Automobilbranche im Umbruch – welche Strategien helfen?
Die Automobilbranche steht vor weitreichenden Veränderungen und massiven Herausforderungen. Die IAA Mobility im München bot eine ideale Gelegenheit, Neues zu zeigen und sich auszutauschen.
Während sich die deutschen Hersteller aufgrund ihres herausragenden Rufes jahrelang vorrangig an „herkömmlichen“ Technologien wie dem Verbrennungsmotor orientiert haben, sind insbesondere Start-ups und neue Anbieter in der Lage gewesen, diese Lücke zu nutzen, um Innovationen zu perpetuieren – so die Meinung von Dominique Scheider, Industry Strategy Marketing Transportation bei Rockwell Automation. Er erläuterte im Rahmen der kürzlich stattgefundenen IAA, dass die dort gezeigten Neuerungen in der Automobilbranche einerseits ein „Feuerwerk der Innovationskraft“ darstellen. Andererseits stehen die Hersteller aufgrund von massiven Umbrüchen und einer harschen Konkurrenzsituation vor einer Vielzahl an Herausforderungen. Diese lassen sich nach Scheiders Ansicht nur gemeinschaftlich bewältigen – indem vor allem auch mit Technologie-Anbietern zusammengearbeitet wird.
Rechtliche Rahmenbedingungen erschweren fundierte Entscheidungen
„Selbstverständlich kann man nicht behaupten, dass die derzeitige Lage der deutschen und der internationalen Automobilbranche gänzlich durch sie selbst verschuldet ist. Die Wahrheit ist aber auch, dass rechtliche Rahmenbedingungen wie der European Green Deal und Investitionsunsicherheiten ein entschiedenes Handeln für die Zukunft erfordern“, erklärt Dominique Scheider.
„Der internationale Markt wird dabei immer rauer. Mit der fortschreitenden Konzentration auf die Elektromobilität geraten die europäischen Hersteller zunehmend unter Druck. Das zeigt sich auch in den immer stärker wachsenden Marktanteilen asiatischer Herausforderer auf dem europäischen Markt. Gleichzeitig besteht für Zulieferer und Hersteller die Schwierigkeit, dass heutige Investitionen in die Batterieproduktion durch neue, noch nicht verfügbare Technologien bereits in einigen Jahren obsolet werden könnten. Werden diese Umstände mit den künftigen gesetzlichen Rahmenbedingungen des European Green Deal kombiniert, wird klar, dass die europäischen und deutschen Hersteller dringend eine vorwärtsgewandte Strategie verfolgen müssen, um künftig mit der Konkurrenz mithalten zu können.“
Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ist das Gebot der Stunde
Die diesjährige IAA machte deutlich, dass die deutschen Hersteller und Zulieferer die Herausforderung annehmen. Der Wille zur Innovation sei eindeutig vorhanden und auch die Zeichen der Zeit wurden von den meisten Verantwortlichen erkannt. „Darüber hinaus muss allen Entscheidern in der Branche aber auch klar sein, dass traditionelle Wege nicht in die Zukunft führen können und man nur gemeinsam gegen die internationale Konkurrenz bestehen und gleichzeitig allen rechtlichen Herausforderungen entsprechen kann. Neben der Zusammenarbeit wird auch die Innovationskraft eine entscheidende Rolle spielen.“
Beispielsweise hat Mercedes-Benz Ende September angekündigt, sich auf dem Weg in eine rein elektrische Zukunft am europäischen Batteriezellenhersteller Automotive Cells Company (ACC) zu beteiligen, um die Entwicklung und Produktion von Hochleistungsbatteriezellen und -modulen der nächsten Generation voranzutreiben. Für das angestrebte Elektrifizierungsziel benötigt das Unternehmen bis zum Ende des Jahrzehnts Kapazitäten von insgesamt mehr als 200 Gigawattstunden. Gemeinsam mit Partnern sollen weltweit acht Zellfabriken errichtet werden, davon vier alleine in Europa. Die „Marke mit dem Stern“ wird gemeinsam mit Stellantis und TotalEnergies gleichberechtigter Anteilseigner an ACC, wobei jeder Partner einen Anteil von 33 Prozent hält.
Digitalisierung ist auch in der Automobilbranche Pflicht
Die Kooperation endet heutzutage aber nicht mehr direkt an der Pforte der Entwicklungsabteilungen. Die gesamte Automobilproduktion muss mit den modernen Mitteln von Industrie 4.0-Technologien ausgestattet sein, um widerstandsfähig und gleichzeitig flexibel auf einen sich stetig verändernden Markt reagieren zu können. Das gilt nach Ansicht von Scheider vor allem für die immer zentraler werdende Batterieproduktion: „Zu erwartende Entwicklungen wie Festkörperakkumulatoren müssen bereits heute in die Planung von Produktionsanlagen mit eingeplant werden, um Investitionen nachhaltig zu gestalten. Ein zentrales Zukunftsthema neben der industrieübergreifenden Zusammenarbeit ist daher eine intelligente Fertigung.“
Und weiter: „Nur mit einer vernetzten Produktion – sowohl bei der Reifenproduktion wie auch bei Batterieherstellern und den eigentlichen Automobilproduzenten – können die deutsche und europäische Automobilbranche die kurzen Markteinführungszeiten erreichen, die für die Verbraucherpräferenzen entscheidend sind. Eine agile Fertigung, die neue technologische Entwicklungen und entsprechende Impulse aus der Forschung und Entwicklung schnell aufnehmen kann, ist in der Lage schwerwiegenden Herausforderungen zu trotzen und sich flexibel auf die Zukunft einzustellen. Nur mit einer solchen Produktion sind deutsche und europäische Automobilproduzenten in der Lage, auch noch in fünf Jahren die herausragende Rolle auf dem internationalen Parkett zu spielen, die sie auf der diesjährigen IAA eingenommen haben.“
IAA 2021 in München unterstrich den Transformationsprozess
Die „IAA Mobility“ fand 2021 erstmals in München nach einem neuen Konzept statt. Nach Angaben der Veranstalter, des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) und der Messe München, war sie ein großer Erfolg: mit 400.000 Teilnehmern aus 95 Ländern, 744 Ausstellern und 936 Rednern aus 32 Ländern. 67 Prozent der Besucher waren jünger als 40 Jahre. Als erste „Plattform für die Mobilität der Zukunft“ hatte sie das Ziel, die verschiedensten Verkehrsträger – vom Auto über das Fahrrad bis hin zu digitalen Lösungen und der „Urban Air Mobility“ – unter einem Dach zusammenzuführen. Dabei hat sie insgesamt 260.000 Quadratmeter Veranstaltungsfläche belegt, davon 195.000 auf dem Messegelände und 65.000 in der Münchner Innenstadt.
Die ausstellenden Firmen und die Vortragenden haben die Gelegenheit genutzt, ihre Innovationen und Visionen für die klimaneutrale Mobilität der Zukunft vorzustellen und zu diskutieren. Die Aussteller präsentierten in mehr als 100 Premieren ihre neuesten Modelle und Konzepte. „Sie haben dabei unterstrichen, dass die Transformation der Mobilität in Richtung Klimaneutralität und Digitalisierung engagiert voran geht“, kommentierte Hildegard Müller, Präsidentin des VDA. Die nächste IAA Mobility ist vom 5. bis zum 10. September 2023 wieder in München geplant.
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