Excellence in Production: Umformtechnik-Werkzeugbau siegt im Branchenwettbewerb
Das Jahr 2023 war für die Werkzeugbaubetriebe im deutschsprachigen Raum ein schwieriges – dies betonte die Jury des Wettbewerbs „Excellence in Production“ vor Kurzem anlässlich ihrer Preisverleihung in Aachen. Bereits zum 20. Mal wurde der „Werkzeugbau des Jahres“ gekürt, der Gesamtsieger stammt diesmal aus dem Automobilbereich.
Erläutert wird im Folgenden, was die Unternehmen in diesem anspruchsvollen Industriesegment erfolgreich macht. Denn die starke Konkurrenz aus dem asiatischen Raum und ein enormer Preisdruck bei gleichzeitig hohen Kundenanforderungen mache allen Betrieben zu schaffen, vor allem den „externen“ Werkzeugbaubetrieben, betonte die Jury. Umso herausragender sei die Leistung der Unternehmen zu benennen, die dieses Jahr im Finale standen. Die „internen“ Werkzeugbaubetriebe zeigten im Teilnehmerfeld der Finalisten gleichermaßen starke Leistungen. Diese produzieren nur für den Mutterkonzern und bieten keine Leistungen nach außen an – trotzdem müssen sie bei den Kosten und Leistungen wettbewerbsfähig sein, um bestehen zu können. Die internen Werkzeugbauer stellten im Jahr 2023 schließlich auch den Gesamtsieger – es ist der Umform-Werkzeugbau der Werke München und Dingolfing des Automobilbauers BMW.
Der Wettbewerb im Jubiläumsjahr
Zwölf Unternehmen standen im 20. Austragungsjahr des Wettbewerbs im Finale um den Branchenpreis zum Werkzeugbau des Jahres. Jedes Jahr werden dabei die besten Werkzeug- und Formenbaubetriebe im deutschsprachigen Raum gekürt. Die zwölf von der fachkundigen Jury vorab ausgesuchten Unternehmen konnten sich in besonderer Weise im Teilnehmerfeld von 217 Betrieben, die die zweite Wettbewerbsphase erreicht hatten, beweisen. Am 15. November 2023 fand schließlich nach einer ausführlichen Bewertungsphase die Preisverleihung zum „Werkzeugbau des Jahres“ im Krönungssaal des Aachener Rathauses statt.
Der Münchner und Dingolfinger Werkzeugbau setzte sich damit in einem Teilnehmerfeld von insgesamt 305 Unternehmen durch, das (wie in den Vorjahren) in vier Kategorien eingeteilt war. Das Team der BMW-Umformer nahm während einer feierlichen Preisverleihung vor rund 300 Gästen den begehrten Preis entgegen. Die Laudatio auf den Gesamtsieger hielt traditionsgemäß der Vorjahressieger – in diesem Jahr war es Michael Stepper, Inhaber und Geschäftsführer der Fritz Stepper GmbH & Co. KG.
Design-Enabler mit Fokus auf Kernprozesse und den AR-Einsatz
Ausschlaggebend für die Jury war insbesondere die starke strategische Positionierung des Werkzeugbaus als „Design-Enabler“ innerhalb des Konzerns. Hervorzuheben sei auch der stringente Einsatz von Industrie-4.0-Technologie und Digitalisierung. Herausragendes Beispiel dafür ist die konsequente Nutzung von Augmented Reality (AR) in der Qualitätsprüfung sowie zur Digitalisierung des Fachwissens der Mitarbeitenden.
