Wie sich Produktionswissen sichern lässt
Der demografische Wandel ist vor allem für Industrieunternehmen eine erhebliche Herausforderung. Das über die Jahre aufgebaute Wissen ist ein wichtiger Produktionsfaktor und ausschlaggebend für die Qualitätssicherung. Wie lässt sich gegensteuern?
Aufgrund sinkender Geburtenraten kommen immer weniger junge Arbeitnehmer nach. Gleichzeitig treten langjährige Mitarbeiter in den Ruhestand ein – und mit ihnen verschwindet wertvolles Fachwissen. In produzierenden Unternehmen sind Bereiche wie Montage, Instandhaltung und Qualitätsprüfung besonders stark vom Fachkräftemangel betroffen. Ist das aufgebaute Wissen nicht verfügbar, geraten industrielle Produktionsprozesse mit dramatischen Folgen ins Stocken.
Operative Mitarbeiter im „digitalen Niemandsland“
Die Digitalisierung verändert unser Leben in allen Bereichen. Während Mobile Apps, Wearables & Co. unseren Alltag stark vereinfachen, ist in der Arbeitswelt von produzierenden Unternehmen noch wenig Erleichterung angekommen. Die Digitalisierungsbestrebungen fokussierten dort intensiv auf die Vernetzung von Maschinen, die Einführung einer digitalen Fertigungssteuerung und vielfältige, häufig sperrige Insellösungen. So stehen operative Mitarbeiter noch immer vor der Herausforderung, ihre Informationen aus fragmentierten Lösungen mit komplexen Darstellungen – häufig sogar noch aus ausgedruckten Anweisungen oder Checklisten – zu beziehen. Probleme werden oft (nicht rückverfolgbar) per Zuruf gelöst, Daten manuell von Papier in Excel-Files übertragen oder gar nicht erst berücksichtigt.
Während „Wissensarbeiter“ sich seit Jahren ausgefeilter Digitalisierungslösungen erfreuen, werden operative Kräfte wie Werksmitarbeiter häufig im „digitalen Niemandsland“ allein gelassen. Eine in Summe schwindende Belegschaft verbringt viel zu viel Zeit mit repetitiven, nicht wertschöpfenden und wenig sinnvollen Tätigkeiten – das frustriert die Betroffenen. Hier können digitale Tools für Abhilfe sorgen und die operativen Mitarbeiter, die für einen störungsfreien Betrieb eine zentrale Rolle spielen, stärker sinnstiftend einbinden.
Neue Talente und alte Hasen: der Produktionsprozess braucht beides
Dass mehr Digitalisierung vonnöten ist, steht fest. Die jährliche Ausbildungsumfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter 15.000 Unternehmen hat festgestellt, dass Digitales wichtiger denn je ist. Der Nachholbedarf zeige sich schon an Berufsschulen. Und laut Bitkom setzen neun von zehn Unternehmen auf Industrie 4.0 und sieben von zehn sind der Meinung, dass durch Industrie 4.0 neue Arbeitsplätze für gut ausgebildete Fachkräfte entstehen werden. Doch optimale Synergien ergeben sich erst aus digitalen Skills, verbunden mit jahrzehntealtem Know-how durch Berufserfahrung.
Simon Jacobson, Vice President Analyst von Gartner Supply Chain Practice, weiß: „Neue Mitarbeiter sind möglicherweise technisch versiert, haben aber keinen Zugang zu Best Practices und Know-how – und festangestellte Mitarbeiter verfügen möglicherweise über das Wissen, aber nicht über die digitalen Fähigkeiten. Ein wirklich vernetzter Fabrikarbeiter in einer intelligenten Fertigungsumgebung braucht beides“.
Kredo: Wissen muss zentral verfügbar sein!
Die Schweizer Soudronic AG will zeigen, wie die Zukunft von produzierenden Unternehmen aussehen kann. Der weltweit führende Hersteller von Produktionsanlagen für Metallverpackungen hat den Hauptsitz in der Schweiz, über 600 Mitarbeitern weltweit und Kunden aus mehr als 120 Ländern der Welt (www.soudronic.ch). Das innovative Unternehmen stellt sich bereits den Herausforderungen der Zeit und setzt auf zukunftsweisende, digitale Wissenssicherung. Damit erhöhen die Schweizer signifikant die eigene Wandlungsfähigkeit und Resilienz.
