Wie Mensch und Maschine zu einem unschlagbaren Team werden
Der Mehrwert von künstlicher Intelligenz ist für viele alltägliche Produkte nicht mehr wegzudenken. KI-Verfahren wie Machine Learning sind aber bei ingenieurwissenschaftlichen Aufgabenstellungen noch unterrepräsentiert – ein neuer Ansatz kann das jetzt ändern.
Wir alle kennen sie aus dem Alltag: Digitale „Helferlein“, die uns unterstützen, effektiver und effizienter zu arbeiten und besser zu entscheiden. Dies reicht von Navigationssystemen, Gesichtserkennung, Google, Knowledge Panel und Machine Translation über smarte Zahnbürsten, Sprachsteuerungen, Remote Support bis hin zu Ferndiagnosen und -operationen in der Medizin. Sie bieten dank künstlicher Intelligenz (KI) ist für viele Produkte und Abläufe des täglichen Lebens einen deutlichen Mehrwert.
Lösungen für industrielle Anwendungen mehr in den Fokus rücken
KI-basierte Anwendungen und Assistenten in der Fertigung finden sich jedoch in den Produktportfolios vieler Hersteller nur selten wieder. Sie beschränken sich dabei häufig auf triviale Anwendungsbereiche und Verfahren. Die Ursache hierfür liegt – neben historisch gewachsenen „Informationssilos“ – zumeist darin begründet, dass die gängigen KI-Verfahren wie z. B. Machine Learning bei komplexen, ingenieurwissenschaftlichen Zusammenhängen häufig an ihre Grenzen geraten.
Doch es gibt bereits Lösungen, die diese Schwächen durch hybride Verfahren überwinden und sich schon heute für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau eignen – und die vor allem ohne unternehmenseigene KI-Experten funktionieren.
Hybride Formen der künstlichen Intelligenz schaffen Mehrwerte
Damit Mensch und Maschine zu einem „unschlagbaren Team“ werden können, wird eine KI benötigt, die so arbeitet, wie wir Menschen denken. Der Begriff der hybriden Künstlichen Intelligenz beschreibt einen Ansatz, der auch bei geringer Datenlage verlässliche Rückschlüsse ermöglicht, oder bei gleicher Datenlage sogar bessere Ergebnisse verspricht. Als hybrid wird diese Form der Intelligenz deshalb bezeichnet, weil sie menschliches Expertenwissen in den Lernprozess miteinbezieht. Dies geschieht, indem alle verfügbaren Daten entsprechend menschlichen Logiken kontextualisiert werden.
Im übertragenden Sinne bedeutet das, dass man der KI erst einmal beibringen muss, dass zum Beispiel ein „Fehler“ an einem „Bauteil“ auftreten kann, und „Bauteile“ wiederum Bestandteile einer „Baugruppe“ sein können. Eine besondere Rolle spielen hierbei die sogenannten „Knowledge Graphen“.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff Knowledge Graphen?
Unter Knowledge Graphen wird eine Art Wissens-Datenbank verstanden, in der Informationen so strukturierte aufgearbeitet sind, dass aus den Informationen Wissen entsteht. Sie schaffen somit das logische Grundgerüst, in welchem alle vorhandenen Daten intelligent vernetzt werden.
Knowledge Graphen arbeiten, wie Menschen denken: Sie decken Zusammenhänge und Verknüpfungen zwischen Maschinen, Komponenten oder Bauteilen auf, selbst wenn diese komplex und variantenreich sind. Somit kann bereits heute der digitale Zwilling einer Maschine abgebildet werden, sodass sie zum intelligenten Kollegen der Mitarbeiter wird, die selbst die passenden Informationen für den jeweiligen Aufgabe liefert. Die Systematiken beschränken sich nämlich nicht nur auf die Aufnahme und Wiedergabe von Daten. Sie bilden darüber hinaus die gesamte Logik von Maschinen, Produktportfolios oder Industrieanlagen in einem formalen Modell ab, das Servicetechniker in vielen Situationen unterstützt: Er findet zu einem aktuellen Problem Fälle aus der Vergangenheit mit ähnlicher Symptomatik an ähnlichen Bauteilen oder in ähnlichen Nutzungssituationen.
Knowledge Graphen spielen Situationen durch und können Auswirkungen eines Fehlers bestimmen: Müssen wir die Maschine anhalten und die Arbeit unterbrechen? Was kann im schlimmsten Fall passieren? Berücksichtigt werden dazu alle möglichen Parameter, wie z. B. Schadenshäufigkeit aus der Vergangenheit, Gewichte, Kräfte, voraussichtliche Hitzeentwicklung etc., um Wahrscheinlichkeit und Schwere von möglichen Schäden zu ermitteln.
Knowledge Graphen im technischen Kundenservice nutzen
Immer komplexere Produkte treffen aktuell auf einen „Notstand“: Dieser zeigt sich in Form einer wachsenden qualifikatorischen Lücke für Servicetechniker und Hotline-Agenten. Treten Probleme an Maschinen, Bauteilen oder Komponenten auf, müssen Servicemitarbeiter schnell die richtige Lösung finden. Dies gerät zunehmend zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen, da das Wissen häufig in Informationssilos (z. B. ERP-, CRM- oder PIM-Systemen, E-Mails, Ersatzteilkatalogen, Serviceberichten etc.) und in verschiedenen Formaten (z. B. Forschungsberichte, technische Dokumentationen, Datenblätter, Rückrufinformationen, Erfahrungswissen, Service-Berichte etc.) abliegt.
Reine Machine-Learning-Verfahren geraten hier an ihre Grenzen, da sie nur mit exakten Suchbegriffen arbeiten können. Hier ist eine Künstliche Intelligenz gefragt, die die Zusammenhänge des Problems versteht und erst anschließende entsprechende Lösungsvorschläge identifiziert. Selbst wenn keine eindeutige Lösung für das exakt beschriebene Problem vorhanden ist, kann die hybride KI Lösungsvorschläge identifizieren, die z. B. an einer ähnlichen Maschine in der Vergangenheit aufgetreten sind, aber auch in diesem Kontext hilfreich erscheinen.
Auch das Anreichern der bestehenden Wissensbasis durch Wissensartikel oder Notizen der Servicetechniker entfaltet erst durch die Unterstützung hybrider KI ihren vollen Nutzen, sodass Unternehmen langfristig das Expertenwissen digitalisieren und gleichzeitig die Effizienz im Service steigern können. Extreme Potenziale ergeben sich anhand der Knowledge Graphen auch im Aftersales-Bereich. Neben den richtigen Anweisungen zur Reparatur eines Bauteils, erhalten Mitarbeiter auch intelligente Vorschläge, um z. B. einen aktuellen Nachfolger und/oder die richtigen Betriebsmittel mit zu verkaufen.
Mehrwert für den Maschinen- und Anlagenbau generieren
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von hybrider KI, insbesondere der Knowledge-Graph-Technologie, sehr hohen Mehrwert für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau bietet. Zum Beispiel in den Servicebereichen existieren und funktionieren diese Lösungen schon heute. Aufgrund der verständlichen und nachvollziehbaren Logiken hinter der hybriden KI, ist es auch ohne intern vorhandene KI-Expertise möglich, an diesen Mehrwerten zu partizipieren. Insbesondere mittelständische Unternehmen sollten daher nach standardisierten und bewährten SaaS (Software-as-a-Service)-Produkten Ausschau halten.
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Jannik Westram ist Senior Product Marketing Manager bei Empolis, einem Softwareunternehmen für Content- und Wissensmanagement aus Kaiserslautern.