Belastbare Planzeiten in der Variantenfertigung
Im Maschinen- und Anlagenbau stehen sich oft individuelle Kundenwünsche und die ressourcenschonende Abwicklung einer Vielzahl an Varianten gegenüber. Dies birgt ein hohes unternehmerisches Risiko. Das Beispiel eines Anlagenbauers zeigt Erfolgsstrategien.
Damit die Variantenfertigung nicht zum Verlustgeschäft wird, sind reibungslose Prozesse und eine effiziente Wertschöpfungskette bereits bei der Vorkalkulation und Arbeitsplanung zentral. Häufig kommen dabei Excel-basierte Lösungen zum Einsatz. Das Ergebnis sind zahllose individuelle Arbeitspläne ohne zentralen Ablageort, die nach der manuellen Erstellung auch einer ebensolchen Pflege bedürfen. Dies führt zu einer Fehleranfälligkeit sowie intransparenten Planzeiten. Der Anlagenbauer Dieffenbacher setzt deswegen für eine vom einzelnen Planer unabhängige Know-how-Sicherung auf eine vollständig in SAP integrierte Lösung mit gemeinsamer Datenbasis und belastbaren Planzeiten. Ein hoher Automatisierungsgrad führt dabei zu kürzeren Durchlaufzeiten in der Fertigungsplanung, geringeren Kosten sowie mehr Planungssicherheit.
Anlagenbauer mit großer Tradition
Dieffenbacher hat sich im Zuge seiner fast 150-jährigen Geschichte als Anlagen- und Maschinenbauer zu einem der führenden Hersteller von Pressensystemen und kompletten Produktionsanlagen für die Holzwerkstoff-, Composites- und Recyclingindustrie entwickelt. Das familiengeführte Unternehmen bearbeitet drei Geschäftsbereiche: den Bau von Anlagen für die Spanplattenproduktion und für die Herstellung von Composites sowie die Projektierung von Recyclinganlagen. In der Fertigungsplanung am Unternehmenssitz in Eppingen pflegt ein siebenköpfiges Team circa 100.000 Arbeitspläne. Dabei liegt die Arbeitsplanquote aufgrund der großen Zahl an Neuplanungen, Varianten und Änderungen bei maximal 60 Prozent. Die Arbeitspläne werden schon lange in SAP gepflegt. „Parallel verfügte aber jeder Planer über Wissen, das in Excel oder anderen Formaten verwaltet wurde und auf das im Bedarfsfall nur schwer zugegriffen werden konnte“, so Andreas Ebner, Leiter der Produktionsplanung. Zudem seien Änderungen durch die manuelle Pflege und divergierende Ablageorte sehr aufwändig gewesen und konnten oft nicht schnell und durchgängig umgesetzt werden. Die so entstandene Datenredundanz in den Planzeiten sorgte in der Fertigung regelmäßig für Akzeptanzprobleme. Neuplanungen von Komponenten waren zeit- und kostenintensiv.
Entsprechend komplex war auch die Bearbeitung von Feedback aus Fertigung und Montage. „Wir haben deswegen eine Lösung für eine schnellere und exakte Arbeitsplanung und Zeitermittlung auf Basis einer gemeinsamen papierlosen Datenhaltung gesucht“, erläutert Andreas Ebner. Die neue Anwendung sollte vollständig in SAP integriert sein, um Systemsprünge zu vermeiden. Außerdem sollte die neue Lösung zu einer Verbesserung der Qualität der Planzeiten sowie zur Schaffung transparenter Planungsprozesse beitragen. Ziel war außerdem, die redundante Stammdatenhaltung einzustellen und alle Daten an einem zentralen Ort abzulegen sowie zu bearbeiten. Außerdem sollte das neue System über Tools für eine Rüstzeitberechnung verfügen und Kostentransparenz im Budget-Prozess sicherstellen.
Fertigungszeiten exakt und nachvollziehbar ermitteln
Im Anschluss an ein mehrstufiges Auswahlverfahren mit Nutzwertanalysen und Kosten-Nutzen-Rechnungen entschied man sich für HSplan/IS der Erfurter HSi GmbH. Das Unternehmen ist führender Anbieter für Lösungen zur Arbeitsplanung und Planzeitermittlung. Die adaptive Anwendung, mit der Planer Fertigungszeiten exakt und nachvollziehbar ermitteln können, ist je nach Anforderungsprofil vollständig in die bestehende IT-Landschaft integrierbar oder kann eingebettet sowie über eine Schnittstelle angebunden werden. „Das Tool liefert mit der gemeinsamen Technologiebasis für Vorkalkulation und Arbeitsplanung bereits viele Stammdaten für unsere Standardverfahren Drehen, Fräsen, Bohren, Schleifen, Schneiden, Beschichten und Sägen. Das stellte eine schnelle Systemeinführung sicher“, erläutert Andreas Ebner einen zentralen Grund für die Entscheidung. „Die Durchgängigkeit der Lösung wirkt sich auf unsere Planung ressourcenschonend und effizienzsteigernd aus“, so Ebner weiter. Die Module integrieren verfahrens- und kundenspezifische Daten, wie Schnittwerte und Regelwerke zur Berechnung von Zeiten.
