So machen Automobilzulieferer ihre Lieferkette zukunftssicher
In der Automobilindustrie haben sich weltweite Lieferketten über lange Zeit bewährt, doch das Vertrauen schwindet. Was können Zulieferer konkret tun, um sich vor Effekten wie Produktionsausfällen, Lieferengpässen und Mehrkosten zu schützen?
Die disruptiven Ereignisse der letzten Jahre haben die Schwachstellen internationaler Lieferketten mit einer noch nie dagewesenen Deutlichkeit offengelegt. Sie mahnen alle Fertigungs- und Zulieferunternehmen entlang dieser Kette, künftig Wege zu mehr Resilienz zu beschreiten. Ein Spezialist aus der Digitalisierungsbranche erläutert, welche Maßnahmen Automobilzulieferer ergreifen können.
Wie können Zulieferer für mehr Transparenz sorgen?
Eine zentrale Schwachstelle der Automotive-Lieferkette besteht in den unterschiedlichen Digitalisierungs-Reifegraden der einzelnen Player. Diese Verschiedenheit zieht eine extreme Vielfalt an Tools, Systemen und Schnittstellen nach sich. Je tiefer man in die Lieferkette vordringt, umso statischer werden diese Systeme oftmals. Unter „Datensilos“, die aufgrund von heterogenen Systemen entstehen, leidet die End-to-End-Transparenz in der gesamten Lieferkette; das Risiko von Fehlern und Verzögerungen wächst. So etwas können sich Unternehmen – insbesondere in Zeiten volatiler Lieferketten wie aktuell – nicht leisten.
Eine durchgängige Digitalisierung mit standardisierten Prozessen und Schnittstellen (und somit ein ununterbrochener Datenfluss) ist der zentrale Hebel, damit sich Unternehmen in der automobilen Lieferkette schneller von Disruptionen erholen (Bounce Back) und in Zukunft Störungen verhindern können (Bounce Forward). Doch wie sieht der Weg dorthin aus?
1. Durchgängige Datenbasis schaffen
Vollständige, auf aktuellem Stand gepflegte, stimmige Daten sind der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen in der Automotive-Lieferkette – und das aus zweierlei Hinsicht. Zum einen ist eine solide Datenbasis die Voraussetzung für reibungslose Prozesse und eine „saubere“ Kommunikation. Zum anderen benötigen Automobilzulieferer diese Basis, wenn sie von fortschrittlichen Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) profitieren möchten, etwa in Form einer automatisierten Entscheidungsfindung.
„Data Mining“ ist ein klassischer Anwendungsfall für ML und KI. Es automatisiert den Prozess des Extrahierens von Daten aus verschiedenen Dokumenten in allen möglichen Formaten, sei es aus PDFs, Excel-Tabellen, E-Mails oder anderen Quellen. Im nächsten Schritt bringen Algorithmen die Daten in ein einheitliches Format, das die unterschiedlichen Systeme entlang der Supply Chain nutzen können.
Das Streben nach einer einheitlichen Datenbasis innerhalb des gesamten Ökosystems ist mit den Bedenken und Interessen der Zulieferer im Bereich Data Governance in Einklang zu bringen. Das ist nicht so einfach, wie es klingt. Jeder Lieferant kann einen anderen Messaging-Standard oder andere Wege der Kommunikation nutzen. Das Vereinheitlichen und Anpassen von Standards bedarf eines tiefgreifenden internen Know-hows oder eines externen Partners, der sich dieses Wissen aneignen und es einsetzen kann.
Bei den Kommunikationskanälen wird die Sache noch schwieriger, gerade wenn „On-Premise“-Lösungen im Einsatz sind. Diese Software wird im eigenen Netzwerk eines Unternehmens installiert und betrieben. Insbesondere Unternehmen mit hohen Datenschutzanforderungen setzen darauf, ihre Daten und Prozesse im eigenen Haus zu verwalten. Neue Kommunikationskanäle benötigen möglicherweise komplett neue Lizenzen für die Lösung. In manchen Fällen läuft die neue Software vielleicht gar nicht auf den standortgebundenen Legacy-Lösungen.
