Aluminium – ein begehrter Werkstoff im Automobilbau
In der Automobilindustrie hat Aluminium in der jüngeren Vergangenheit einen beachtlichen Wandel vollzogen. Hochwertige Produktinnovationen, die wachsende Nachfrage nach Aluminiumteilen und rasante künftige Entwicklungen lohnen einen Blick auf diesen vielseitigen Werkstoff.
Politische Vorgaben zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes sowie die wachsende Nachfrage nach sparsameren Fahrzeugen verlangen von Automobilherstellern erhebliche Anstrengungen, unter anderem beim Materialeinsatz. Stahl wird beispielsweise immer häufiger durch deutlich leichtere Komponenten aus Aluminium ersetzt. Angefangen bei Premiummarken erobert Aluminium zunehmend auch das Segment der Kompaktfahrzeuge im oberen Mittelklassebereich. Vor allem Karosserien bestehen in Teilen oder vollständig aus Aluminium. Für viele steht der Einsatz dieses Werkstoffs aber erst am Anfang: Experten gehen davon aus, dass sich die Nutzung von Aluminium im Automobilbau bis 2020 verdoppeln wird. Für Hersteller von Aluminiumteilen für die Automobilindustrie bedeutet dies, dass Kapazitätserhöhungen einhergehen müssen mit kontinuierlicher Forschung und der Entwicklung neuer Produkte im Schulterschluss mit den Abnehmern.
Renommierter Hersteller beliefert alle OEM im Automobilbau
Als einer der marktführenden Materiallieferanten von Aluminiumhalbzeug – also Aluminiumwaren auf der Produktionsstufe zwischen Rohstoff und Endprodukt (etwa Strangpressprodukte oder Walzprodukte, wie auf Bild 1 zu sehen) – beliefert Constellium nahezu alle Original Equipment Manufacturer (OEMs) in der deutschen Automobilindustrie mit zwei unterschiedlichen Arten: „Automotive Structures“ sind Extrusionsprofile sowie einbaufertige Komponenten und Systeme für Automobilhersteller. „Automotive Body Sheets“ umfassen Aluminiumwalzhalbzeuge – Bänder und Bleche, die von den Automobilherstellern in eigenen Presswerken weiterverarbeitet werden.
Da aufgrund der steigenden Nachfrage durch die Automobilindustrie der Markt für Aluminiumwalzhalbzeuge stetig wächst, ist die Aluminiumindustrie aktuell gefordert, das eigene Produktionsvolumen zu erweitern. Aus diesem Grund hat Constellium in den vergangenen Jahren erheblich in den Ausbau der eigenen Kapazitäten investiert.
Spezifische Anforderungen bei modernen Fahrzeugen
Der wachsende Anteil an Aluminium-Fahrzeugteilen für Karosserien und Strukturen verlangt von den Forschungs- und Entwicklungsteams der Zulieferer eine kontinuierliche Optimierung des Produktportfolios. Mit der erweiterten Nutzung verändern sich auch die Ansprüche an das Material. So müssen Aluminiumbleche, aus denen Türen gefertigt werden, formbarer sein als andere Fahrzeugteile. Gleichzeitig wachsen die Sicherheitserwartungen: Moderne, hochfeste Crash Management Systeme (CMS) aus Aluminium an der Fahrzeugfront und am Heck schützen die Karosserie im Fall einer Kollision und erhöhen so die Sicherheit von Fahrer und Mitfahrern. Durch eine verbesserte Energieabsorption werden bei einem Aufprall auch alle anderen Verkehrsteilnehmer besser geschützt. Experten prognostizieren, dass der Aluminiumanteil im CMS-Bereich in den nächsten fünf Jahren weiter zunimmt, insbesondere bei den europäischen Premium-Fahrzeugen. Bis 2018 wird erwartet, dass der Anteil von CMS-Systemen aus Aluminium 30 % des EU (Europäische Union)-Markts und 20 % des US-Markts ausmachen wird. Die gesamte CMS-Produktion für China, Europa und Nordamerika soll bis 2018 eine Stückzahl von mehr als 28 Millionen Einheiten erreichen.
Ein besonderer Fokus der Automobilsparte von Constellium liegt auf der Konstruktion neuartiger Aluminiumbleche, insbesondere für die Fahrzeug-Außenhaut. Dabei geht es vor allem um eine hohe Formbarkeit, ästhetische Ansprüche/Design sowie den Wunsch nach Leichtbau und Sicherheitsanforderungen.
Hochwertige neuartige Legierung
Constellium hat für die Außenhaut moderner Fahrzeuge die „Surfalex“-Reihe entwickelt. Sie erfüllt die wachsenden Ansprüche an das Design bei Premiumfahrzeugen, Bild 2.
Eine entscheidende Herausforderung, der diese Produktlinie begegnet, sind die „Charakterlinien“ – spitz zulaufende Linien an der Außenhaut für eine markante Optik. Dieser Design-Trend verlangt scharfe Linien, was wiederum erhöhte Anforderungen an die Legierungen bedeutet.
Die Oberflächenqualitäten von Aluminiumteilen sind zudem anspruchsvoller geworden. Es gibt einen Trend zu dünneren Lackierungen – die Toleranz für Unebenheiten in der Oberflächenstruktur („Roping-Linien“) nimmt ab. Die Antwort auf diese Herausforderung liegt in optimierten Heiß-/Kaltphasen während des Walzprozesses.
Surfalex ist eine Aluminium-Magnesium-Silizium-Legierung, die bei führenden Automobilherstellern in Deutschland und weltweit für Bauteile wie Motorhauben, Kotflügel, Türen, Seitenwände oder Heckklappen in großem Umfang zum Einsatz kommt, Bild 3.
