Materialwissenschaft forciert die Werkzeugperformance
Ein österreichisches Forschungsunternehmen „will es genau wissen“ und untersucht dazu das Materialverhalten sowie das Gefüge einer „upGrade“-Sorte mit 99 Prozent Recyclat sowie der „Premium“-Sorte eines Hartmetallspezialisten im Detail.
Nachhaltigkeit ist für Ceratizit Austria eine wichtige Thematik, die sie mit ihren upGrade-Sorten auch ihre Kunden weitergibt. Die Hartmetall-Produktlinie zeichnet sich durch den gewissenhaften Energieeinsatz, die Ressourceneffizienz und einen sparsamen Verbrauch von Rohstoffen aus. Dies gelingt dank der Wiedergewinnung von Sekundärrohstoffen in Form von recycelten Zerspanungswerkzeugen aus Hartmetall. Daraus resultiert eine erhebliche Reduzierung des „CO2-Fußabdruck“.
Ziel der Forschung: gleiche Leistung trotz Recyclat-Einsatz
Die neue upGrade-Sorte „CT-GS20Y“ ist wie die Premium-Hartmetallsorte „CTS20D“ ein 10-prozentiges Binder-Submikron-Hartmetall mit einer eingestellten Wolframkarbidkorngröße von 0,5µm bis 0,8µm. Genau diese Sorte wird bevorzugt für Bohr- und Fräswerkzeuge aus Vollhartmetall angewendet und deckt damit 70 Prozent dieses Einsatzfeldes ab.
Um den Qualitätsanforderungen zu genügen, unterzog der Hartmetall- und Werkzeugspezialist aus Reutte/A die neue Hartmetallsorte CT-GS20Y, die zu 99 Prozent aus hochwertigen Sekundärrohstoffen besteht, eingehenden Zerspanungsversuchen. Dabei konnte gezeigt werden, dass diese Sorte der etablierten Premiumhartmetallsorte CTS20D in Hinblick auf die erzielbare Werkstückoberflächengüte und der Widerstandsfähigkeit gegen Werkzeugbruch um nichts nachsteht. Dennoch will der Spezialist fundiert unter Beweis stellen, dass Sekundärrohstoffe im neuen Produkt keinen Einfluss auf die Verformungs- und Kriecheigenschaften unter extremen thermischen und mechanischen Lasten haben. Im Zuge eines gemeinsamen Forschungsprojekts untersuchte daher das Forschungsunternehmen Materials Center Leoben Forschung GmbH (MCL) die mechanischen Eigenschaften sowie das Belastungs- und Schädigungsverhalten der genannten zwei Hartmetallsorten.
Das MCL, 1999 gegründet, gilt mit etwa 180 Mitarbeitenden in der internationalen Forschungslandschaft als anerkannter Partner in den Bereichen Charakterisierung und Modellierung von Materialien sowie in der Simulation auf allen Längenskalen (von der atomaren Ebene im Material bis hin zu der Makroebene in Bauteilen). Darauf aufbauend, werden physikalische Modelle mit künstlicher Intelligenz kombiniert, um beispielsweise aussagekräftige Lebensdauermodelle für Materialien und Bauteile zu entwickeln.
Versuchsdurchführung und Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchungen
Um das Gefüge zu beurteilen, wird am MCL hochauflösende Rasterelektronenmikroskopie (REM) eingesetzt. Das REM bildet die Probenoberfläche durch Abtasten mit einem gebündelten Elektronenstrahl ab. Damit gelang es im Forschungsprojekt, die Verteilung der Wolframkarbide in der Kobaltmatrix zu untersuchen. In Bild 1 sind die Gefügeaufnahmen der beiden Sorten zu sehen. Trotz eines hohen Sekundär-Rohstoffanteils in CT-GS20Y zeigen beide Hartmetallsorten dieselbe Gefügestruktur. Zusätzlich wurde die Form der Wolframkarbide begutachtet, die keinerlei Unterschied zwischen den Hartmetallsorten erkennen ließ.
