Industrielle Kreislaufwirtschaft – live zu sehen auf der Hannover Messe
Kosten und Material einsparen durch die Nutzung gebrauchter Teile? Das ist eine gute Idee, die in der industriellen Anwendung aber noch viel zu selten umgesetzt wird. Die Hannover Messe gibt Anstöße.
Eine Kreislaufwirtschaft wird definiert als ein regeneratives System, in dem Ressourceneinsatz und Abfallproduktion, Emissionen und Energieverschwendung durch das Verlangsamen, Verringern und Schließen von Energie- und Materialkreisläufen minimiert werden. Dieses Ziel lässt sich erreichen durch diverse Maßnahmen: eine langlebigere Konstruktion, bessere Instandhaltung, Reparatur, Wiederverwendung, Remanufacturing, Refurbishing und Recycling. Im Prinzip ist Kreislaufwirtschaft auch in der Industrie „machbar“ – so die Meinung de Forschenden in der SmartFactory-KL.
Die Präsentation des Forschungsnetzwerks
Das Forschungs- und Industrienetzwerk aus Kaiserslautern möchte auf der Hannover Messe vom 22. bis zum 26. April 2024 zeigen, wie Bauteile in die Wertschöpfungskette rückführbar sind. Dafür wird neben der „Produktionsinsel_KUBA“ auch die „Produktionsinsel_SKYE“ aufgebaut. Erstere war exemplarisch erstmals 2022 auf der Hannover Messe zu sehen. Der Datenaustausch findet in der Produktionsinsel im Datenraum und durch den Einsatz von Verwaltungsschalen statt.
Die Verwaltungsschale (engl. Asset Administration Shell) ist ein branchenneutraler Standard, der es ermöglicht, dass „Assets“ auf der ganzen Welt miteinander kommunizieren. Sie bindet einen Gegenstand in die Industrie 4.0-Kommunikation ein. Der „Digitale Zwilling“ gilt als die Schlüsseltechnologie der Industrie 4.0. Verwaltungsschale, Künstliche Intelligenz (KI) und Datenräume werden auf der Messe exemplarisch in der Praxis demonstriert. Ziel ist, zu zeigen, wie eine nachhaltigere Produktion zukünftig aussehen kann.
Re-Use-Aspekt in der Kreislaufwirtschaft
Ein Teil der Kreislaufwirtschaft ist es, gebrauchte Bauteile und Komponenten erneut zu nutzen. Nicht jedes Bauteil wird in einem komplexen Produkt gleichermaßen beansprucht oder weist Verschleißerscheinungen auf, welche die weitere Nutzung einschränken oder sogar verhindern. Hier setzt der „Re-Use“-Use Case der SmartFactory Kaiserslautern (SF-KL) an. Die Weiternutzung gebrauchter Komponenten hilft, Ressourcen zu schonen, CO2 zu vermeiden und somit Kosten zu senken. „Die Idee an sich ist nicht neu“, sagt Teresa Petzsche, stellvertretende Projektleiterin des Green AI-Hub Mittelstand, „aber wir setzen sie im industriellen Kontext mit Unterstützung von KI ein. Das wird in Zukunft sehr wichtig sein.“
Verwaltungsschalen, KI und Datenräume in der Praxis
Die „Produktionsinsel_SKYE“ ist Teil der „Shared Production Kaiserslautern“. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz bewertet sie gebrauchte Bauteile eines Modell-Lastkraftwagens, der als Beispielprodukt auf der Hannover Messe hergestellt wird. Jedes wiederverwertbare Bauteil hat einen „Digitalen Produktpass“ (DPP), der als Verwaltungsschale umgesetzt ist. So können Produkte im Datenräumen sichtbar gemacht werden.
Der DPP enthält unter anderem Informationen über den aktuellen Zustand der Komponente, ihren bisherigen Nutzungsverlauf und ihren CO2-Fußabdruck. In einem Lager werden die Bauteile aufbewahrt und stehen zur erneuten Verwendung bereit. „Es war für uns ein großer Vorteil,“ erklärt Projektleiterin Petzsche, „dass wir auf eine industrienahe Produktionsumgebung zurückgreifen konnten. So konnten wir die Produktionsinsel_SKYE in einen Service-basierten Datenraum integrieren, der in realitätsnahen Bedingungen arbeitet.“
Der Anwendungsfall auf der Hannover Messe
Auf dem Stand der SmartFactory-KL können Besucher:innen einen eigenen Modell-Lkw konfigurieren und bestellen. Dabei können sie angeben, ob auch gebrauchte Bauteile verbaut werden dürfen. Die Produktionsinsel nimmt als Anbieter von Gebrauchtkomponenten im Datenraum teil. Sämtliche Produkte sind über Verwaltungsschalen identifizier- und ansprechbar. Mit SKYE soll gezeigt werden, wie sich mit Hilfe einer Qualitätsprüfung und der Selbstbeschreibung des Produktes auf Basis der Verwaltungsschale zuverlässig entscheiden lässt, ob eine Wiederverwendung möglich ist. Dann wird eruiert, wie das Bauteil erneut Teil einer neuen Wertschöpfungskette werden kann.
„Wer sich bei uns einen kleinen Lkw konfiguriert, darf diesen natürlich auch mit nach Hause nehmen“, verrät Petzsche. Auf jedem Modellfahrzeug befindet sich übrigens ein QR-Code, über den die Verwaltungsschale eines jeden Lkw einsehbar ist.
Über die Technologie-Initiative SmartFactory KL e.V.
SmartFactory-KL bezeichnet ein Forschungs- und Industrienetzwerk, das auf drei Säulen ruht: einem Verein (Technologie-Initiative SmartFactory KL e.V. – SF-KL) und zwei wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen. Dies ist zum einen „Innovative Fabriksysteme“ am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern und zum anderen der Lehrstuhl „Werkzeugmaschinen und Steuerungen“ (WSKL) an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Seit 2019 ist Prof. Dr.-Ing. Martin Ruskowski die organisatorische und inhaltliche Klammer. Er ist Vorstandsvorsitzender des Vereins, Leiter des DFKI-Forschungsbereiches und Inhaber des Lehrstuhles. Die Institution hat dass Ziel, Stakeholder aus Industrie und Wissenschaft in einem einzigartigen Industrie 4.0-Netzwerk zusammen zu bringen, um gemeinschaftlich Projekte zur Fabrik der Zukunft zu entwickeln und umzusetzen. Auf dieser herstellerunabhängigen Demonstrations- und Forschungsplattform testen Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit Industrievertretern innovative Fertigungstechnologien in einer realitätsnahen Fabrikumgebung.
Auf der Hannover Messe ist die SmartFactory-KL in Halle 8, Stand D18 zu finden.
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