Cyril Maurer, Leiter Produktion und Prüfstand bei Soudronic, erklärt: „Der Aufwand ist zu hoch, um in Handbüchern oder Excel-Arbeitsanweisungen Informationen zu suchen. Das Wissen muss an einem Punkt der Wahrheit für alle verfügbar sein. Nur so können wir auch die Einarbeitung für neue Mitarbeiter schneller und effizienter gestalten.“ Als Lösung setzt der Betrieb auf digitale Arbeitsanweisungen mit intuitiver Schritt-für-Schritt-Anleitung, in die problemlos Bilder und Videos eingebunden werden können.
Erst kürzlich wurde ein Standort von Deutschland in die Schweiz verlagert. Dank der Nutzung von digitalen Arbeitsanweisungen und Checklisten lief der Know-how-Transfer reibungslos ab. Im Hauptsitz in der Schweiz werden die Dokumente erstellt und für andere Standorte, wie beispielsweise Italien, übersetzt und bereitgestellt. Aus Kapazitätsgründen kann es durchaus passieren, dass eine Maschine, die normalerweise in der Schweiz produziert wird, an einem anderen Standort gefertigt werden muss. Da alle Standorte dieselben Arbeitsanweisungen nutzen, entfallen Anlernzeiten. Alle Mitarbeiter können auf denselben Wissensstand und dieselbe Qualität der Maschinen zurückgreifen. Bei Prozessänderungen müssen nicht alle Mitarbeiter informiert werden, da die Schritte in Echtzeit in der digitalen Arbeitsanweisung angepasst werden.
Gelungenes Anwendungsbeispiel: Digitalisierung trägt Früchte
Die Digitalisierung in der Produktion ist ein wichtiger Bestandteil der „Employer-Branding-Strategie“: „Junge Mitarbeiter finden die Nutzung neuer Technologien spannend. Sie benötigen eine einfache intuitive Systemlösung, wie sie sie aus dem privaten Umfeld kennen – intuitive Apps auf dem Smartphone, die in Sekunden installiert und in Minuten verstanden sind. Die Systemlösung soll dabei helfen, sich auf wichtige Aufgaben wie den eigentlichen Prüfprozess und nicht die Suche nach Informationen oder das Kopieren von Daten zu konzentrieren“, sagt Cyril Maurer. Ein modernes Arbeitsumfeld sei heute wichtiger denn je.
Prozesse werden immer komplexer und somit auch das Wissen eines jeden Einzelnen. Deswegen hat sich Soudronic zum Ziel gesetzt, implizites, mitarbeiterabhängiges Know-how in explizites, digital-integriertes Know-how zu verwandeln. So wird unbewusstes Wissen in bewusstes überführt und dem Kollektiv über die Plattform „Operations1“ (www.operations1.com) bereitgestellt. Digitale Arbeitsanweisungen sind lebendige Dokumente, die kontinuierlich angepasst werden. Über die cloudbasierte Software-Plattform können Anleitungen auch von ungeübten Nutzern schnell und einfach erstellt werden. In regelmäßigen Gruppendiskussionen wird Wissen geteilt. Neue Erkenntnisse werden in den Arbeitsanweisungen für die 120 Nutzer aufgenommen. In den Zeiten papierbasierter Dokumentationen sind Word-Anweisungen in irgendeinem Ordner verschwunden und notwendige Änderungen konnten nicht vollzogen werden, da der Aufwand zu hoch war.
