorik – Einsatz und Perspektiven in der Fertigung“ im Mittelpunkt. Sie sollen allesamt zeigen, warum das Thema in der Produktion unverzichtbar ist. Die Sonderschau und das Fachforum „Sensorik – Einsatz und Perspektiven in der Fertigung“ demonstrieren den Einsatz, die Effekte sowie die Entwicklungsperspektiven von Sensorik in der Fertigung. Dabei wird deutlich: Die durch diese Technologie erfassten und ausgewerteten Daten sind die Basis für eine erfolgreiche Automatisierung.
Sensoren messen unterschiedliche physikalische und chemische Größen. Sie überwachen Zustände und sind wichtige Bausteine, um ein störungsfreies Arbeiten verschiedenster Systeme zuzulassen. „Sensorik bietet viel Potenzial, um auf die Megatrends unserer Zeit die richtigen Antworten zu finden. Die kleinen Bauelemente helfen beispielsweise, sorgfältiger mit Energie umzugehen. Sie unterstützen eine intelligente Digitalisierung und Automatisierung in Wirtschaft, Verkehr und vielen weiteren Bereichen unseres Lebens. In Leipzig werden wir insbesondere darüber diskutieren, wie moderne Sensorik-Konzepte und -Anwendungen die industrielle Fertigung effizienter und nachhaltiger gestalten. Dafür gibt es in Fachforum und Sonderschau viele Beispiele aus der Praxis“, informiert Dr. Andreas Middendorf vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM. Als Mitglied des Programmbeirates ist er mitverantwortlich für die inhaltliche Ausrichtung des Formats.
Sensortechnik wird immer ausgefeilter
Der Einsatz von Sensoren in der Produktionstechnik ist zwar nicht neu. Die Anforderungen an diese „Augen“ werden jedoch immer anspruchsvoller. „Sensoren kontrollieren die Fertigung und veranlassen rechtzeitig richtige Reaktionen von Maschinen und Anlagen, um eine Null-Fehler-Produktion zu ermöglichen. Diese ,Augen‘ müssen jedoch immer schärfer, also genauer sehen und ihre Umgebung noch schneller erfassen. In der modernen Automation ist eine hochpräzise echtzeitfähige Messtechnik unabdingbar“, sagt Olaf Gerstner. Der Vertriebsingenieur der Micro-Epsilon Optronic GmbH aus Dresden stellt in seinem Vortrag beim Fachforum solche Anwendungen und deren Nutzen in den Mittelpunkt.
Die Sensorlösungen des Unternehmens überwachen beispielsweise den sicheren Lauf von Turbinen und Elektrogroßmaschinen, tragen zur Vermeidung von Gratbildung in Spritzgießmaschinen bei, sorgen für eine berührungslose Dickenmessung in der Batteriezellenproduktion oder übernehmen die Positionsregelung in 3D-Drucksystemen. Über die Anwendungsbreite der Sensoren können sich Interessenten außerdem am Messestand von Micro-Epsilon Optronic auf der Intec informieren.
Im Bearbeitungsprozess jederzeit die Qualität unter Kontrolle
Eine Applikation für die Drehbearbeitung stellt die 3plusplus GmbH in der Sensorik-Sonderschau in Leipzig vor. Das System misst berührungslos die Rauheit von Werkstücken während des Bearbeitungsprozesses und sorgt dafür, dass die Maschine die geforderten Bauteilkennwerte bei Erfordernis rechtzeitig nachregelt. Auch weitere geometrische Merkmale des Werkstückes wie Radien, Fasen oder der Zustand eines Werkzeugs lassen sich damit überwachen. „Der Anwender spart Zeit und Kosten, da er die Qualität seiner Produktion in Echtzeit kontrollieren kann und nicht erst im Nachgang. Die Applikation kann problemlos nachgerüstet werden. Ein Anlernen für die Bedienung ist nicht erforderlich“, nennt Dirk Fromme aus dem Bereich Produktmanagement bei 3plusplus wesentliche Vorteile.
Neben der Pflege bestehender und dem Gewinnen neuer Kundenkontakte hat der Entwickler individueller Software für Automatisierungs- und Messtechnik sowie Werkerführung noch ein weiteres Ziel in Leipzig: „Wir suchen immer auch Partner, mit denen wir unsere Leistungen weiterentwickeln können. Bei der Rauheitsmessung sehen wir zum Beispiel Chancen in der Kombination mit KI sowie in der Ankopplung zusätzlicher Sensorik“, betont Dirk Fromme.
Eine Lösung für das drängende Thema Personalmangel?
Wie optische Erkennung, kamerageführte Robotik und kamerabasierte automatische Laserbearbeitung eine „intelligente“ Fertigung unterstützen, darüber spricht Andreas Plauschin, Vertriebsleiter bei der „Optogon Industrielaser Manufaktur“. Der Maschinenhersteller aus Erlau in Sachsen entwickelt und produziert industrielle Laserbearbeitungsanlagen für das Beschriften, Gravieren und Strukturieren von Werkstücken aus unterschiedlichen Materialien. Neben standardisierten Baureihen werden kundenspezifische Anlagen konzipiert und realisiert.