Die Softwarelösung ergänzt die Arbeitsplanung von SAP um die Funktion der Plan- und Vorgabezeitermittlung. Der Arbeitsplaner beschreibt im SAP-Standard seine Vorgangsfolge. Unterhalb der Vorgänge ergänzt die HSi-Anwendung dann die Ebene der Arbeitsstufen. In der Vorgangsübersicht kann der Arbeitsplaner über die Symbolleiste den Stufeneditor aufrufen. Dort bietet die Lösung arbeitsplatzbezogene Berechnungsabläufe an. Sobald ein Berechnungsablauf ausgewählt und die Parameter in einer separaten Eingabemaske eingegeben sind, folgt die Abarbeitung der Regellogik auf dem HSi-Server. In den Arbeitsstufen werden die berechneten Haupt-, Neben- und Rüstzeiten sowie die generierten Texte gespeichert.
„Ein Vorteil im direkten Vergleich mit der SAP-Arbeitsplanung ist die automatisierte Übernahme von Änderungen: Ändert man beispielsweise die Anzahl der Bohrungen, wird diese automatisiert für alle entsprechenden Arbeitsgänge übernommen“, so Ebner. Nach Verlassen des Stufeneditors gelangt der Planer zurück in den Vorgang. Die berechneten Planzeiten werden automatisiert in die SAP-Zeitfelder für Rüst-, Maschinen- und Personalzeit in allen relevanten Arbeitsplänen übernommen. Eine manuelle Pflege entfällt. Neben der Arbeitsplanung können die Werte zur Ermittlung der Herstellkosten herangezogen werden. Für eine schnelle und exakte Ähnlichkeitsplanung verfügt das Tool zudem über eine Wiederholberechnung. Arbeitspläne können dabei übernommen, Parameter geändert und Neuberechnungen mit aktuellen Technologiedaten durchgeführt werden.
Zeitoptimierte Variantenplanung durch automatisierte Prozesse
Das System wurde zusammen mit den Erweiterungen der Technologiebasis um unternehmensspezifische Verfahren wie Zurichten, Richten, Entgraten, Anreißen, Fügen und Heften Anfang 2019 eingeführt. Zusätzlich wurde eine Automatisierung für die Teileklasse „Fußträger“ mittels einer Teilebeschreibung und Referenzparametern implementiert. „Mit der Handhabung waren alle Planer schnell vertraut, da wir den gewohnten SAP-Standard nicht verlassen“, so Andreas Ebner. Ein Highlight des Add-ons sei neben den umfangreichen, bereits mitgelieferten Daten die Möglichkeit, die Datenbasis stetig zu erweitern. So arbeite aktuell ein Mitarbeiter an einer neuen Fertigungsplanung mit über 500 zum Teil sehr ähnlichen Bauteilen. „Aktualisierungen und Variantenplanungen sind mit der automatisierten Anwendung zeitoptimiert möglich“, bilanziert Ebner. Überzeugend sei auch der Support: Die Mitarbeiter von HSi stünden bei Neuplanungen, Erweiterungen oder Anfragen stets schnell mit Rat und Tat zur Seite. Außerdem seien Prozesse aufgrund der Nachvollziehbarkeit aller Rechenschritte nun besser dokumentiert. Rücksprachen mit der Fertigung konnten durch die abgestimmte Technologiebasis reduziert werden.
Multilinguale Lösung für den weltweiten Einsatz
„Mit der Einführung des SAP-Add-Ons zur Arbeitsplanung haben wir die Zeit der Insellösungen hinter uns gelassen. Außerdem ermöglicht uns das hohe Maß an Automatisierung eine effizientere Variantenplanung“, resümiert Andreas Ebner. Das seien auch interessante Ansatzpunkte für die internationale Ausrichtung des Unternehmens: „Mittelfristig ist es denkbar, dass wir die multilingualen HSi-Lösungen zur Arbeitsplanung und Vorkalkulation auch an unseren anderen Produktionsstandorten einsetzen“, blickt er nach vorn. So sei eine Integration auch in den Unternehmensstandorten Kanada und Tschechien oder China möglich.
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Silvia Funke ist freie Fachjournalistin aus Leipzig.