Ganzheitliches Prozessverständnis: Titan wirtschaftlich zerspanen
Das Herstellen von Werkstücken aus Titan, welche oft auch noch besonders komplexe Geometrien haben, unterscheidet sich grundlegend von der Bearbeitung von Guss oder Stahl. Für wirtschaftliche Ergebnisse müssen Werkzeugtechnologie und Prozess optimal ausgelegt sein.
Die Materialeigenschaften von Titan werden in vielen Bereichen wie etwa Luftfahrt, Automobilbau und Medizintechnik geschätzt. Mit seinem ganzheitlichen Verständnis um die Gesamtzusammenhänge in der Zerspanung dieses Werkstoffs ist ein Werkzeugspezialist aus Aalen in der Lage, ein Optimum aus Präzision und Wirtschaftlichkeit zu identifizieren.
Was macht die Titanzerspanung so schwierig?
Für die Zerspanung ist der Werkstoff Titan eine Herausforderung. Ursache ist die extrem niedrige Wärmeleitfähigkeit. Zum Vergleich: Bei der Stahlbearbeitung verbleiben zehn Prozent der Temperatur im Werkstück, 15 Prozent führen zu einer Belastung am Schneidwerkzeug und der weitaus größte Teil mit 75 Prozent der Wärme wird in die Späne geleitet und mit diesen abtransportiert. Bei Titan ist das komplett anders. Hier nehmen die Späne lediglich 25 Prozent der Wärme auf. Der Löwenanteil von 60 Prozent geht ins Werkzeug und verursacht eine hohe thermische Belastung der Schneide beziehungsweise des Schneidstoffes. Das führt zu erheblich geringeren Standzeiten. Die Schneidstoffkosten rücken damit in den Vordergrund.
Einfluss der Schnittgeschwindigkeit auf den Verschleiß
Zu niedrige Schnittgeschwindigkeiten führen zu Adhäsion, also einem Aufkleben des Materials. Bei zu hohen Schnittgeschwindigkeiten steigt das Risiko von Abrasion beziehungsweise tribochemischem Verschleiß steil an, der Schneidstoff verbrennt. Ein Indikator für den Zustand der Schneide ist die Verschleißmarkenbreite. In einem stationären Bereich wächst sie langsam und kontinuierlich an. Wird dieser Bereich überschritten und die Bearbeitung gelangt in den instationären Bereich, kommt es zu einem schnellen und unkalkulierbaren Versagen der Werkzeugschneide. Das passiert, wenn die Schnittgeschwindigkeit oder der Vorschub zu hoch gewählt wurden. Bis zu 100 Prozent Standzeitunterschied liegen zwischen dem stationären und dem instationären Bereich.
Für den Außendienst des Werkzeugexperten Mapal ist es sehr wichtig, Prozesse beim Kunden „mit einzufahren“. So lassen sich die Verschleißmarkenbreite kontrollieren und dem Anwender demonstrieren, wann das Ende des stationären Bereiches erreicht ist – für ein prozesssicheres Optimum der Maschinenlaufzeiten. In der Regel wird bei einem Verschleiß von etwa 0,2 Millimetern empfohlen, das Werkzeug zu wechseln. Ein Hartmetallfräser ist dann noch nachschleifbar, bei höherem Verschleiß nicht mehr.
Das Prozesswissen um die Titanbearbeitung hat Mapal in die Entwicklung seiner Werkzeugtechnik einfließen lassen. Im Fokus stehen dabei die Verschleißkriterien und ihre Beeinflussung – auch über den am besten geeigneten Schneidstoff hinaus. Für eine optimale Wärmebeständigkeit setzt der Spezialist auf innovative Schneidstoffe, also ausgewählte Hartmetallsorten und abgestimmte Beschichtungen, die eine möglichst geringe Reibung erzeugen. Die Mikro- und Makrogeometrie mit extrem positiven Werkzeuggeometrien, polierten Spanflächen und Maßnahmen der effizienten Kühlung stellen die Weichen für eine wirtschaftliche Zerspanung. Jedoch ist das sorgfältige „Austarieren“ der Schnittwerte für die Kosten einer Titanbearbeitung unerlässlich.
Schneller zerspant führt nicht zu geringeren Kosten pro Bauteil
Bei der Bearbeitung von Stahl und Guss stehen höhere Schnittgeschwindigkeiten vielfach für höhere Produktivität und niedrigere Gesamtkosten, die sich aus Maschinenkosten und Schneidstoffkosten zusammensetzen. Die Maschinenkosten werden immer geringer, je schneller und effizienter die Maschine arbeitet. Dabei steigen zwar die Schneidstoffkosten an – ein Optimum der Gesamtkosten stellt sich trotzdem bei einer relativ hohen Schnittgeschwindigkeit ein.
Bei Titan hingegen sind höhere Schnittgeschwindigkeiten nicht zielführend. Tobias Gräupel, Technical Expert Indexable Tools bei Mapal, belegt dies mit einer Wirtschaftlichkeitsberechnung. Diese optimiert die Schnittwerte von Titanbearbeitungen unter Kostengesichtspunkten. Betrachtet wird eine Fräsbearbeitung mit einem vier-schneidigen „NeoMill-Titan-2-Corner“, der mit einer Schnitttiefe von 4 mm und einer Eingriffsbreite von 24 mm in TiAl6V4 zerspant. Die Untersuchung verschiedener Kombinationen von Vorschüben und Schnittgeschwindigkeiten führt zu einer eindeutigen Empfehlung, was die Arbeitswerte angeht.
Ein Vergleich: Bei der Zerspanung eines Bauteils aus Stahl brachte die Verdoppelung der Schnittgeschwindigkeit von 200 m/min auf 400 m/min eine Gesamtkosteneinsparung pro Bauteil um 24 Prozent. In der Fertigung eines Werkstücks aus Titan hat die Steigerung der Schnittgeschwindigkeit von 32 m/min auf 50 m/min eine Kostensteigerung um 259 Prozent zur Folge. „Die Steigerung der Schnittgeschwindigkeit macht sich in den Gesamtkosten deutlich bemerkbar. Die Kosten explodieren regelrecht“, kommentiert Gräupel das Ergebnis. Das Kostenoptimum erreicht eine Bearbeitung mit hohen Vorschüben und niedrigen Schnittgeschwindigkeiten. Würde man hingegen zu den hohen Vorschüben auch die Schnittgeschwindigkeiten maximieren, ergäben sich mehr als vier Mal so hohe Kosten.
Fazit: Experten-Know-how hilft
„Speziell bei größeren Losgrößen sind solche Wirtschaftlichkeitsberechnungen unerlässlich“, unterstreicht Gräupel. Schließlich sind bei der Fertigung großer Stückzahlen die Gesamtkosten maßgeblich für Investitionsentscheidungen. Unwirtschaftliche Schnittparameter lassen in Titan die Gesamtkosten explodieren, erst die Kombination von innovativer Werkzeugtechnologie und optimaler Prozessauslegung führt zu einem perfekten Ergebnis. Mit diesem Know-how unterstützen die technischen Berater aus Aalen die Fertigungsverantwortlichen, um unabhängig von Bearbeitung und Produktionslosgröße das Optimum zu erzielen.
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