Die Lösung: Connected-Worker-Plattformen
Als „Connected Work“ bezeichnet man die organisatorische, prozessuale und technologische Vernetzung von operativen – sogenannten „schreibtischlosen“ – Mitarbeitenden, also typischerweise solchen in der Produktion, der Logistik oder weiteren produktionsnahen Supportprozessen. Eine Connected-Worker-Plattform stellt die technologische Lösung zur Realisierung dieser Vernetzung dar. Der Unterschied zu typischen Softwareapplikationen ist, dass Mitarbeiter in ein umfassendes digitales System eingebettet werden. Informationen werden kontextbasiert bereitgestellt, Mitarbeiter interagieren mit IoT (Internet-of-Things)-Equipment und sind in Echtzeit miteinander sowie mit Führungs- und Arbeitsplanungsebenen vernetzt. Die Software wird As-a-Service bereitgestellt, sodass Anwenderunternehmen von einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Lösung profitieren.
Boomender Markt für Connected Work
Laut Gartner umfasst der Markt für Connected-Worker-Lösungen bereits über 3 Milliarden US-Dollar pro Jahr. In den nächsten Jahren wird er sich mehr als verdreifachen, so das prominente Marktforschungsunternehmen. Dabei gibt es fünf zentrale Anwendungsfälle für Connected Work: Mitarbeiterführung, Qualität und Compliance, Training und Qualifikation, Kollaboration und kontinuierliche Verbesserung. Während die bekannten Werkerassistenz- oder Werkerinformationssysteme lediglich kognitive oder physische Unterstützung bei Montagetätigkeiten bieten, geht eine Connected-Worker-Plattform weit darüber hinaus: Hier geht es um eine modular aufgebaute, auf ganzheitliche Vernetzung der Mitarbeiter abzielende Lösung für ein breites Einsatzgebiet.
Ebenso viel weitreichender sind die Vorteile gegenüber einem Werkerassistenzsystem: Zunächst steigt die Flexibilität für Unternehmen, operative Mitarbeiter einzusetzen, weil sie lediglich die Schulung für eine Software für unterschiedliche Anwendungsfälle benötigen. Gleichzeitig reduziert dies die Komplexität für die interne Informationstechnik.
„Die Ergebnisse unserer diversen Fallstudien mit und bei unseren Kunden zeigen eindrucksvoll, welchen Mehrwert eine derartige Plattform schafft. Neben messbaren Vorteilen kann sie dazu beitragen, die Flexibilität in der Organisation zu erhöhen, Wissen nachhaltig zu sichern und einen Hebel zur Gewinnung neuer Mitarbeiter darstellen, da Anreize durch ein modernes Arbeitsumfeld gesetzt sind“, sagt Benjamin Brockmann, Co-Founder und CEO von Operations1. Dies belegt auch das Beispiel Soudronic eindrucksvoll: Für die Schweizer ist es essenziell, Wissen zu teilen, verfügbar zu machen und auf einer Plattform zusammenzubringen. Die Ziele haben sie realisiert: Seit der Einführung von Operations1 ist dies alles kein Problem mehr.
Expandierender Lösungsanbieter
Operations1 gilt als führende Connected-Worker-Plattform für die Industrie, mit der sich mitarbeitergeführte Produktionsprozesse durchgängig digitalisieren lassen. Dies reicht von der Aktivitätsplanung und Wissensbereitstellung bis hin zu einer intuitiven Prozessführung, Dokumentation, Live-Analyse und kollaborativem Incident-Management.
Aufgrund ihrer hohen Skalierbarkeit wird die Plattform weltweit in mehr als 15 Ländern in verschiedenen Prozessen der Instandhaltung, Produktion, Montage, Qualität, Schulung und bei Audits eingesetzt. Führende Hersteller aus dem Maschinen- und Anlagenbau, den Consumer-Goods- oder der Automotive-Industrie, beispielweise Bosch, Daimler Truck, ThyssenKrupp, Trumpf, KraussMaffei oder Stabilo, arbeiten bereits erfolgreich mit den Lösungen. Das 2017 in Kooperation mit der TU München gegründete Software-Unternehmen wird vom Trio Benjamin Brockmann (CEO), Daniel Grobe (CCO) und Anian Ziegler (CPTO) geführt. Um dem starken nationalen und internationalen Wachstum gerecht zu werden, eröffnete das Unternehmen neben dem Standort im Augsburger Innovationspark 2020 einen weiteren in Frankfurt am Main.
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