2. Nicht nur EDI-Readiness, sondern EDI-Excellence
In der Automotive-Lieferkette ist EDI (Electronic Data Interchange) der „Goldstandard“ für eine standardisierte Datenkommunikation. Doch EDI-Readiness ist kein statischer Zustand. Einmal etabliert, ist jedes Unternehmen gefragt, seine bestehende EDI-Infrastruktur regelmäßig zu hinterfragen und bei Bedarf an die aktuellen und der Lieferkette als Gesamtes anzupassen. Dazu gehören Überlegungen wie beispielsweise: Sind On-Premise-Lösungen noch zeitgemäß oder bringt die Umstellung auf eine Cloud-basierte EDI-Infrastruktur entscheidende Vorteile in punkto Skalierbarkeit und Flexibilität?
Sollte sich ein Unternehmen, aus welchen Gründen auch immer, gegen eine Migration der EDI in die Cloud entscheiden, wird es einige Hürden nehmen müssen. Abgesehen vom End-of-Life oder End-of-Service der existierenden Lösung besteht immer das Risiko von Sicherheitslücken. Sicherheitsrelevante Updates laufen auf dem System möglicherweise gar nicht. Außerdem ist es in komplexen EDI-Szenarien durchaus möglich, dass mehr als ein Software-System gewartet werden muss. So kann es vorkommen, dass eine Sicherheitslücke in einem System besteht. Dann wird aufgrund bestimmter Funktionalitäten eine neue Version in einer anderen Anwendung benötigt. Ein drittes System kann dann einen Patch benötigen, weil der Lieferant der Software sich sonst weigert, die Wartung durchzuführen.
3. Gemeinsam für Standards
Bei EDI-Nachrichten, der Etikettierung und Lieferscheinen arbeitet jeder OEM (Original Equipment Manufacturer) und jeder Lieferant etwas unterschiedlich, was die übergreifende Kommunikation und Verarbeitung erschwert. Es gibt bereits große Unterschiede zwischen ASNs (Versandvorabmitteilung – Advance Shipping Notice ), Call-Offs und JIT/ JIS (Just in Time/ Jist in Sequence)-Prozessen.
Außerdem hat in Europa jeder OEM herstellerabhängig seine eigenen Prozesse. Koreanische Hersteller haben beispielsweise ihren eigenen Ansatz zu Callo-Off-Prozessen. In den USA sieht es wieder anders aus. Einheitliche Standards können hier eine Menge zusätzliche Arbeit ersparen. Tatsächlich existieren diese Standards bereits, allerdings entwickeln sie sich ständig weiter – und die OEMs ändern sie zum Teil so weit, dass man nicht mehr von Standards sprechen kann.
Standardisierung ist keine „Einbahnstraße“
Alle Beteiligten im Automotive-Ökosystem müssen sich auf gemeinsame Workflows verständigen und diese konsequent einhalten. Für dieses Commitment muss jeder Stakeholder sich verinnerlichen können, welche Vorteile dies für sein Unternehmen bringt. So etwas gelingt nur durch einen Austausch auf Augenhöhe. Bedenken, etwa im Bereich „Data Governance“, sollten respektvoll diskutiert und adressiert werden können. Ein zu großes Gefälle zwischen den Interessen der OEMs und der Zulieferer darf hier nicht aufkommen. Eine Plattform für den Austausch auf Augenhöhe will „Catena-X“ bieten. Dies ist ein offenes Daten-Ökosystem für die Automobilindustrie, das Datenketten bildet, mit denen die Beteiligten ihre Wertschöpfungskette optimieren können.
Offenheit bei der Kollaboration ist nicht nur zwischen den einzelnen Unternehmen entlang der Automotive-Lieferkette, sondern auch zwischen Unternehmen und potenziellen Partnern gefragt. Erfahrene Digitalisierungspartner wie Aimtec – mit langer Expertise in der Digitalisierung von Prozessen entlang der Automotive-Lieferkette – sind in der Lage, gemeinsam mit Betrieben unterschiedlicher Reifegrade einen gangbaren, pragmatischen und nachhaltigen Weg in die digitale Transformation zu erarbeiten. Sie tragen damit zu mehr Resilienz und Zukunftsfähigkeit bei. Seit 1996 unterstützt der Softwarespezialist aus Pilsen/CZ mittelständische Unternehmen in der Fertigung und Logistik bei der Optimierung und Standardisierung ihrer Logistikprozesse. Geboten werden hierfür IT-Lösungen für das umfassende Management (wie WMS, MES und APS) sowie die Integration von Technologien für die Automatisierung.
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