„Unsere Anlagen bewältigen das automatische Erkennen der Werkstücke durch 2D- oder 3D-Bildverarbeitung sowie kamerageführte Robotik für das ,Bin Picking‘, also den richtigen ‚Griff in die Kiste‘. Zum Spektrum gehören weiterhin die automatische Werkstückbearbeitung sowie schließlich die optische Kontrolle des gelaserten Ergebnisses. Mit hochpräzisen Kameras und spezialisierten Industriesensoren können wir eine prozesssichere Automation gestalten – dies ist auch auf unserem Messestand bei der Intec zu sehen.“
„Neben größeren Unternehmen fragen immer mehr kleine Betriebe individuelle Automatisierungslösungen nach. Dort haben bisher Mitarbeiter die Bauteile für eine Laserbearbeitung oft manuell zu- und abgeführt“, sagt der Vertriebsleiter. Weil es das notwendige Personal mittlerweile kaum mehr gibt, setzen die Firmen verstärkt auf Automatisierung, um ihre Produktionsprozesse aufrecht zu erhalten sowie weiter zu optimieren. Ein weiterer Vorteil: Die Automation „schläft nicht und arbeitet auch am Wochenende“.
Sensorik macht energieeffiziente IT-Anwendungen möglich
Der wachsende Einsatz von Elektronik und KI hat jedoch auch eine Kehrseite. „Je mehr Digitaltechnologien wir nutzen, umso mehr steigt der Energieverbrauch. Wir wollen jedoch genau das Gegenteil erreichen. Ziel ist es daher, auch mit den Mitteln der Sensorik eine nachhaltige Informations- und Kommunikationstechnik gestalten, die ihren Beitrag zur Senkung des CO2-Fußabdrucks leistet“, sagt Dr. Andreas Middendorf vom Fraunhofer IZM.
An diesem Ziel arbeiten Forschende aktuell im Projekt „Green ICT“. Teams von Fraunhofer- und Leibniz-Instituten bauen unter diesem Titel ein Kompetenzzentrum für ressourcenbewusste IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie)-Anwendungen und -Infrastrukturen auf. Dr. Lutz Stobbe, Bereich „Sustainable Networks and Computing (SNC)“ beim Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM, wird Inhalte und Ziele des im August 2022 gestarteten Projekts im Rahmen des Fachforums vorstellen.
Provokante Fragestellungen sorgen letztlich für mehr Klarheit
Nicht nur beim Thema Sensorik und Nachhaltigkeit sind noch viele Fragen zu klären und manche (Vor-)Urteile auszuräumen. Dazu gehören zum Beispiel: Bringt Sensorik überhaupt etwas? Was nützen die vielen Messwerte? Daran verdienen doch nur Externe – so lautet die häufig vorgebrachte Meinung. „Solche Fragen und Ansichten wollen wir bewusst sehr zugespitzt auf dem Fachforum diskutieren. Wir nennen dieses Format ‚Provokium‘, weil wir mit dem Publikum provokante Thesen erörtern und Streitgespräche anregen möchten. Letztendlich wollen wir damit Antworten erhalten, die mehr Klarheit zum Nutzen von Sensorlösungen bringen. So lassen sich Wege für den richtigen Einsatz erschließen“, betont Dr. Middendorf.
Dabei werde auch in der Sensorik künftig „weniger mehr sein“. Middendorf spricht damit Sensorik-Zukunftstrends an: „Virtuelle Simulationen wie digitale Zwillinge sowie die Verknüpfung von Sensorik und KI tragen dazu bei, dass wir langfristig weniger reale Sensoren benötigen und diese nur noch an Schlüsselstellen zum Einsatz kommen. Eine solche verteilte Sensorik gestattet es, Datenmengen und die Datendichte zu reduzieren.“ Und so lässt sich nach seiner Ansicht eine Kommunikation in Echtzeit wirkungsvoll vorantreiben.
Das könnte Sie auch interessieren:
Größte berührungslose Robotermesszelle der Welt arbeitet in einer Gießerei
Wie Messroboter die Qualitätssicherung autonom bewältigen
Ina Reichel, geboren 1963, studierte von 1982 bis 1986 Journalistik in Leipzig und Moskau. Von 1986 bis 1993 war sie in der Wirtschafts- und Kulturredaktion der „Freien Presse“ Chemnitz tätig; danach in der Öffentlichkeitsarbeit für verschiedene Institutionen in Sachsen. Seit 1997 arbeitet sie als freie Journalistin mit den Schwerpunkten Automobil- und Maschinenbau in Chemnitz. Foto: Autor