Der Umform-Werkzeugbau ist Teil des weiten Produktionsnetzwerks der BMW Group und beschäftigt 480 Mitarbeitende, davon 68 Auszubildende. Der Münchner und Dingolfinger BMW-Werkzeugbau legt einen technologischen Fokus auf seine Kernkompetenz im Bereich Fräsen und verfügt in dieser Technologie über einen hohen Automatisierungsgrad. Mit seiner modernen Ausstattung und dem dazugehörigen Know-how ist der Werkzeugbau bestens in die vor- und nachgelagerten Kundenprozesse integriert. Er stellt darüber hinaus ein breites Dienstleistungsangebot bereit, zu dem auch datenbasierte Leistungen zählen, beispielsweise die Sensor-Überwachung des Werkzeugs beim Kunden. Mit seiner Expertise für die „Außenhaut“ des Fahrzeugs sichert er auf globaler Ebene den Anlauf für die Fahrzeugprojekte des Konzerns. Die Prozesse orientieren sich am Prinzip „Lean. Green. Digital“ der „iFactory“-Strategie von BMW. Der Grundgedanke dabei ist, eine effiziente, präzise und hochflexible Produktion mit dem Nachhaltigkeitsgedanken und hoher Datentransparenz zu vereinen.
Innovatives Fahrzeugdesign inklusive Machbarkeitstests
Bereits früh in der Produktentstehung gestalten die Werkzeugbau-Expertinnen und -Experten gemeinsam mit den Designabteilungen das unverkennbare Design der Fahrzeuge. Ob sich die Bauteile wie gewünscht herstellen lassen und die Presswerke in der Lage sind, sie in den geforderten Stückzahlen in höchster Qualität zu produzieren, zeigen exakte Bauteil- und Prozesssimulationen bereits im Vorfeld der Produktion. Hochqualifizierte Mitarbeitende bilden im Unternehmen die Basis für den Erfolg in der Werkzeugherstellung und dem Einsatz beim Kunden. Von der Produktentstehung bis zu Produktionsende, aber auch bei Änderungen oder im Havariefall, lautet der Anspruch, dem „Kunden“ kompetent zur Seite zu stehen.
Zusätzlich zum Gesamtsieg erklärte die Jury des Wettbewerbs den internen Werkzeugbau der BMW AG auch zum Sieger der Kategorie „Interner Werkzeugbau ab 50 Mitarbeitende“. Als weitere Finalisten dieser Kategorie zeichnete die Jury den BMW-Werkzeugbau am Standort Landshut und die Gealan Fenster Systeme GmbH aus Oberkotzau in Oberfranken mit einer Urkunde aus.
Drahterodieren als Kernkompetenz
Der Sieg in der Kategorie „Interner Werkzeugbau unter 50 Mitarbeitende“ geht an die Technoform Insulation Solutions Tooling GmbH aus Kassel. Das Unternehmen überzeugte die Jury durch seine hohe Prozesskompetenz in der Drahterosion. Dafür nutzt das Unternehmen 4-Achs-Bearbeitung sowie selbst hergestellte Aufspannungen zur Reduktion von Rüstaufwänden. Zwei redundante Hallen für Serien und Musterwerkzeuge bilden laut dem Urteil der Jury eine schlüssige Segmentierung des Werkzeugbaus. Einen ausgezeichneten Eindruck hinterließ bei der Jury auch die starke Mitarbeitendenorientierung in Form flacher Hierarchien, hoher Eigenverantwortung der Mitarbeitenden und flexibler Arbeitszeitgestaltung. Technoform ist ein deutsches, international tätiges Familienunternehmen und hat sich spezialisiert auf die Extrusion thermoplastischer Kunststoffprofile für thermische Trennungen in Fensterprofilen und Isolierprofilen. Es beschäftigt an mehr als 45 Vertriebs- und Produktionsstandorten weltweit rund 1600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der interne Werkzeugbau fertigt jährlich mehrere hundert Muster- und Serienwerkzeuge für den Eigenbedarf. Insgesamt besteht das Team des Werkzeugbaus aus 47 Mitarbeitenden, davon zurzeit sechs Auszubildende.
Als weitere Teilnehmer standen in diesem Jahr die Roto Frank Austria GmbH aus Kalsdorf in Österreich sowie die Schunk Sintermetalltechnik GmbH aus Heuchelheim im Lahn-Dill-Kreis im Finale.