Die Legierung beginnt ihren Werdegang als großer, im Blockgussverfahren hergestellter Barren mit engen Toleranzen der Gießbedingungen, um konstante und reproduzierbare Mikrostrukturen zu erhalten. Der Anteil der Hauptlegierungselemente Silizium und Magnesium wurde im Hinblick auf die bestmögliche Balance der Eigenschaften gewählt. Variationen dieser eigenschaftsbestimmenden Elemente werden in viel engeren Toleranzen gehalten als bei herkömmlichen Legierungen. Auch der Anteil an Spurenelementen und Verunreinigungen wie Eisen, Kupfer, Mangan, Chrom oder Titan ist wohldefiniert und wird konstant gehalten, um Variationen der Eigenschaften zwischen Chargen zu verhindern, während gleichzeitig die Kompatibilität zum geschlossenen Wiederverwertungskreislauf erhalten bleibt.
Nach dem Guss findet die thermische Homogenisierung der Barren in großen Durchlauföfen statt. Dies stellt sicher, dass alle Legierungselemente im Metall gleichmäßig verteilt sind. Der Barren wird anschließend in einer Tandemwarmwalzstraße zu einem Warmband gewalzt und aufgewickelt. Während des Warmwalzens werden die Temperatur und der Stichplan bezüglich Abwalzgrad und Geschwindigkeit genau kontrolliert, um mikrostrukturelle Phänomene wie Kaltverfestigung, Rekristallisation, Ausscheidung und Gefügeentwicklung zu steuern. Die beim Warmwalzen generierte Mikrostruktur bestimmt die endgültigen Produkteigenschaften wie Umformbarkeit, Anisotropie, Biegefähigkeit und Oberflächenbeschaffenheit. Das Warmband wird in einer Kaltwalzstraße auf die endgültige Dicke gewalzt, wobei besondere Aufmerksamkeit auf Reinheit und eine Oberfläche frei von Dellen, Abdrücken und Kratzern gelegt wird.
Abschließend wird das Kaltband einer Wärmebehandlung mit Lösungsglühen und Abschrecken in einem kontinuierlichen Banddurchlaufofen unterzogen. Das Metallband wird mit heißem Gas in einem Bandschwebeofen auf eine Temperatur erhitzt, bei der sich das Magnesium und Silizium vollständig in Lösung befinden. Am Ausgang des Ofens wird das Band rasch auf Raumtemperatur abgekühlt, um die Legierungselemente als Mischkristalle im übersättigten, einphasigen Zustand zu erhalten. Auf diese Weise ist das Metall im Lieferzustand (T4) weich und umformbar, während durch Aushärtung im „Paint-Bake-Vorgang“ (das Einbrennen der Lackierung) beim Automobilhersteller ein signifikanter Anstieg der Festigkeit erreicht wird.
Dank optimierter Legierungskomposition und der genau kontrollierten Prozessparameter bieten Surfalex-Bleche beständige, branchenführende Eigenschaften bezüglich Umformbarkeit, Falzverhalten, Festigkeitsanstieg während Paint-Bake, Korrosionsresistenz sowie vollständig gleichmäßige Oberflächengüte nach Umformung, frei von Oberflächendefekten wie „Orangenhaut“ oder „Roping“. Das einzigartige an Surfalex ist die Kombination all dieser Eigenschaften in einem Produkt, während frühere Produktgenerationen auf dem Kompromiss der Verbesserung einer Eigenschaft auf Kosten einer anderen basierten.
Blick in die Zukunft
Constellium investiert kontinuierlich in Forschung und Entwicklung sowie den Ausbau der Produktionskapazitäten – allein zwischen 2014 und 2016 flossen rund 200 Millionen Euro in die Steigerung der Automobilblech-Produktionskapazitäten in Europa um 140 000 t. Im gleichen Zeitraum investierte das Zuliefererunternehmen gemeinsam mit der UACJ Corporation, einem der führenden Aluminiumproduzenten in Japan, in Produktionswerke in Bowling Green, Kentucky/USA. Weitere Investitionen in das Werk Muscle Shoals – nach der Übernahme von Wise Metals – sind für den Automobilmarkt geplant. Daneben forscht Constellium kontinuierlich zu noch hochfesteren, formbareren und leichteren Aluminiumlösungen.
Davon ausgehend, dass die Aluminiumhersteller in den nächsten Jahren ihre Walz- und Wärmebehandlungskapazitäten entsprechend der steigenden Nachfrage durch Automobilhersteller ausbauen, kann Aluminium als Werkstoff noch viele weitere Anwendungsbereiche erschließen und beispielsweise Stahl durch leichtere und ohne Qualitätsverlust recycelbare Lösungen ersetzen. Das Potential von Aluminium als Werkstoff im Automobilbau sowie vielen weiteren Bereichen ist noch lange nicht ausgeschöpft.
Aluminium für die Welt
Constellium ist ein globaler Branchenführer der Aluminiumindustrie, der innovative Aluminiumprodukte mit hohem Mehrwert für Luft- und Raumfahrt, Verpackung und den Automobilbereich entwickelt. Neben den Standorten in Neuf-Brisach in Frankreich und Gottmadingen in unmittelbarer Nähe, ist das Werk in Singen in Baden-Württemberg (1600 Mitarbeiter) ein wichtiger Standort des internationalen Produktionsnetzwerks für Automobilanwendungen. Die Fertigungsbereiche von Singen umfassen sowohl Walzprodukte als auch Pressprodukte. Durch ständige Weiterentwicklung und Innovationsbereitschaft genießen Aluminiumprodukte von Constellium global einen hervorragenden Ruf.
Dieter Höll ist Director Sales and Marketing, Automotive & Specialties bei Constellium in Singen.