Zusätzlich wurden Elektronen-Rückstreu-Beugungsuntersuchungen (EBSD) durchgeführt, um kristallografische Information zu extrahieren: EBSD erlaubt die Unterscheidung von kristallografischen Phasen. Es lassen sich auch beispielsweise die Korngrößen, Kornorientierung und -grenzen zu charakterisieren. Bild 2 (2a und 2b) zeigt Kristallorientierungsbilder der Wolframkarbid-Körner der upGrade- und der Premiumhartmetallsorte. Die Wolframkarbid-Korngrößenverteilung beider Hartmetallsorten auf Basis der EBSD-Aufnahmen ist in Bild 2c dargestellt. Die Karbid-Korngrößenverteilung zeigt eine Streuung vom Nanometerbereich bis hinauf zu vereinzelten, 2,0 µm großen Körnern. In beiden EBSD-Aufnahmen wurden ungefähr 5000 Karbide erfasst, wobei der Großteil davon in der eingestellten Submikrongröße zwischen 0,5 µm und 0,8 µm vorliegen.
Ergebnisse der Belastungsversuche unter Temperatureinfluss
Während des Einsatzes – beispielsweise als Werkzeugmaterialien in der Zerspannung – sind Hartmetalle hohen Belastungen und Temperaturen ausgesetzt. Je nach bearbeitetem Material, verwendetem Fertigungsverfahren und angewandten Prozessparametern werden Temperaturen zwischen 600 und 1000 Grad Celsius erreicht.
Um das Materialverhalten während der Zerspanung zu verstehen, wurden Experimente unter monoton steigender und zyklischer Beanspruchung sowie Kriechversuche unter konstanter Last und erhöhter Temperatur durchgeführt. Um die Hartmetallsorten unter einachsiger Belastung sowie bei Temperaturen zwischen Raumtemperatur und 900 Grad Celsius zu prüfen, kam eine servohydraulische Prüfmaschine mit Vakuumkammer zum Einsatz. Längenänderungen während des Versuchs wurden berührungslos mit einem hochpräzisen Laser-Extensometer gemessen. Die Versuchsanordnung ist im Bild 3 zu sehen (a). Die Probe wurde dabei induktiv auf die gewünschte Temperatur gebracht und die Temperaturkonstanz über die Messlänge durch den Einsatz von Thermoelementen sichergestellt.
Um ein Ausknicken unter Druckbelastung zu verhindern, haben die Proben eine Sanduhr-Geometrie. Teil c zeigt eine glühende Probe bei 800 Grad Celsius. Die Spannungs-Dehnungskurven (unter monoton steigender Druckbelastung) belegen, dass mit einem Temperaturanstieg von Raumtemperatur bis zu 900 Grad Celsius die Steifigkeit der beiden Hartmetallsorten signifikant abnimmt (siehe d). Im Weiteren ist ersichtlich, dass beide Sorten bei den jeweiligen Temperaturen ein ähnliches Verformungsverhalten zeigen.
Zyklische Versuche unter reiner Druck-, symmetrischer Zug- und Druckbeanspruchung sowie auch Kriechversuche zeigten dieselbe Tendenz zu gleichem Verformungsverhalten.
Fazit: Nachhaltigkeit lohnt sich
Das Forschungsunternehmen MCL konnte durch Untersuchungen der Gefügestruktur und des Verformungsverhaltens nachweisen, dass die upGrade-Sorte CT-GS20Y bei gleichen Beanspruchungen und unter erhöhten Temperaturen die gleichen Eigenschaften bietet wie die Premium-Sorte CTS20D. Damit konnte bestätigt werden, dass die beiden Hartmetallsorten bei den mechanischen Beanspruchungen gleichwertig sind. Hochwertige Sekundärrohstoffe haben auch unter extremer mechanischer und thermischer Belastung keinen messbaren Einfluss auf die mechanischen und die Kriecheigenschaften. Die Kunden von Ceratizit profitieren von einer höheren Preisstabilität und Versorgungssicherheit. Denn es werden in der neuen upGrade-Sorte zu 99 Prozent hochwertige Sekundärrohstoffe verwendet, die Umwelt und Klima schonen.
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