Organisatorische Exzellenz und modernes Geschäftsmodell überzeugen
Bester „Externer Werkzeugbau ab 50 Mitarbeitende“ im Jahr 2023 wurde die Giebeler GmbH aus Eschenburg bei Gießen. Hier zeigte sich die Jury beeindruckt von der organisatorischen Exzellenz des Unternehmens: Diese äußert sich besonders in der effizienten Kalkulation anhand einer eigens entwickelten App mit geometrischer Ähnlichkeitsanalyse. Die App versetzt das Unternehmen in die Lage, ähnliche Werkzeuge zu identifizieren und die Aufwände schon im Vorfeld der Herstellung auf Basis von Nachkalkulationen zu bestimmen. Hinzu kommt ein hoher Anteil an fertiggestellten Aufträgen ohne Budget- oder Fristüberschreitung – trotz häufiger später Änderungen durch den Kunden. Besonders hebt sich das Unternehmen auch durch das Vorantreiben des „Pay-per-Use“-Geschäftsmodells hervor. Was bei einigen Maschinen im Maschinenpark bereits zum Einsatz kommt, wird auch schon bei ersten Werkzeugen getestet. Für die Umsetzung des neuen Geschäftsmodells wird eng mit Banken und Start-ups im Bereich der Blockchain-Technologie zusammengearbeitet.
Giebeler beschäftigt insgesamt 180 Mitarbeitende in den Bereichen Werkzeugbau und Kunststofftechnik. Das Familienunternehmen kann auf etwa 11.000 hergestellte Werkzeuge zurückblicken. Moderne Technologien, digitale Prozesse und die strategisch nachhaltige Ausrichtung bestimmen die Entwicklung kundenindividueller Lösungen vom Design bis zur Herstellung von Werkzeugen mit einer Masse bis zu 15 Tonnen. Zur Erprobung der Werkzeuge stehen Spritzgießmaschinen mit bis zu 16.000 Kilo-Newton Zuhaltekraft bereit. Der unternehmensinterne 24-Stunden-Service steht den Kunden bei Bedarf schnell zur Seite. Das Unternehmen nutzt zudem eigene Datenbanksysteme wie die „Giebeler App“ und die „Giebeler Sphere“, um jederzeit Zugriff auf aktuelle Projektdaten zu erhalten.
Weitere Finalisten in dieser Kategorie waren die Fischer GmbH aus dem sächsischen Geringswalde sowie die weba Werkzeugbau Betriebs GmbH mit ihren Standorten in Dietach in Österreich und Olomouc in Tschechien.
Nutzung neuester Fertigungstechnologien als Maßstab
Gewinner in der Kategorie „Externer Werkzeugbau unter 50 Mitarbeitende“ ist die Primaform AG aus Thun in der Schweiz. Besonders positiv bewertete die Jury hierbei die gezielten Investitionen in neue Technologien wie die Laserstrukturierung und das Nass-Fräsen von Grafitelektroden. Zudem verfüge der Werkzeugbau über ein sehr gutes Montagekonzept nach dem Prinzip der Fließfertigung mit aufgabenbezogenen Arbeitsplätzen, höhenverstellbaren Tischen und Viewern an jedem Arbeitsplatz. Durch hohe Prozesskompetenzen im Fräsen und Erodieren mit hohem Automationsgrad erreicht Primaform sehr hohe Präzisionsbereiche.
Primaform beschäftigt 43 Mitarbeitende und neun Auszubildende. Komplexe Ein-, Mehrkomponenten- und Hybridwerkzeuge für den Spritzguss in der Medizintechnik- und Healthcare-Branche sind heute Kerngeschäft des Unternehmens. 50 bis 60 Werkzeuge mit bis zu 96 Kavitäten, einer Maximalmasse von fünf Tonnen und Seitenlängen von einem Meter verlassen jedes Jahr das Werk in Thun. Der hochautomatisierte Maschinenpark umfasst neben den klassischen Fertigungstechnologien des Werkzeugbaus auch spezielle Prozesse wie das Texturieren von Oberflächen und die Herstellung kleinster Strukturen mit dem Laser. Außerdem stellt Primaform Spritzgießwerkzeuge mit elektrischen Antrieben und eigener Steuerungssoftware her. Das Leistungsangebot umfasst die gesamte Prozesskette – von der kunststoffgerechten Teilekonstruktion über die Prozessentwicklung bis zur Qualifizierung der Produkte und Betriebsmittel.
Als weitere Finalisten in der Kategorie Externer Werkzeugbau unter 50 Mitarbeitende wurden die BBG GmbH & Co. KG aus dem Unterallgäu und die Klaucke & Meigies Formenbau GmbH aus Lüdenscheid im Sauerland ausgezeichnet.
Zusätzliche Preise in zwei Sonderkategorien
Anlässlich des Wettbewerbsjubiläums vergaben die Veranstalter in diesem Jahr erstmals Preise in den beiden Sonderkategorien „Beste Nachhaltigkeitsinitiative“ und „EiP-Newcomer des Jahres“ zur Auszeichnung des besten Erstteilnehmers. Mit dem Preis Beste Nachhaltigkeitsinitiative wurde der BMW Werkzeugbau am Standort Landshut ausgezeichnet. Die Jury sieht ihn als Pionier der Kreislaufwirtschaft, der bereits heute hohe Re-Use-Quoten von Werkzeugkomponenten bietet. Auffällig ist die hohe Präsenz des Themas Nachhaltigkeit auf dem Shopfloor, beispielsweise durch beschriftete Trennbehälter oder das teilweise Energie-Monitoring von Maschinen und Anlagen. Besonders lobte die Jury die „soziale Komponente“ der Nachhaltigkeit: ansprechende Sozial-Räume, hochergonomische Arbeitsplätze und ein umfangreiches Gesundheitsprogramms für die Mitarbeitenden.
Der EiP-Newcomer des Jahres ging an den internen Werkzeugbau der Voss Automotive GmbH: Der Betrieb überzeugte die Jury durch gezielte Investitionen in Maschinen mit hoher Leistungsfähigkeit und hohem Automatisierungsgrad sowie den Aufbau einer neuen, komplett klimatisierten Fertigungshalle. Beim Besuch vor Ort „glänzte“ die Werkzeugtechnik durch einen hohen Standard an Ordnung und Sauberkeit in der Lagerhaltung. Überzeugt hat auch die konsequente Anwendung der 5S-Methode auf dem gesamten Shopfloor.
Über den Wettbewerb Excellence in Production
Das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT ermitteln jährlich gemeinsam mit einer fachkundigen Jury die besten Werkzeug- und Formenbaubetriebe im deutschsprachigen Raum in vier Kategorien. Grundlage des ausführlichen Vergleichs bildeten ein umfangreicher Fragebogen sowie Vor-Ort-Besuche der bestplatzierten Unternehmen während der Sommermonate. Auf dieser Basis bestimmten die zehn Juroren aus Industrie, Politik, Verbänden und Wissenschaft zwölf Finalisten, die Kategoriesieger sowie den Gesamtsieger. Insgesamt hatten sich diesmal 305 Werkzeug- und Formenbaubetriebe am Wettbewerb beteiligt, 217 von ihnen hatten den Fragebogen vollständig ausgefüllt, 50 kamen in die engere Auswahl.
Am Tag nach der Preisverleihung stellen ausgewählte Finalisten und Partner der Aachener Institute ihre Erfolgsstrategien während des Internationalen Kolloquiums „Werkzeugbau mit Zukunft“ vor. Unter dem Motto „Werkzeugbau – Innovationstreiber in Europa!?“ berichteten 2023 die Veranstalter und ausgewählte Referenten über Innovationschancen und technologische Weiterentwicklungen, neue Digitalisierungsstrategien und Geschäftsmodelle sowie Wege hin zu einer wertsteigernden Kreislaufwirtschaft im Werkzeugbau. Das Ziel lautet, Impulse für eine langfristig erfolgreiche Ausrichtung der Werkzeugbaubranche zu setzen.
Neue Chance im nächsten Jahr
Auch im kommenden Jahr werden sich die besten deutschsprachigen Werkzeug- und Formenbaubetriebe wieder untereinander messen. Interessierte können sich schon jetzt unter www.excellence-in-production.de detailliert über den Wettbewerb informieren und ab dem 1. Dezember 2023 registrieren. Alle Teilnehmenden des Wettbewerbs erhalten eine individuelle Auswertung über ihre Stärken und Verbesserungspotenziale.
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